Dollé braucht nicht lange zu überlegen. «Wenn ich könnte, würde ich ihm jetzt für die verbleibenden Stunden bis zur Fahrt vom Hotel ins Stadion einen guten Comedian zur Seite stellen, der Alex ununterbrochen mit guten Witzen oder Geschichten ablenkt und ihn zum Lachen bringt.»
Das Training sei ja längst gemacht. Dass er an den Schweizermeisterschaften in Zofingen mit 20,14 Sekunden einen hochkarätigen Schweizerrekord laufen konnte, und diesen am Mittwoch im EM-Halbfinal mit 20,16 locker bestätigte, beweise, dass Wilson in Top-Form ist. Das gibt ihm das nötige Vertrauen.
«Möglichst lange nicht an den Final denken»
Etwas Spezielles auf den grossen Final hin zu machen, bringe in den wenigen Stunden nichts. «Alex hat bis jetzt ja alles richtig gemacht. Das zeigen seine tollen Zeiten. Jetzt muss er nur bis zum Start hin locker bleiben und dann auf der Bahn 20 Sekunden lang seine Routine abrufen. Dann ist alles möglich.»
Den Türken Guliyev zu schlagen? Dollé: «Schwierig, aber nicht unmöglich. Wenn Alex das in einem Meisterschafts-Final schafft, ist das mega!»
Wo lauert für Wilson an diesem Nachmittag die grösste Gefahr? «Er darf möglichst lange nicht an den Final denken. Soll sich ablenken, Spass haben, die Vorfreude geniessen.»
Vorbild Usain Bolt
Drum – Dollés wichtigster Tipp: «Alex machs wie Bolt! Bleibe bis wenige Sekunden vor dem Start völlig locker. Viele versuchen sich schon Stunden vor dem Rennen nur noch auf dieses zu konzentrieren. Kapseln sich ab. Haben nichts anderes mehr im Kopf. Aber damit machen sie sich selbst kaputt. Wer sich überkonzentriert, wird nur unkonzentriert.»
Usain Bolt, der übrigens auf der Bahn im Berliner Olympia-Stadion bei der WM 2009 die bis heute gültigen Weltrekorde über 100 (9,58) und 200 m (19,19 Sekunden) aufgestellt hat, war der Grossmeister der Startvorbereitung. «Noch hinter dem Startblock hat Usain seine Faxen gemacht, mit dem Publikum gespielt und damit seine eigene Nervosität oder gar die Angst vor dem Rennen ausgeblendet.»
Genau so soll Alex Wilson heute Abend die Chance seines Lebens angehen. Dann glaubt auch Dollé daran: «Es ist alles möglich!»