Wehe, wenn sie losgelassen. Auf Bahn vier ist Mujinga Kambundji beim EM-Final im Berliner Olympia-Stadion von Bestien umzingelt. Dafne Schippers plaustert links neben ihr wie ein Rennpferd die Nüstern auf. Dina Asher-Smith auf der rechten Seite schaut so böse, dass man wegen ihr die Strassenseite wechseln würde. Und die schnellste Frau der Schweiz? Fokussiert, wie immer. Ihr Blick auf das Ziel gerichtet. Kein unnützes Imponier-Gehabe.
So wie sie eben ist, die 26-jährige Bernerin – wie wir sie und ihre schnellen Beine eben lieben. Charmant auch in der Niederlage. Bloss, kaufen kann man sich davon nichts…
Peter Haas, der Leistungssport-Chef von Swiss Athletics hat es schon vor dem Halbfinal gesagt: «Eigentlich ist es verrückt. Alles hängt für uns von diesem heissen Dienstagabend ab.»
Dann der Schuss. Mujinga startet gut, Asher-Smith aber noch besser. Nach wenigen Metern ist die Britin weg. Kambundji aber auch bei 70 Metern noch auf Kurs zum Podest. Bis neben ihr Schippers – deren Trainer Rana Reider auch Mujinga «teilt» – diesmal nicht mehr die Nüstern aufplaustert, sondern mit aller Gewalt den Turbo zündet. Für Kambundji ist die Lockerheit auf einen Schlag weg.
Bleibt ihr als Vierte nach dem Zieldurchlauf bloss noch der Blick auf die Uhr. Wenigstens dieser ist tröstlich. 10,85 Sekunden, die Siegerzeit. Die drei Ersten unter elf Sekunden. Für die Schweizerin sinds 11,05 Sekunden – dagegen war Amsterdam-Bronze vor zwei Jahren mit 11,25 geradezu geschenkt. Bloss einmal in der EM-Geschichte hats zuvor einen Frauen-100er von diesem Kaliber gegeben – 1998 mit den «gedopten» Irina Priwalowa und Ekaterina Thanou …
Ganz ohne Medaille wird Mujinga dennoch kaum aus Berlin zurückkehren. Vor allem die Staffel am Sonntag ist ihre grosse Chance.