Buh-Konzert, statt Jubel. Eine Feier im Blau der USA-Farben, statt im jamaikanischen Grün-Gelb. Beerdigung, statt Euphorie.
Dabei war es doch auch sportlich irgendwie schön, doch noch einmal zu sehen, dass Usain Bolt auch ohne Fehlstart (2011 in Daegu) im Königssprint zu schlagen ist. Viel schöner noch, jetzt definitiv zu wissen, welch ein grossartiger Sportler er ist.
«Justin Gatlin tut mir richtig leid, wie ihn das Publikum nach seinem WM-Sieg ausgebuht hat. Das hat auch mir weh getan», sagt Bolt. «Justin hat das nicht verdient, er hat nach seiner Dopingsperre so hart dafür gearbeitet, um mich endlich einmal zu schlagen. Er hats geschafft. Ich gratuliere ihm.»
Der 35-jährige Gatlin beschwert sich nicht einmal für das primitive Verhalten des sonst so grossartigen und sachverständigen britischen Publikums. «Ich habe die Buhrufe einfach jedesmal ausgeblendet, wenn ich für meine Einsätze ins Stadion kam», sagt er. «Mich einzig und allein auf meinen Job konzentriert, der da war, die 100 Meter so schnell wie möglich zu rennen. Das habe ich geschafft. Darauf bin ich stolz. Und ich danke Usain. Er war für die Welt-Leichtathletik so wichtig. Er hat auch mir die Motivation gegeben, jeden Tag im Training hart zu arbeiten.»
Was bleibt, ist dennoch die unverständliche Reaktion des Publikums. Gatlins Doping-Sünden wollen sie ihm nicht verzeihen – sein Leben lang. Wenn es aber um «ihren» britischen Langstrecken-König Mo Farah geht, wird von den gleichen Leuten Doping ausgeblendet. Da sind die vielen nicht aus der Luft gegriffenen Stories des renommierten «Guardian», wonach vor allem Farahs Coach Alberto Salazar, die Grauzone zwischen legal und verboten mehr als ausreizt.
Mo wird von den gleichen Leuten vorbehaltlos gefeiert, die Gatlin gnadenlos auspfeifen.
Doch das Publikum kommt am Sonntag noch einmal zu feiern. Die Siegerehrung des 100-m-Sprints der Männer findet erst am Sonntagabend statt. Clever – Usain Bolt macht mit seiner Anwesenheit die Bude noch einmal zu einem prallvollen Hexenkessel.