Mit 26 Jahren und erst vier Marathon-Läufen in den Beinen gilt Adrian Lehmann in seiner Sparte noch als Lehrling. Am Sonntag will der Berner in Zürich sein Meisterstück ablegen. «Mein Ziel ist die Olympia-Limite für Rio», sagt er. Schneller als zwei Stunden und vierzehn Minuten muss Adi auf den 42,195 Kilometern also sein.
Doch bereits am Donnerstag wird Adi auf dem falschen Fuss erwischt: Seine Meisterprüfung beginnt drei Tage vor dem Rennen. Mit einer Hasen-Jagd.
Reuben (20) und Boaz (21) heissen seine beiden kenianischen Tempomacher. «Michael Ott und ich haben sie während unseres Trainingslagers im Januar und Februar in Iten kennengelernt», sagt Lehmann. «Viele gemeinsame Trainings haben uns überzeugt, dass Reuben und Boaz für Zürich ideale Helfer sind, um die Olympia-Limite zu erreichen.»
Gesagt, getan! Adi und Michi holen das Kenia-Duo auf eigene Rechnung und mit Hilfe von Sponsoren für den Sonntag nach Zürich. Für Reuben ist es der erste Ausland-Trip, für Boaz der zweite. Am Donnerstagmorgen steigen sie in Kloten von Nairobi her kommend aus dem Flieger und sind schon da so schnell, dass sie Michael Ott am Ausgang verpasst.
Mit dem Taxi fahren die Kenianer zum Hotel St. Gotthard an der Bahnhofstrasse, dem Hotel der Athleten. Um den Taxi zu bezahlen haben sie kein Geld, also erkundigt sich der Rezeptionist nach einer Adresse von Adrian Lehmann. Am Telefon sagt Adi, sie sollen die Rechnung seinen Eltern nach Langenthal schicken.
Reuben und Boaz bekommen das irgendwie mit. Steigen schnurstracks wieder in ein Taxi und lassen sich nach Langenthal fahren, wo Adis Mutter das Duo überrascht empfängt.
«Die beiden sind wirklich nicht auf den Kopf gefallen», sagt Lehmann am frühen Nachmittag lachend zu BLICK. «Von Bern aus habe ich sie bei meinen Eltern abgeholt und zurück ins Hotel St. Gotthard gefahren.» Da sitzen Reuben und Boaz nach ihrer kleinen Tour de Suisse später mit Adi und Michi gemütlich am Tisch bei einem Teller Spaghetti.
Übrigens: Die Odyssee im Taxi kostet Lehmann und Ott 405 Franken. «Das gesamte Engagement der beiden Tempomacher kommt für uns auf rund vier Tausend Franken zu stehen», sagt Adi und meint lachend, «sofern sie nicht noch mehr Taxi fahren.»
Falls es für Lehmann und Ott dafür mit Olympia klappt, hat sich die Investition dennoch gelohnt.