«Meine Mutter will, dass ich nach Hause komme»
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Wilson trotz Corona in Florida:«Meine Mutter will, dass ich nach Hause komme»

Alex Wilson trainiert trotz Corona in Florida
«Meine Mutter will, dass ich nach Hause komme»

Sprinter Alex Wilson muss in diesen Tagen früh aufstehen: Wegen dem Coronavirus fängt sein Training schon um 5 Uhr morgens an: «Ein Luxusproblem.» Dafür skypt er stundenlang mit seiner Familie in der Schweiz.
Publiziert: 04.04.2020 um 18:48 Uhr
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Alex Wilson trainiert zurzeit in den USA.
Foto: keystone-sda.ch
Emanuel Gisi

Alex Wilson, Olympia wurde abgesagt und Sie trainieren immer noch in Florida. Warum?
Weil ich nicht mehr in die USA zurückkehren könnte, wenn ich zwischenzeitlich in die Schweiz zurückgegangen wäre. Ich war schon auf dem Weg zum Flughafen, als klar wurde, dass ich mit der Einreisesperre in der Schweiz bleiben müsste. Und hier in der Wärme sind die Trainingsbedingungen viel besser.

Können Sie hier normal trainieren?
Ja, fast. Ich muss einfach früh aufstehen. Wir fangen im Moment um 5 Uhr morgens im Stadion an, weil die Betreiber Angst haben, dass sich jemand anstecken könnte. Darum sind wir dann da, wenn sonst niemand im Stadion ist.

Das klingt umständlich.
Es ist einfach anders. Es ist dann noch dunkel, sehr dunkel. Aber wenn das das einzige Problem ist, dann ist es doch gut. Viele andere Athleten können gar nicht trainieren, ich habe bloss ein Luxusproblem. Wir trainieren am frühen Morgen, am Mittag ist Krafttraining. Und dann gehen wir früh ins Bett. Einen Mittagsschlaf kann ich nicht mehr machen, sonst bekomme ich um acht Uhr Abends kein Auge zu (lacht).

Wer ist neben Ihnen noch im Camp?
Fast niemand! Zwei Trainer und noch ein Athlet, die anderen konnten wegen der Einreisesperre nicht kommen. Das ist manchmal hart, es ist jetzt noch strenger als sonst. Alle Augen sind auf mich gerichtet, ich kann mich keine Sekunde verstecken (lacht).

Vermissen Sie Ihre Familie in der Schweiz?
Ja, natürlich! Ich vermisse sie und sie mich auch. Aber ich muss meinen Job machen. Wir telefonieren auf Skype und Facetime jeden Tag, stundenlang. Ich bekomme alles mit, was daheim läuft, alles! Und meine Mutter ruft mich jeden Tag an. Jeden Tag. Jeden. Tag.

Worüber sprechen Sie mit ihr?
Sie will, dass ich nach Hause komme, sie glaubt, es sei hier in den USA so schlimm mit Corona.

Was sagen Sie ihr?
Ich bin hier gut aufgehoben. Es ist crazy: Im Kraftraum wird alles abgesprayt, sobald ich etwas berührt habe. Im Supermarkt ist es genau gleich. Bis jetzt fühle ich mich sicher. Lebensmittel oder fertige Mahlzeiten lassen wir im Normalfall liefern. Oder ich gehe raus und ziehe meine Handschuhe, meine Maske und meinen langen Pulli an raus – bei 35 Grad.

Als Sicherheitsmassnahme?
Sicher ist sicher. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (lacht). Aber ich kann Ihnen sagen: Das WC-Papier ist hier auch ausverkauft. Immerhin ist der Verkehr besser. Früher brauchte ich für den Weg ins Training eine Stunde, jetzt sind es noch 15 Minuten.

Fällt es Ihnen schwer, sich fürs Training zu motivieren, nachdem Olympia abgesagt ist?
Überhaupt nicht. Ich muss meinen Job machen. Die Europameisterschaft ist noch nicht abgesagt und der Diamond-League-Final in Zürich zum Beispiel auch noch nicht. Stellen Sie sich vor, die EM kommt, ich verpasse den Final, hole keine Medaille. Dann wollen die Sponsoren wissen, warum. Dass da im Frühling das Coronavirus war, interessiert die dann nicht, wenn andere schneller sind. Es ist eine harte Welt.

Wie haben Sie die Olympia-Absage aufgenommen?
Am Anfang war ich ein bisschen sauer und traurig, das ist klar. Aber es ist der richtige Entscheid. Es geht um etwas, das grösser ist als der Sport. Es sterben Menschen. Ich kann jetzt mein Leben einfach nicht über den Haufen schmeissen, muss weiter konzentriert trainieren. Die normalen Leute hören ja auch nicht auf zu arbeiten, sondern müssen Homeoffice machen. Das ist mein Homeoffice.

Wann glauben Sie, dass die Leichtathletik-Saison losgeht?
Das kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht seriös beantworten. Aber vielleicht Ende Juni, Anfang Juli. Es ist möglich, dass die Saison bis im Oktober dauert. Oder es fängt erst nächstes Jahr wieder an. Ich muss so oder so bereit sein.

Sie haben in der «Basler Zeitung» darüber gesprochen, dass es im Moment für Betrüger leichter sei, weil es praktisch keine Dopingkontrollen mehr gibt.
Ja, ich wurde seit zwei Monaten nicht mehr kontrolliert. Als Dopingkontrolleur würde ich jetzt auch daheim bleiben, statt meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das Fenster zum Schummeln ist jetzt offen. Aber die, die bescheissen, die hat es immer schon gegeben. Einen Weg haben die immer gefunden.

Es ist jetzt einfach noch einfacher?
Ja. Aber ich bin überzeugt: So etwas kommt früher oder später immer ans Tageslicht. Das lohnt sich nicht.

Unser Gespräch findet zur Mittagszeit in Florida statt. Was machen Sie heute noch?
Ich gehe gleich ins Krafttraining. Und dann gehts nach Hause ins Homeoffice. Mit meinem Trainingspartner habe ich eine WG, wir spielen Billiard und Tischfussball. Auf Netflix habe ich mittlerweile alles gesehen, glaube ich (lacht). Irgendwann nervt es, nur zuhause sein zu können. Aber da müssen wir jetzt durch, alle zusammen.

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