Max Kern zum 10. Todestag:
«So schob ich Andy Hugs Leiche ins Feuer»

Es kommt mir vor, als wärs gestern gewesen. Heute vor 10 Jahren starb Andy Hug (†35), der grösste Schweizer Kampfsportler aller Zeiten, in Tokio an Leukämie. Drei Tage später musste ich eine Flasche Bordeaux in seinen Sarg giessen.
Publiziert: 23.08.2010 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:12 Uhr

Azabusan Zenpuku-ji-Tempel im Tokioter Stadtteil Gotanda. 12 000 Japaner warten bei brütender Hitze auf den Leichenwagen. Der schwarze Cadillac fährt vor. «Andy, Andy», rufen die Fans. In einem weissen Sarg liegt der Schwergewichts-Kickbox-Weltmeister aus Wohlen AG. Er trägt seinen weissen Karate-Kimono. Darunter zwei Fotos, eines von seinem fünfjährigen Sohn Seya auf dem Herzen, eines von seiner Gattin Ilona auf der rechten Brust.

Nach der Trauerfeier tragen Andys Kämpferkollegen den Sarg in den Leichenwagen. Hugs letzte Reise geht zum Krematorium. 20 engste Vertraute sind dabei. Im Abdankungsraum verliest Verteidigungs-Attaché Hans R. Meier von der Botschaft in Tokio ein Kondolenzschreiben von Bundespräsident Adolf Ogi.

Edler Bordeaux tropfte auf Andys Lippen

«Andy Hug hat uns nicht nur mit seinem Einsatz im Sport, sondern auch mit seinem Werdegang, seinem Mut, seiner Tatkraft und seiner Ausstrahlung ein Beispiel gegeben, das wir alle in Erinnerung behalten werden. Ich drücke allen um Andy Hug trauernden Menschen mein tiefstes Beileid aus und wünsche Ihnen Kraft und Mut.»

Dann heissts endgültig Abschied nehmen. Der wieder geöffnete Sarg liegt vor dem noch geschlossenen Verbrennungsofen. Eine für Europäer ungewohnte Zeremonie beginnt. Leise wird eine Flasche Château l’Ancien entkorkt. Ilona Hug muss ein paar Tropfen des edlen Bordeaux-Saftes auf Andys Lippen tropfen lassen. Dann werden die übrigen Trauernden angehalten, den Rest der Flasche tropfenweise in den Sarg zu geben. Ilona streicht ihrem Liebsten mit ihrem Handrücken über die Wange. Es ist 15.51 Uhr Ortszeit. Die Klappe zum Ofen öffnet sich, vier Krematoriums-Angestellte verneigen sich vor der kleinen Trauergemeinde. Dann schieben wir den Sarg ins Feuer. Die Klappe geht zu.

Andy Hug, geboren am 7. September 1964. Aufgewachsen bei Grossmutter Fridi. Akkord-Metzger, Karateka. In Japan zum Samurai geschlagen. Hug wird Profi-Weltmeister im Schwergewichts-Kickboxen. Er füllt fünfmal das Zürcher Hallenstadion. Am 3. Juni 2000 verabschiedet er sich nach einem Sieg gegen «Cro Cop» von seiner Schweizer Fangemeinde: «Ich werde euch vermissen.» 82 Tage später verliert er im Tokioter Uni-Spital seinen letzten Kampf.

Andy, wir vermissen Dich.

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