«Es war ein Anschlag auf mich geplant. Ein S.O.S. – stab-on-sight (deutsch: bei Sicht abstechen). Ein paar Jungs sagten mir, dass ich am nächsten Morgen sterben würde. Und es gab nichts, was irgendjemand dagegen tun konnte», erzählt Ian Heinisch (32) über seine Zeit im Knast von Rikers Island.
Der MMA-Kämpfer hat einen schweren Weg beschreiten müssen, bevor er in der UFC Fuss fasst. Lange Zeit bestimmten Drogen sein Leben. Neben seinem Alkoholproblem konsumierte, verkaufte und schmuggelte er Kokain und Ecstasy. Zweimal sah er eine Gefängniszelle von innen. Fünf Jahre nach der zweiten Entlassung gehört er zu der Top 20 der UFC-Fighter im Mittelgewicht.
In seinen jungen Jahren wird bei Heinisch ADHS diagnostiziert. Seine Eltern schicken ihn zum Ringen, da er zu viel Energie hat und in der Schule nicht aufpasst. Mit 19 steigt er von seinen ADHS-Medikamenten auf Drogen um und verkauft sie auch selbst. In seiner Heimat Denver wird er während eines Deals verhaftet. Sechs Jahre im Gefängnis drohen. Zu viel für den US-Amerikaner.
«Nach Europa, um mein Leben zu retten»
Er entscheidet sich, nach Europa zu flüchten. «Ich bin nach Europa geflogen, um mein Leben zu retten. Ich hatte gehört, wie es im Gefängnis aussieht. Ich wusste, ich würde nicht überleben», schreibt Heinisch selbst im «Players Tribune».
Über Holland, Belgien und England landet er auf Teneriffa. Um sich über Wasser zu halten, jobbt er in einem Club. Heinisch wird aber nicht mit Geld bezahlt, sondern mit Drinks und geht in der Alkoholsucht unter. Als er sich sein Hostelbett nicht mehr leisten kann, schläft er am Strand. «Ich lebte nicht von Tag zu Tag, sondern von Stunde zu Stunde.»
Über einen US-amerikanischen Bekannten rutscht er in den Kokain-Schmuggel rein. Heinisch pendelt regelmässig mit Kokain-Bällchen im Magen zwischen Bogota und Teneriffa. Daneben trainiert er fleissig. «Ich verdiente Geld, war gut in Form ... das Leben war gut.» Doch auch in Spanien wird er 2011 festgenommen. Sein Urteil lautet dreieinhalb Jahre Gefängnis.
Im kanarischen Knast entscheidet sich Heinisch, sein Leben zu verändern: «Das, was ich so sehr fürchtete, wurde am Ende die Erleichterung, die ich brauchte.»
Fokus auf Sport
Er setzt voll auf die Karte Sport und wird zur lokalen Bekanntheit im «Lucha Canaria», einer Sportart, die mit Ringen verwandt ist. Daneben lernt er mit der Bibel Spanisch und findet zum christlichen Glauben. 2013 wird er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen und kehrt in die USA zurück. Am Flughafen von New York wird er aber gleich bei seiner Ankunft verrhaftet und in den Knast von Rikers Island gesteckt.
Dank seiner Spanischkenntnisse schliesst er sich einer puerto-ricanischen Gang an. Muss aber nachdem er einem Mitinsassen die Nase mit einem Faustschlag gebrochen hat, um sein Leben fürchten. «Die Leute reden viel Mist im Gefängnis ... ihre Stimme klang aber nicht nach Übertreibung. Ich würde am nächsten Morgen sterben. So läuft es eben an diesem Ort.»
Die ganze Nacht bereitet er sich vor. Doch um vier Uhr morgens stehen US-Marshalls vor seiner Zelle und holen ihn heraus. Kurz darauf wird er auf Bewährung freigelassen.
Eindrücklicher Start in die MMA-Karriere
Seine Fähigkeiten stellt «The Hurricane» fortan im Käfig unter Beweis. Von seinen ersten 11 Profi-MMA-Kämpfen gewinnt er zehn. Nach seiner Teilnahme bei der «Dana White Contender Series» ergattert er seinen UFC-Vertrag. Dort steht er bei 3:2 gewonnenen Kämpfen. Den letzten Fight im Octagon im Juni 2020 gewinnt er dank eines TKOs in der ersten Runde gegen Gerald Meerschaert.
Der nächste Kampf hätte am 7. November gegen Brendan Allen stattfinden sollen. Heinisch hat sich aber mit dem Coronavirus infiziert und der Fight wurde abgesagt.
Müde, über seine Geschichte zu sprechen, ist er nicht: «Ich habe es nicht satt, darüber zu reden. Ich habe das Gefühl, dass Gott mich auf diesen Weg gebracht hat, um aus meinen Schwierigkeiten ein Zeugnis zu machen, das Menschen inspiriert.»
Auf seine Geschichte wurden unlängst zahlreiche Produzenten aufmerksam. Er habe Anfragen für Filme, Serien und Bücher erhalten. Demnächst wird wohl vom Leben des UFC-Stars in einem anderen Medium zu sehen oder zu lesen sein. (smi)