Die beiden Suhrer Brutalo-Fouls im Video
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Zwei Rote Karten:Die beiden Suhrer Brutalo-Fouls im Video

Thun-Raemy zeigt Suhr-Skvaril an
Ein Foul spaltet die Handball-Schweiz

Wacker Thuns Nati-Handballer Nicolas Raemy reicht gegen Suhr Aaraus Milan Skvaril Strafanzeige ein. Ein Fall, der in der Szene hohe Wellen wirft.
Publiziert: 10.10.2019 um 02:02 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2019 um 10:37 Uhr
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Die heisse Szene: Milan Skvaril (oben) drückt Nicolas Raemy (unten) den Ellbogen in den Nacken.
Foto: Christian Pfander
Christian Müller

Die Aktion, die aktuell in der Handball-Szene rauf und runter diskutiert wird, stammt von Ende April: Im vierten Playoff-Viertelfinalspiel zwischen Suhr Aarau und Wacker Thun foult der Aarauer Milan Skvaril den Thuner Nicolas Raemy und drückt ihm nach einem Gerangel am Boden den Ellbogen in den Nacken (BLICK berichtete).

Skvaril fliegt dafür vom Feld und wird zwei Spiele gesperrt. Nach einem Rekurs der Aarauer wird die Strafe vom Sportgericht des Handballverbands auf ein Spiel reduziert. Raemy, der einst über ein Jahr aufgrund eines Schleudertraumas verpasste, muss mit Kopf- und Nackenschmerzen zwei Partien aussetzen ehe er die Saison mit Wacker und der Nati beendet. So weit, so gut.

Nun kommts aber zu einem strafrechtlichen Nachspiel: Wie die «Aargauer Zeitung» am Wochenende berichtet, hat Raemy Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Gegen Skvaril läuft deshalb ein Strafverfahren der Berner Staatsanwaltschaft.

Steht die Anzeige hinter Skvarils Abgang?

Wie immer, wenn ein Vergehen vom Sport- ins Strafrecht weitergezogen wird, wirft der Fall hohe Wellen: Aus dem Aargau wird der Vorwurf laut, Raemys Anzeige sei hauptverantwortlich dafür, dass Skvaril seinen Vertrag diese Woche aufgelöst hat und zurück in seine tschechische Heimat reist. Vom Klub selbst, der ursprünglich persönliche Gründe für den Wechsel des zweifachen Topskorers nannte, will das so niemand vorbehaltlos bestätigen. Ganz unglücklich scheint über diese Darstellung des abrupten Abgang des Topskorers aber niemand zu sein. Dem Strafverfahren muss sich Skvaril so oder so stellen. 

Ganz anders wird die Szene im Berner Oberland beurteilt. «Eine derart brutale Aktion wie jene von Milan Skvaril hatte ich in 50 Jahren Handball davor nie erlebt», sagt Wacker-Präsident Georges Greiner zum «Thuner Tagblatt». Der ehemalige Bundesrichter spricht als einziger Thuner über den Fall.

Die beiden Protagonisten selbst wollen sich während des laufenden Verfahrens nicht äussern. Raemys Anwalt Stefan Schmutz sagt: «Mit der Attacke gegen Hals und Kopf wurde eine rote Linie überschritten. Wir wollen mit der Anzeige ein Zeichen setzen.»

Doch wie gross sind die Chancen der Anzeige tatsächlich? Sportrechts-Experte Thilo Pachmann beurteilt die Szene für BLICK: «Für eine strafrechtliche Verurteilung muss eine schwere oder gravierende Regelverletzung vorliegen. In diesem Fall geht es um das Drücken gegen den Nacken. Selbst wenn es eine gravierende Regelverletzung wäre (was die Rote Karte und die Spielsperre indiziert), würden wir uns aber wohl eher im Bereich einer Tätlichkeit als einer versuchten eventualvorsätzlichen schweren Körperverletzung bewegen. Ein Profisportler nimmt bei einem Drücken in den Nacken kaum in Kauf, dass sich sein Gegenspieler schwer verletzt.»

Das meint BLICK: Diese Anzeige bringt niemandem etwas

Handball-Nationalspieler Nicolas Raemy ist ein gebranntes Kind. Er musste wegen eines Schleudertraumas über eine Saison lang aussetzen. Verständlich, dass er nun besonders sensibel auf Attacken gegen Hals und Kopf reagiert.

Genau das hat Milan Skvaril aber getan. Der Tscheche drückte Raemy nach einem Gerangel am Boden den Ellbogen in den Nacken. Dafür wurde Skvaril zurecht gesperrt. Doch das reichte dem Schweizer nicht.

Er zog den Fall vor ein ziviles Gericht, was im Sport stets problematisch ist, weil man mit einem zivilen Urteil die Sportgerichtsbarkeit untergräbt. Es gibt Fälle, da kann man das nachvollziehen. Wir erinnern uns an das Brutalo-Foul von Gabet Chapuisat gegen Lucien Favre, das dem heutigen Dortmund-Trainer das Knie zertrümmerte. Favre verklagte Chappi damals wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor einem Zivilgericht und bekam recht.

Doch dieser Fall ist mit damals nicht vergleichbar, auch nicht, wenn Raemys Anwalt behauptet, Skvaril hätte da eine rote Linie überschritten. Mit der Zivilklage ist es nun Raemy selber, der eine Linie überschreitet. Eine Aktion, die niemandem etwas bringt. Nicht dem Handballsport, nicht Skvaril, der inzwischen nicht mehr bei Suhr Aarau spielt und auch nicht Raemy selber, der von dieser Aktion jetzt nicht so schnell los kommt. Man hätte die Sache lieber ausdiskutiert, als den Ball dem Zivilgericht zuzuwerfen.

Wenn Wacker-Präsident Greiner die Aktion als «brutalste der letzten 50 Jahre» bezeichnet, kann man getrost behaupten, dass das die «grösste Übertreibung der letzten 50 Jahre» ist. Schade, wird darum so viel Raemy-Dämi gemacht. (cmü)

Handball-Nationalspieler Nicolas Raemy ist ein gebranntes Kind. Er musste wegen eines Schleudertraumas über eine Saison lang aussetzen. Verständlich, dass er nun besonders sensibel auf Attacken gegen Hals und Kopf reagiert.

Genau das hat Milan Skvaril aber getan. Der Tscheche drückte Raemy nach einem Gerangel am Boden den Ellbogen in den Nacken. Dafür wurde Skvaril zurecht gesperrt. Doch das reichte dem Schweizer nicht.

Er zog den Fall vor ein ziviles Gericht, was im Sport stets problematisch ist, weil man mit einem zivilen Urteil die Sportgerichtsbarkeit untergräbt. Es gibt Fälle, da kann man das nachvollziehen. Wir erinnern uns an das Brutalo-Foul von Gabet Chapuisat gegen Lucien Favre, das dem heutigen Dortmund-Trainer das Knie zertrümmerte. Favre verklagte Chappi damals wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor einem Zivilgericht und bekam recht.

Doch dieser Fall ist mit damals nicht vergleichbar, auch nicht, wenn Raemys Anwalt behauptet, Skvaril hätte da eine rote Linie überschritten. Mit der Zivilklage ist es nun Raemy selber, der eine Linie überschreitet. Eine Aktion, die niemandem etwas bringt. Nicht dem Handballsport, nicht Skvaril, der inzwischen nicht mehr bei Suhr Aarau spielt und auch nicht Raemy selber, der von dieser Aktion jetzt nicht so schnell los kommt. Man hätte die Sache lieber ausdiskutiert, als den Ball dem Zivilgericht zuzuwerfen.

Wenn Wacker-Präsident Greiner die Aktion als «brutalste der letzten 50 Jahre» bezeichnet, kann man getrost behaupten, dass das die «grösste Übertreibung der letzten 50 Jahre» ist. Schade, wird darum so viel Raemy-Dämi gemacht. (cmü)

13. September 1985: Chapuisat foult Favre brutal
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:13. September 1985: Chapuisat foult Favre brutal
Sport-Fälle für die zivile Justiz

Miller, Chapuisat und Antisin wurden verurteilt, Wieser und ein Golfer in Kyburg blieben ungestraft.

Pierre-Albert Chapuisat/Lucien Favre (Fussball, 1985): Chapuisat wird wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung nach einem Tackling verurteilt.

Misko Antisin/Pjotr Malkow (Hockey, 1993): Der damalige Zug-Stürmer Antisin wird wegen eventualvorsätzlicher Körperverletzung durch Kniestich verurteilt.

Kevin Miller/Andrew McKim (Hockey, 2000): Miller wird für sein Foul wegen vorsätzlicher einfacher und fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt. In den USA muss er McKim 1,6 Mio. Dollar Schadenersatz zahlen.

Golfplatz Kyburg ZH (2010): Ein abgeschlagener Ball trifft einen anderen Golfer im Gesicht und verletzt diesen. Der Geschädigte will Schadenersatz, scheitert aber vor allen Instanzen.

Sandro Wieser/Gilles Yapi (Fussball, 2014): Die Staatsanwaltschaft erlässt gegen Aaraus Wieser wegen seines Fouls an FCZ-Yapi einen Strafbefehl wegen eventualvorsätzlicher einfacher und fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Das Verfahren wird eingestellt, nachdem Yapi und der FCZ ihre Strafanträge zurückziehen.

Miller, Chapuisat und Antisin wurden verurteilt, Wieser und ein Golfer in Kyburg blieben ungestraft.

Pierre-Albert Chapuisat/Lucien Favre (Fussball, 1985): Chapuisat wird wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung nach einem Tackling verurteilt.

Misko Antisin/Pjotr Malkow (Hockey, 1993): Der damalige Zug-Stürmer Antisin wird wegen eventualvorsätzlicher Körperverletzung durch Kniestich verurteilt.

Kevin Miller/Andrew McKim (Hockey, 2000): Miller wird für sein Foul wegen vorsätzlicher einfacher und fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt. In den USA muss er McKim 1,6 Mio. Dollar Schadenersatz zahlen.

Golfplatz Kyburg ZH (2010): Ein abgeschlagener Ball trifft einen anderen Golfer im Gesicht und verletzt diesen. Der Geschädigte will Schadenersatz, scheitert aber vor allen Instanzen.

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