Andy Schmid, wenn es einen schwarzen Fleck in Ihrer Karriere gibt, dann ist es die Nationalmannschaft. Die jetzige EM-Qualifikation ist die grosse Chance, ihn auszuputzen.
Andy Schmid: Das stimmt. Weil die Endrunde auf 24 Teams aufgestockt wurde, müssen wir «nur» Serbien und Belgien zu Hause schlagen. Zudem spielen mit sechs Söldnern so viele Nati-Spieler wie noch nie im Ausland. Und mit Svajlen und Milosevic ist viel Erfahrung zurückgekehrt. So gesehen ist es meine grösste Chance auf eine Endrunden-Qualifikation.
Die Schweiz war beim 28:31-Auftakt in Kroatienauf Augenhöhe mit einem Weltklasse-Team. Serbien mühte sich zu Hause gegen das kleine Belgien zu einem Remis. Ist die Nati heute also Favorit?
So weit würde ich nicht gehen. Die Favoritenrolle ist auch nicht so wichtig. Wollen wir an die EM, müssen wir das Heimspiel gegen Serbien gewinnen. Mit einer ähnlichen Leistung wie gegen Kroatien liegt dies sicher drin.
Was muss im Vergleich zum Donnerstag besser laufen, damit es zu Punkten reicht?
Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren und nicht versuchen, etwas Spezielles zu machen. Es ist immer einfacher, ohne Druck gegen eine Top-Nation zu spielen, als wenn du das Spiel unbedingt gewinnen musst.
Es wird gerade von einer neuen Nati-Generation gesprochen. Was macht sie anders?
Der Eingliederungsprozess geht heute schneller, weil es weniger erfahrene Spieler in der Nati hat. Die Hierarchie ist deshalb flach, und die Jungen fühlen sich rasch wohl. Das ist nicht negativ gemeint, aber als ich damals als scheuer 20-Jähriger zur Nati kam, musste ich mich hinten anstellen. Früher musste man mehr Respekt vor den Älteren zeigen.
Sie sind ein Vorbild für diese neue Generation. Was wollen die Jungen von Ihnen wissen?
So viel fragen sie gar nicht. Ich versuche auch eher, auf die jungen Spieler zuzugehen. Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass es angenehmer ist, wenn ein Routinier auf dich zukommt als umgekehrt. So gibt es keine Blockaden im Team.
Bei der letzten erfolgreichen EM-Qualifikation 2004 war nur ein einziger Söldner in der Nati. Heute sind es sechs. War unsere Liga damals so viel kompetitiver?
Sie war definitiv besser. Es waren bessere Ausländer in der Schweiz, die das Niveau angehoben haben. Hinzu kommt, dass andere Nationen wie Österreich, Bosnien oder Estland schlechter waren.
Wieso haben wir den Anschluss verloren?
Die Gründe sind vielschichtig. Die Liga hat aber sicher an Qualität verloren. Zudem sind aus den anderen Nationen mehr Spieler Profis geworden und ins Ausland gewechselt. Das hat deren Nationalteams einen enormen Schub verliehen.
Sie haben den Vertrag bei den Rhein-Neckar Löwen bis 2022 verlängert. Gab es auch andere Optionen?
Für mich kamen nur zwei Dinge infrage: Bei den Löwen bleiben oder als Spieler zurück in die Schweiz wechseln. Davor hatte ich aber grossen Respekt.
Weshalb?
Weil die Erwartungshaltung der Leute extrem hoch ist und ich Angst davor hatte, diese nicht erfüllen zu können. Ich bin mit 35 in einem fortgeschrittenen Handballer-Alter. Und das wird in der Schweiz mehr beachtet als im Ausland.
Was meinen Sie damit?
In Deutschland ist ein Spieler entweder sehr gut, gut oder schlecht. Das Alter ist bei der Beurteilung eine Randnotiz. In der Schweiz läuft das anders. Verliert Roger Federer mal zwei Spiele, heisst es sofort: «Oh, er ist aber auch schon 37.» Wenn er wieder Wimbledon gewinnt, ist er plötzlich besser denn je. Davor hatte ich eine Menge Respekt.
Also haben Sie sich gegen die Schweiz entschieden.
Es war mehr eine Entscheidung für die Löwen als eine gegen die Schweiz. Wir sind jetzt seit acht Jahren in Deutschland. Hier sind meine Kinder geboren, hier fühlen wir uns sehr wohl.
Was hat Ihre Frau Therese dazu gesagt?
Sie vertraut auf mein Bauchgefühl. Das war bis jetzt meistens richtig. Sie hätte mir allerdings nie Steine in den Weg gelegt, wenn ich nach Barcelona hätte wechseln wollen. Sie ist aber schon froh, dass eine gewisse Stabilität da ist.
Ist damit eine Rückkehr als Spieler in die Schweiz vom Tisch?
Ja. Ich möchte zwar im Handball-Business bleiben und auch in die Schweiz zurückkehren. Ich sehe mich dann aber eher als Trainer oder sonst in einer Funktion.
Sie sind in Deutschland ein Star. Die Deutschen sollen sogar versucht haben, Sie im Hinblick auf Olympia 2020 einzubürgern.
Diesen Versuch hat es so nie wirklich gegeben. Das war ein Spruch in einer TV-Übertragung, den ich nicht vehement genug dementiert habe. Das war ein gefundenes Fressen für die Medien.
Sind Sie in solchen Situationen froh, «nur» ein Handballer zu sein?
Als Handballer habe ich das grosse Privileg, sagen zu können, was ich denke. Selbst wenn ich einen «Stuss» rauslasse, löse ich damit keinen Orkan aus, der ein halbes Jahr nachhallt. Ein Fussballer muss sich schon mehr Gedanken über seine Aussagen machen.
Sie haben kürzlich gesagt, dass in der Schweiz das Leben wie auf Schienen vorgepfadet sei und dass Profisportler nicht genügend Wertschätzung erhalten. Wie hat sich Ihre Sicht auf unser Land verändert?
Da wurde nur die negative Seite aufgezeigt. Ich bleibe aber dabei, dass wir kein prädestiniertes Sportland sind. Trotzdem ist es Wahnsinn, in wie vielen Disziplinen wir zur Weltspitze gehören. Nur wird dies zu wenig honoriert. Wir sind immer noch Weltmeister darin, Erfolge und Stars kleinzureden, obwohl die Athleten für ihr privilegiertes Leben sehr viel aufgeben müssen. Ich finde es schade, dass Sportler in der Schweiz dafür zu wenig Anerkennung erhalten.
Andy Schmid ist der Schweizer Ausnahme-Handballer schlechthin. Nach zwei Meistertiteln mit GC/Amicitia Zürich wagte der Luzerner 2009 den Sprung ins Ausland nach Dänemark. 2010 heuerte der heute 35-Jährige beim Bundesliga-Spitzenklub Rhein-Neckar Löwen an. Mit den Löwen wurde er zwei Mal Deutscher Meister und holte letztes Jahr den Pokal. Zuletzt wurde der Spielmacher fünf Saisons in Serie zum Bundesliga-MVP gewählt. Mit der Nationalmannschaft stand Schmid erstmals an der Heim-EM 2006 im Rampenlicht. In 169 Länderspielen hat er 778 Tore erzielt. Der Fan von NBA-Legende Kobe Bryant lebt mit seiner norwegischen Ehefrau Therese und den beiden Söhnen Lio und Levi in der Nähe von Mannheim.
Andy Schmid ist der Schweizer Ausnahme-Handballer schlechthin. Nach zwei Meistertiteln mit GC/Amicitia Zürich wagte der Luzerner 2009 den Sprung ins Ausland nach Dänemark. 2010 heuerte der heute 35-Jährige beim Bundesliga-Spitzenklub Rhein-Neckar Löwen an. Mit den Löwen wurde er zwei Mal Deutscher Meister und holte letztes Jahr den Pokal. Zuletzt wurde der Spielmacher fünf Saisons in Serie zum Bundesliga-MVP gewählt. Mit der Nationalmannschaft stand Schmid erstmals an der Heim-EM 2006 im Rampenlicht. In 169 Länderspielen hat er 778 Tore erzielt. Der Fan von NBA-Legende Kobe Bryant lebt mit seiner norwegischen Ehefrau Therese und den beiden Söhnen Lio und Levi in der Nähe von Mannheim.
Also vermissen Sie aus der Schweiz gar nichts?
Oh doch! Sicherheit, Gesundheitssystem, Schulsystem, Sauberkeit – das sind Dinge, die wir in der Schweiz als selbstverständlich erachten. Wer aber in der jetzigen turbulenten Zeit in Deutschland lebt, der schätzt solche Dinge viel mehr. Sehen Sie sich die Unruhen in Cottbus und Chemnitz an. Im Vergleich dazu ist die Schweiz eine heile Welt.