Nach Kreuzbandriss zurück
Handballerin Schüpbach will Geschichte schreiben

Handballerin Lea Schüpbach kämpft sich nach einem Kreuzbandriss zurück – für die Heim-EM und den Traum von vollen Stadien. Was die Schlüsselspielerin geklaut hat und wie weit die Nati kommt.
Publiziert: 01.12.2024 um 16:16 Uhr
|
Aktualisiert: 01.12.2024 um 16:30 Uhr
Den Ball fest im Griff. Mit über 120 Kilometern pro Stunde schiessen Angreiferinnen auf Lea Schüpbach. «Ich liebe dieses Explosive.»
Foto: Joseph Khakshouri
carre_blanc_auteur.jpg
Yara Vettiger
Schweizer Illustrierte

Lea Schüpbach hält den Ball nicht flach. Im Gegenteil: Die 27-Jährige ist die Nummer eins im Tor der Handball-Nati. Am Donnerstag dieser Woche startete die EM, ein Spektakel: Zum ersten Mal findet auf Schweizer Boden ein internationales Frauenhandball-Turnier statt. Den Austragungsort teilt sich die Schweiz mit Österreich und Ungarn.

«Ich freue mich wahnsinnig. Das ist eine Riesensache für uns.» Lea Schüpbach lächelt. Wirft den Ball in ihrer Hand kurz mehrmals hoch. Er ist rot-weiss-violett und der offizielle EM-Ball – nur etwas kleiner. «Ich muss es zugeben: Ich habe ihn geklaut.» Sie lacht. An der Auslosung in Wien lagen die Bälle als Deko überall, da habe sie zugegriffen. 

Originaler EM-Ball, nur kleiner: Schüpbach schnappte ihn sich bei der Auslosung: «Ich musste ihn einfach haben.»
Foto: Joseph Khakshouri

Seit fünf Jahren weiss die Schweizer Nati, dass es eine Heim-EM wird. «Wir arbeiten seit sehr langer Zeit auf dieses Turnier hin. Und endlich werden wir einmal volle Stadien haben.» Vor bis zu 6000 Zuschauerinnen und Zuschauern zu spielen – ein bis jetzt unerfüllter Traum von Schüpbach. Es sei Fluch und Segen: «So was kann auch Druck erzeugen.»

Aber endlich können ihre Eltern, ihre drei Geschwister und ihr Freund sie vor Ort unterstützen. «Als ich noch in der Schweiz spielte, kam mein Vater für jeden Match.» Dies ist eine Seltenheit geworden, seit die Winterthurerin vor zwei Jahren nach Reutlingen (D) gezogen ist, um für den TuS Metzingen im Tor zu stehen. Dort passierte es im November 2023: Während des Trainings sprang Schüpbach ab, um einen Ball zu fangen – und verletzte sich. Über Nacht wurde ihr Knie steif, sie hatte grosse Schmerzen. Diagnose: Kreuzbandriss.

«Ich habe sofort an die EM gedacht und angefangen zu rechnen. Schaffe ich es bis dahin, wieder gesund zu werden?» Das Risiko abzuwarten, doch operieren zu müssen und die EM vielleicht zu verpassen, war ihr zu gross. Sie wurde operiert, verbrachte die letzten Monate mit Reha und Physio. «Meinem Team von der Tribüne aus zuzuschauen, war das Schlimmste an der ganzen Sache.» Im September fing sie wieder an zu spielen. Das Selbstvertrauen war noch nicht ganz da, das Knie zwickte ab und an. «Jetzt geht es mir aber sehr gut.»

Packen für die EM. «Ich freue mich immer sehr, mit den Schweizer Frauen zu spielen. Es ist etwas ganz Besonderes.»
Foto: Joseph Khakshouri

Zum Handball wegen Freundin

Eigentlich stand es nicht auf Leas Plan, Handballprofi zu werden. Sie machte Eiskunstlauf. Dann wollte sie in der sechsten Klasse mit einer Freundin ins Fussball. Diese meldete sich aber kurzerhand fürs Handball an, Schüpbach zog mit. «Ich war sowieso nie der grazile Typ. Das Explosive im Handball hat mich sofort gepackt», erzählt sie. Der Rest ist Geschichte.

Lea Schüpbach absolvierte die United School of Sports in Zürich, machte nebenbei einen KV-Abschluss und kam in die Junioren-Nati, 2018 folgte das Debüt in der Schweizer A-Nationalmannschaft. Unter anderem spielte sie in ihrer Heimatstadt bei Yellow Winterthur und den Erstligisten Spono Eagles, mit denen sie die Schweizer Meisterschaft 2018 sowie 2018 und 2019 den Schweizer Cup gewann. Seit zwei Jahren spielt sie für den TuS Metzingen. «Handball ist in Deutschland viel populärer.»

Vom Sport allein zu leben, bleibt trotzdem schwer. Um Geld zu sparen, wohnt sie mit ihrer Teamkollegin Verena Osswald, 25, zusammen. «Wir sind mittlerweile wie Geschwister», sagt «Ossi», wie Schüpbach sie nennt. «Wir sind Mannschaftskolleginnen, Mitbewohnerinnen und Freundinnen – das kann manchmal viel werden.» Gern gehen die beiden zusammen ins Café, um zu lesen.

Gute Freundinnen: Lea Schüpbach und Verena «Ossi» Osswald (r.) beim Mixen eines Proteinshakes.
Foto: Joseph Khakshouri

EM-Hoffnung

Wegen der EM wird Verena Osswald die Wohnung allein hüten: «Endlich sturmfrei!» Die beiden Frauen lachen. «Spass beiseite: Die ersten Tage geniesse ich, dann fange ich an, Lea zu vermissen.» Die Schweizerin seufzt: «Ich hoffe, dass diese EM für einen Aufschwung im Handball sorgt.» Sie wünscht sich, die TV-Stationen würden mehr live übertragen.

Vorbereitung: Wohin schiessen die Angreiferinnen am meisten? Lea zeichnets vor den Spielen in ihr Analysebuch.
Foto: Joseph Khakshouri

Und der Traum vom Titel? Da bleibt Lea realistisch. «Natürlich wäre es das Grösste, eine EM und dann noch zu Hause zu gewinnen. Aber wir sind eine kleine, eher unerfahrene Mannschaft. Unser grosser Traum ist, die Gruppenphase zu überstehen.» In der treffen sie nun in Basel auf Dänemark, Kroatien und die Färöer-Inseln. Da will Schüpbach den Ball schon gar nicht flach halten: «Wir wollen Geschichte schreiben.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?