Die Corona-Pandemie traf den Schweizer Handball zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt: Just vor den Playoffs musste die Saison abgebrochen werden. Meister und Cupsieger sucht man 2020 vergebens.
Neben den sportlichen Folgen sind auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Abbruchs fatal. Der letztjährige Finalist Pfadi Winterthur rechnete pro Playoff-Heimspiel mit 2000 Fans. Je nach Verlauf hätte aus den Ticket- und Gastronomie-Einnahmen ein Gewinn zwischen 150 000 und 250 000 Franken resultiert, wie Pfadi-Präsident Jürg Hofmann vorrechnet. Dieses Geld fehlt nun. Ein weiterer Rückschlag für den Traditionsverein, der vor einem Jahr den finanziellen Kollaps nur dank einer gross angelegten Spendenaktion abwenden konnte und im Herbst endlich eine Saison ohne strukturel les Defizit in Angriff nehmen wollte.
Spieler versteigern Leibchen
Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und auf Bundeshilfe zu warten, nehmen die Winterthurer ihr Schicksal in die eigenen Hände. Und zwar nicht auf Initiative der Klubleitung, sondern auf jene der Spieler. «Wegen unserer Vorgeschichte war klar, dass wir nicht tatenlos auf den Knall warten wollen», erklärt Flügelspieler Marvin Lier.
Zusammen mit dem Trainerteam um Chefcoach Adrian Brüngger und dem Vorstand wurde folgende Lösung vereinbart: Die fixen Löhne der ersten Mannschaft sowie der Geschäftsstelle werden um 20 Prozent gekürzt. Im Gegenzug winkt den Betroffenen eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg. Heisst: Ab dem ersten Franken Jahresgewinn fliesst etwas aus der Vereinskasse an die Angestellten.
Wie viel dies sein wird, mag Lier nicht abschätzen. «Das hängt stark davon ab, wann wir wieder vor Zuschauern spielen können», sagt der Nationalspieler. Die Gehaltseinbusse von 20 Prozent sei für das Team, das ausschliesslich aus Halbprofis zusammengesetzt ist, zwar hart. «Aber aufgrund der angespannten Lage waren wir uns rasch einig», so Lier.
Nun sind von den Handballern also Qualitäten als Unternehmer gefragt. Eine Versteigerung von Sportleibchen haben sie bereits durchgeführt. Aktuell werden 500 Personen gesucht, die – anstelle eines Hauptsponsors – für 100 oder 200 Franken ihren Namen aufs Pfadi-Shirt drucken lassen. Weitere Aktionen werden im Verlauf der Saison folgen. Wie erfolgreich diese sind, überprüft vierteljährlich eine externe Vertrauensperson des Teams mit einem Blick in die Buchhaltung.
Bei allem unternehmerischen Enthusiasmus bleibt aber der sportliche Erfolg das Filetstück unter den Pfadi-Produkten, wie Präsident Hofmann betont. «Die Rechnung ist einfach: Wenn wir oft gewinnen, kommen auch mehr Fans, die mehr konsumieren.» Für alle Pfader wärs ein Gewinn im doppelten Sinn.