Der Absturz in die Niederungen der Weltrangliste ist nicht der Tiefpunkt im Leben von Eldrick «Tiger» Woods. Den Tiefpunkt erreicht er im Mai 2017 auf einem Pannenstreifen in der Nähe seines Wohnortes in Jupiter, Florida. Streifenpolizisten finden den erfolgreichsten Golfspieler der Gegenwart um zwei Uhr morgens bewusstlos hinter dem Steuer seines Mercedes, der mit laufendem Motor, zwei platten Reifen und leuchtenden Bremslichtern am Strassenrand steht.
Der 42-jährige Sohn eines Afroamerikaners und einer Thailänderin wird wegen Fahruntüchtigkeit am Steuer und Falschparkens verhaftet. In der Blutprobe finden sich Spuren von Schmerzmitteln, THC, Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Das Foto, das die Behörden später veröffentlichen, zeigt einen traurigen Tiger Woods. Nichts in seinem Gesicht erinnert an den brillanten jungen Mann, der 1997 mit 21 Jahren als jüngster Spieler das Masters in Augusta gewann.
Vier Jahre nach dem letzten Turniersieg scheint er am Ende. Vier Rückenoperationen und eine Wirbelkörperverblockung hat er schon hinter sich, eine stationäre Behandlung seiner Pillensucht wird vom Richter angeordnet.
Eine Verurteilung steht nicht zur Debatte, die gesellschaftliche Ächtung nach den Vorgaben der pharisäerhaften amerikanischen Moralstandards bleibt ihm erspart. Die Öffentlichkeit interessiert nur eine Frage: Wann gewinnt er das nächste Turnier?
Auferstehung des gefallenen Helden
Woods ist das Wunderkind, das mit acht Jahren ein Single-Handicap ausweisen kann. Ein Knirps, der in TV-Shows gegen Prominente um die Wette puttet und schon lukrative Sponsorenverträge bekommt.
Als Profi gelingt es ihm, dem Golfsport den Mief des elitären Zirkels aus dem grünen Masters-Jackett zu klopfen. Eine Herausforderung für das weisse Establishment und ein Hoffnungsträger der Minderheiten. Sein Privatvermögen wird auf 750 Millionen Dollar geschätzt, allein an Preisgeldern verdient er mehr als 110 Millionen.
Private Rückschläge wie zuletzt der Skandal in Florida oder auch die unappetitliche Scheidung nach dem Untreue-Skandal 2009 kratzen etwas am Image. Aber es sind eben auch Geschichten, die sie in Nordamerika so lieben und gerne von Hollywood verfilmen lassen: der gefallene Held, der sein Leben ändert und zum Erfolg zurückkehrt.
Als er im letzten Dezember erneut ein Comeback wagt, fragt man sich, ob er noch das Zeug hat, um gegen die neue Weltelite mit ihren weiten Abschlägen mitzuhalten. Der Sieg am letzten Sonntag bei der Tour Championship in Atlanta hat nicht nur diese Frage beantwortet – er hat der Welt auch die Bedeutung vor Augen geführt, die Woods für den Golfsport hat. Die Einschaltquoten steigen im Vergleich zum letzten Jahr um zweihundert Prozent, obwohl zur gleichen Zeit die eigentlich konkurrenzlose NFL ihre Sonntagsspiele überträgt.
Tiger-Mania auch in Europa
Auf dem Weg zum entscheidenden Putt wird Woods von einer brüllenden Masse begleitet. Man möchte hautnah dabei sein, wenn er mit dem 80. Sieg auf der Profitour wieder sportliche Schlagzeilen macht. Er sei ohne Schmerzen und habe sich lange nicht so gut gefühlt wie jetzt, sagte Woods nach seinem Erfolg.
Die Veranstalter des Ryder Cups dürften sich dabei die Hände gerieben haben. Woods wurde von US-Captain Jim Furyk bereits vor Wochen für das Kräftemessen gegen die besten europäischen Golfer an diesem Wochenende in der Nähe von Paris selektioniert.
Die «Tiger-Mania» kommt nach Europa.
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Das ist der Ryder Cup
Der Ryder Cup findet im Zwei-Jahres-Turnus statt und ist ein Team-Prestigeduell zwischen Golfern aus den USA und aus Europa. Jedes Team stellt 12 Spieler, der Team-Captain bestimmt Aufstellung und Strategie. Innerhalb von drei Tagen werden insgesamt 28 Partien gespielt. Der Sieger jeder Partie bekommt einen Punkt, bei Unentschieden einen halben. Bei Punktgleichheit gilt der Titelverteidiger (diesmal die USA) als Sieger.
Das ist Team Europa