BLICK: Am Freitag gehts los mit dem Re-Start der Meisterschaft. Ich nehme an, die Vorfreude ist enorm.
Guillaume Hoarau: Ja. Endlich! Wir warten schon lange darauf. Es ist cool. Wir haben gut gearbeitet. Ich bin bereit.
Und offenbar in Form: Ein Tor, ein Assist im letzten Test gegen Winterthur.
Das ist schon mal gut fürs Selbstvertrauen. Und seit wir wieder im Team trainieren dürfen, machen wir täglich Fortschritte. Fussball ist wie Velofahren. Die Technik ist immer da, das verlernt man nicht. Es geht dann nur darum, die Maschine ins Rollen zu bringen. Und das Physische ist bei uns sehr wichtig, wir haben ein körperbetontes Spiel. Da wird es auch wichtig sein, sich gut zu erholen.
Vor der Krise hatten Sie Ihren Platz an Felix Mambimbi verloren. Glauben Sie, Sie haben ihn in der Pandemie-Pause zurückerobert?
Das entscheidet der Coach. Es gab ja Gründe bei mir mit der Fussverletzung, die viel Zeit in Anspruch genommen hat. Und dann fehlte mir der Rhythmus. Jetzt haben sich die Dinge geändert. Ich hatte die nötige Zeit, um mir eine physische Basis zu erarbeiten. Mit dem Spielplan, den wir nun haben, wird jeder gebraucht. Ich werde sicher eingesetzt. Aber ich sage mir nicht: Ich will meinen Platz zurück. Sondern: Ich will bereit sein zu spielen. Wenn ich zwei Spiele hintereinander bestreiten muss, werde ich es tun. Wenn ich auf der Bank sitze und reinkomme, um dem Team zum Sieg zu verhelfen, werde ich es auch tun.
Aber Sie haben schon auch persönliche Ambitionen?
Klar. Nach drei Monaten ohne Wettkampf werden sich die Leute vielleicht die Frage stellen, ob der das mit 36 noch bringt. Ich kann den Zweiflern nur sagen: Ich habe ungebrochen immense Lust auf Fussball. Und ich habe Lust, sehr guten Fussball zu zeigen!
Vier Fragen – und es ging nicht um Virus, um Pandemie, um Kurzarbeit. Wie gut tut das?
Sehr gut! Über positive Dinge zu sprechen, tut immer gut. Jetzt liegts an uns, ein Lichtlein in dieses düstere Jahr zu bringen. Aber wir sind immer noch in einer prekären Situation. Die Krise ist noch nicht total überstanden. Die Leute treffen sich schon fleissig, weil die Richtung stimmt. Aber man muss vorsichtig bleiben.
Und doch wird alles anders sein. Ihr werdet ins Stadion einlaufen, wie wenn ihr zum Training gehen würdet …
Ich kenne das. Ich habe mit PSG zwei Geisterspiele als Strafe für Ausschreitungen unserer Fans erlebt. Und wir alle haben doch schon in Stadien mit wenig Ambiance gespielt. Es ist eine Challenge, das zu meistern. Speziell für mich als Führungsspieler. Da gilt es, den Druck permanent hochzuhalten, damit wir die Konzentration nicht verlieren.
Haben Sie Bundesliga, Coppa oder LaLiga geschaut?
Ich schaue nicht viel Fussball am TV. Ich habe nur festgestellt, dass man den Stadion-Ton zuschalten kann. Uns Spielern werden die Fans extrem fehlen, die uns über die Ziellinie tragen. Die uns pushen, wenn es gegen Ende um die letzten paar Extrameter geht.
Und die Ligue 1?
Dort hats keine Spiele … (lacht)
War der Saisonabbruch in Frankreich überstürzt?
Als die Politik das verordnete, hatte die Liga gar keine Wahl. Man hatte schon nach Lösungen gesucht, aber der Abbruch erschien damals die beste zu sein. Nun sind die Fallzahlen eingebrochen und man kann wieder spielen, also spielt man. Aber als der Entschluss gefasst wurde, war man sich uneins.
Und dann wird halt zentralistisch verordnet …
Die Franzosen können sich durch diese Entscheidung durchaus verschaukelt fühlen. Speziell wenn man sieht, dass nun selbst in Italien und Spanien wieder gespielt wird. Es gab deshalb auch Rekurse, aber der Staatsrat hat Nein zu diesen gesagt. Und dies, obwohl daran viel Wirtschaft hängt, viele Jobs, viele Menschen mit Familie. Und weil heute alle wieder spielen, muss man wohl zum Schluss kommen: Es war ein voreiliger Entscheid. Aber ich bin in erster Linie froh, dass wir in der Schweiz wieder spielen dürfen.
Nun ist sicher, dass Sie die Saison bei YB beenden. Was braucht es, um sechs Wochen zu verlängern?
Einen Vertrag … Bei YB wird Solidarität grossgeschrieben. Deshalb haben wir auch auf einen Teil unseres Lohns verzichtet. Da schien es nur logisch, dass wir auch die Saison bei YB beenden.
Logisch ja, aber der Klub war nicht verpflichtet dazu.
Deshalb sage ich Sportchef Christoph Spycher und dem ganzen Klub Danke. Und ich gehe nicht mit dem Gedanken in diese Zeit, mich ja nicht zu verletzen. Ich werde geben, was ich zu geben habe. Und es wird passieren, was passieren muss.
Sind es sechs Wochen mit einem tieferen Salär?
Nein. Es ist derselbe Vertrag. Es ist ja auch dieselbe Saison. Der Klub hätte irgendwelche Bedingungen aufstellen können. Aber wir haben grosse gegenseitige Achtung. Wir wissen, dass der eine auf den anderen zählen kann. Auch wenn ich es noch lieber gehabt hätte, gleich einen Vertrag mit einer zusätzlichen Saison zu unterschreiben, um noch ruhiger zu sein. So muss ich mir halt mit 36 Jahren einen nächsten Vertrag wieder verdienen. Aber ich sehe das keinesfalls negativ. Im Gegenteil: Es ist eine Zusatzmotivation. Ich will nun alles geben, was ich noch in meinem Herzen, meinem Kopf und meinen Beinen habe.
Wollen Sie sich diesen neuen Vertrag bei YB verdienen?
Sicher ist: Ich will mir einen verdienen. Wo? Das weiss ich nicht. Am liebsten bei YB. Der Klub stellt strategische und wirtschaftliche Überlegungen an. Ich weiss nicht, ob ich da Platz habe. Deshalb sind diese sechs Wochen die wohl wichtigsten in meiner gesamten Karriere. Denn es sind jene, die darüber entscheiden, wo ich meine Karriere beenden werde. Ich fühle mich jedenfalls alles andere als alt. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich ruhig und relaxed, zuversichtlich und stark. Ich weiss, was ich tief in meinem Innern noch habe. Das könnte vielen Klubs helfen.
Aber es gibt Offerten.
Ja, die gibt es. Auch aus Frankreich. Aber ich werde keine Namen nennen. Ich will nicht rechnen. Ich habe mir viele Dinge ausgemalt und Pläne gemacht. Dann kamen diese Verletzungen. Und als ich dabei war, richtig zurückzukommen, folgte diese Pandemie. Wenn ich bleiben darf, wäre ich überglücklich. Wenn ich gehen muss, gehe ich halt. Alles ist möglich. Ich bin nicht der Regisseur in diesem Film, sondern Schauspieler. Und ich versuche, meine Rolle möglichst gut zu spielen.