Sulser, Egli und Türkyilmaz erinnern sich an ihr Goal
So trifft man gegen Brasilien!

Die Schweizer Nati misst sich an der WM 2018 in der Gruppenphase mit Brasilien. Gegen die Stars vom Zuckerhut sind Schweizer Tore eine Seltenheit. Kubilay Türkyilmaz, Claudio Sulser und Andy Egli habens geschafft.
Publiziert: 02.12.2017 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:40 Uhr
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Michael Wegmann, Alain Kunz, Max Kern und Michael Schifferle

Diego Maradona meint es am Freitag in Moskau besonders gut mit uns Schweizern: Der Fussball-Gott zieht uns in die Gruppe des fünffachen Weltmeisters Brasilien. 

Spiele gegen die Samba-Kicker sind für Natispieler eine Seltenheit. Es ist die Kirsche auf der Karriere-Torte. Der 54-fache Internationale Georges Bregy bezeichnet sich im Live-Talk auf BLICK als Unvollendeter – nie durfte er sich mit den Brasilianern messen.

Erst acht Spiele absolvierte die Schweiz gegen den Giganten. Unsere Bilanz ist dabei geradezu genial. 2 Siege, 3 Unentschieden. 3 Niederlagen. 8:10 heisst die Torbilanz. Ein Treffer gegen Brasilien ist für einen Natispieler wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag.

Unsere Torschützen kann man an einer Hand abzählen: Der legendäre Jacques «Jacky» Fatton († 2011) traf beim sensationellen 2:2 an der WM 1950 in Brasilien gleich doppelt. Erst 32 Jahre später trifft Claudio Sulser zum 1:1 in Recife. Es folgen Andy Egli (1983) und Kubilay Türkyilmaz (1989). Und die restlichen drei Tore? Brasilianische Eigentore. 

Sulser, Egli und Turkyilmaz erinnern sich an ihre Sternstunde.

Kubilay Türkyilmaz: «Es war ein Skandal-Penalty!»

Am 21. Juni 1989 geschieht es: Die Schweiz schlägt Brasilien zum ersten Mal! Torschütze: Kubilay Türkyilmaz, 50. Minute. Der Schütze erinnert sich: «Wenn ich einen Titel über dieses Tor setzen sollte, würde ich diesen wählen: Sieg dank Skandal-Penalty! Es war ein Geschenk des Schiedsrichters. Ich wollte Goalie Taffarel umspielen. Doch er schnappte mir den Ball vom Fuss. Dann stiessen wir zusammen. Es war kein gesuchter Penalty, keine Schwalbe. Aber auch kein Elfer.»

Kubilay Türkyilmaz.

Dem Schützen vom Dienst wars egal. Er bleibt im Basler Joggeli cool – und macht das historische Tor (siehe Video oben). «Danach gabs eine grosse Party bei mir zu Hause in Bellinzona! Schliesslich waren wir da mitten in den Ferien. Vor dem Spiel lag ich zehn Tage lang in Pescara am Strand. Ich rückte ein, machte zwei Trainings, spielte – und es ging zurück in den Ferien. So war das damals. Verrückt!»

Dieser Sieg des Teams um Geiger, Koller, Chappi, Kubi, Alain Sutter gegen Dunga und Co. hatte Signalwirkung. «Die Spieler merkten, dass sie auch gegen grosse Gegner etwas erreichen können»,sagte Uli Stielike nach seinem ersten Spiel als Nati-Coach.

Kubi tauscht mit André Cruz das Trikot – er wollte es unbedingt. «Ich lief ihm dauernd hinterher, damit nichts schiefging.»
Foto: BLICKSPORT

Derweil Kubi in der zweiten Halbzeit nur eine Sorge hat: «Mir das Shirt von André Cruz zu schnappen. Ich sagte ihm das die ganze zweite Halbzeit über und lief ihm dauernd hinterher, damit ja nichts schiefging.» Kubi hat das Shirt vom historischen Sieg noch heute.

Claudio Sulser: «Ein solches Tor vergisst man nie!»

Die Namen der Brasil-Stars von 1982 zergehen auf der Zunge. Zico, genannt weisser Pelé. Socrates, der Kinderarzt. Careca, mit Maradona 1990 in Neapel Meister. Falcao, 1983 Meister mit der Roma. Eder, O Canhão, die Kanone. Die Brasilianer testen am 19. Mai 1982 in Recife ihre WM-Form. Und spielen bei 30 Grad gegen die Schweiz nur 1:1. Claudio Sulser (62), der heutige Nati-Delegierte, erzielt den Treffer. Sulser gestern: «Das Zuspiel kam von Heinz Lüdi. Ich schoss aus der Distanz flach in die Ecke. Ein solches Tor vergisst man nie.»

Claudio Sulser.
Foto: BLICKSPORT

Vor 35 Jahren diktierte der Schweizer Held den wenigen Journalisten: «Eine grosse Leistung der ganzen Mannschaft. Ein Unentschieden ist ein unglaubliches Resultat. Das gibt im Hinblick auf die EM-Qualifikation Selbstvertrauen.»

Gestern sagt Sulser: «Und trotzdem qualifizierten wir uns nicht für die EM. Damals waren wir zu gewissen Exploits fähig. Aber uns fehlte die Konstanz. Dies war unser Fluch.» Das Team von Paul Wolfisberg wurde vom einheimischen Schiri gar betrogen. Das Foul von Gianpietro Zappa (†) war ausserhalb des Strafraums. Sulser diplomatisch: «Ein sehr frag­würdiger Entscheid.» Zico traf in der 7. Minute per Penalty zum 1:0.

Glücklich nach dem Exploit: Sulser und Andy Egli (r.).
Foto: BLICKSPORT

An der WM 2018 ist Brasilien unsere erste grosse Hürde. Sulser: «Brasilien ist immer ein starker, aber auch angenehmer Gegner. Bei Brasilien – Schweiz wollen beide Teams vor allem Fussball spielen. Fussball zeigen. Die Zuschauer werden Freude haben. Denn der Match dürfte auch sehr spannend werden.»

Andy Egli: «Warum ich schoss, weiss ich nicht mehr»

Am 17. Juni 1983 macht Andy Egli vor 60'000 Fans das 1:0 gegen Brasilien. Danach bekämpft er den grossen Careca. Was er noch weiss: «Die Brasilianer waren alle Gentlemen.»

Andy Egli.

Doktor Socrates, Alemao und Careca, der später an der Seite Diego Maradonas Napoli verzaubert, locken am 17. Juni 1983 60 '000 Fans ins alte Joggeli. Zum ersten Mal in der Geschichte des Verbands bleiben die Kassenhäuschen geschlossen. Die Fans lechzen nach grossen Spielen. Die letzte End­runde mit der Schweiz? 17 Jahre her. Umso mehr toben sie, als Andy Egli die Nati vom Penaltypunkt nach 33 Minuten das 1:0 erzielt (im Video unten ab 1:00 Minuten). Die Kreide des Penaltypunkts stäubt in der Luft, so hart ist der Schuss.

Warum ausgerechnet er schoss? «Das weiss ich gar nicht mehr», sagt Egli und lacht. Auch Claudio Sulser steht auf dem Platz, der etatmässige Schütze. Schnappte sich Egli entgegen anderer An­weisungen die Kugel? Nein. «Wir haben das sicher abgesprochen.»

Andy Egli schmettert den Ball vor 60 000 Fans im Joggeli in die Tormitte. Goalie Leao taucht nach links.
Foto: KEYSTONE

Primäre Aufgabe von Egli ist an dem Tag jedoch eine andere: Tore verhindern – vor allem von Careca, seinem direkten Gegenspieler. Trainer Paul Wolfisberg habe das Team minutiös vorbereitet und ihm genau gezeigt, wie sich Careca bewege, erzählt Egli. «Er war genau über die Brasilianer informiert – und das ohne die technischen Hilfsmittel von heute.»

Körperlich war Egli Careca überlegen. «Aber am Ball war er wie alle Brasilianer herausragend.» Das zeigt sich in der Schluss­viertelstunde: Socrates gleicht aus, dann erzielt Careca das Siegestor. «Uns ging die Puste aus.»

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Was Egli noch heute weiss: «Die Brasilianer waren alle Gentlemen.» Besonders der famose Socrates. Goalie Roger Berbig spendete er nach einer Parade Beifall. 
Es ist das dritte Duell mit der Seleção innert drei Jahren. 1980 sitzt die Nati nach dem Spiel mit der Seleção gar zusammen imFlieger. Egli erinnert sich: «Alle tanzten in den Gängen Samba – angeführt von Socrates. Gross­artig!»

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