Gefährlichster Nordire ertrank im Alkohol
«Unser Präsi fand George Best im Strassengraben»

Die Schweizer haben Glück. Durch die Gnade der späten Geburt bleibt ihnen in den WM-Playoffs der gefährlichste Nordire aller Zeiten erspart. George Best war der grösste Dribbler – aber vor allem der grösste Frauenschwarm, der grösste Trinker und der grösste Popstar des Fussballs. Und Murat Yakins Assistent Walti Grüter (63) lernte Best 1980 als Teamkollegen kennen.
Publiziert: 06.11.2017 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 08:40 Uhr
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George Best, der gefährlichste Nordire aller Zeiten.
Foto: EQ Images
Oskar Beck

Eine Geschichte über das viel zu kurze Leben des George Best beginnt man am besten mit der Anekdote aus der plüschigen Suite eines noblen Hotels – zu einer Zeit, als seine guten Tage schon seltener wurden.

«Sagen Sie, Mister Best, was ist schiefgelaufen?», soll der Kellner gefragt haben, als er dem Star eine Flasche Champagner aufs Zimmer brachte. Auf dem Bett lagen, wild verstreut, Geldscheine im Gegenwert von rund 20 '000 Pfund – und mittendrin eine atemberaubende Gestalt, die gerade eine Miss-Wahl gewonnen hatte.

Man könnte über die Geschichte lachen, wenn sie nicht zum Weinen wäre. George Best ist an dem Leben gestorben, das er geführt hat. Er selbst sagte: «Die Hälfte meines Geldes ging für Alkohol, Frauen und Autos drauf, den Rest habe ich verprasst.» Er war ein grosser Lebemann. War er ein noch grösserer Fussballer?

«Ich weiss nicht, ob George Best der beste Spieler der Welt ist», hat seinerzeit Englands Stürmerstar Jimmy Greaves gesagt, «aber auf jeden Fall habe ich noch keinen Besseren gesehen.» Wohlgemerkt: Es war die Zeit, als Pelé spielte, oder Johan Cruyff. Vor einem Länderspiel in Rotterdam fragte der Journalist Bill Elliot den Nordiren, ob Cruyff besser als er sei, worauf Georgie lachte: «Du machst jetzt Spass, oder? Ich sag dir was: Ich schiebe Cruyff heute Abend den Ball durch die Beine.»Er tat es nach fünf Minuten. Und rannte mit dem Ball weiter, mit der rechten Faust in der Luft. In Belfast tragen die Fans heute noch T-Shirts mit den Steigerungsstufen des Fussballs: «Maradona good, Pelé better, George Best.»Den Schweizern bleibt, dank der Gnade der späten Geburt, der gefährlichste Nordire aller Zeiten erspart, und doch wird er ihnen in den nächsten Tagen in Belfast auf Schritt und Tritt begegnen. Der Stadtflughafen ist nach Best benannt, das Stadion Windsor Park baut 2018 eine Best-Statue, und zu jeder Stadtführung gehört ein Abstecher auf den Roselawn Friedhof. Zu Bests Beerdigung kamen 100' 000 Menschen, Premierminister Tony Blair hielt die Rede, und Protestanten und Katholiken waren in ihrer Trauer ausnahmsweise vereint. Ein Volksheld.

Als Best 2005 stirbt, kommen 100'000 Menschen an seine Beerdigung.
Foto: Getty Images

Ein kompletter Fussballer

Best war ein kompletter Fussballer. Er war schnell, hatte zwei begnadete Füsse, und vom rechten Flügel aus dribbelte er alles in Grund und Boden. Erlernt hatte er es auf einem holprigen Hinterhof in Belfast, und schon mit 15 war er so gut, dass Manchester United zugriff. «Best ist mein Lieblingsspieler», sagte sogar Pelé.

Georgie wurde Kult als «der fünfte Beatle», er sah aus wie die Pilzköpfe aus Liverpool. Er war lange vor Beckham der erste kickende Popstar. Die Mädels kreischten. Als er 1968 im Finale um den Europacup der Landesmeister auch noch das Tor seines Lebens schoss und «Europas Fussballer des Jahres» wurde, hat er den Zwang, ein Halbgott zu sein, nicht mehr ausgehalten. Später verriet er grinsend: «1969 habe ich die Frauen und den Alkohol aufgegeben – es waren die schlimmsten zwanzig Minuten meines Lebens.» Bald war er am Ende, mit 26. Weltklasse war George Best nur noch als wilde Sau nach dem Motto: Es gibt auf der ganzen Welt Pubs, in denen man sich betrinken kann. Gekickt hat er noch für Stockport, Bournemouth, Fulham, Edinburgh, Cork oder Dunstable, aber auch in San Jose, bei den Los Angeles Aztecs oder den Fort Lauderdale Strikers.

Trank trotz Leberzirrhose weiter: George Best.
Foto: Getty Images

1979 ist er mir dort begegnet. Beim Training war es feucht und heiss, die Weltstars schwitzten sich wund, vom Peruaner Cubillas bis zum Deutschen Gerd Müller – nur Georgie fehlte. Irgendwann bog er um die Ecke, mit einer Schönen an jeder Hand, die eine ungefähr 17, die andere eher 16. Verletzt sei er, verriet er mir, und schonungsbedürftig. Zehn Minuten hat er zugeschaut, die Schwitzenden zum Durchhalten angefeuert, dann ging er mit den Mädels wieder, er hatte Besseres zu erledigen. «Ach, unser Georgie», sagte Gerd Müller lachend, «so isch des jeden Tag.» Ein Haus nahe am Meer hat Best damals gehabt, es bis zum Strand aber nie geschafft, weil auf dem Weg eine Bar war. Beendet hat er seine Karriere dann bei den Brisbane Lions in Australien, und in einer Gefängnismannschaft. Er sass dort wegen einer Alkoholfahrt mit Polizistenattacke. War Best je erwachsen? «Nein», ahnt seine Exfrau Angie, mit der er einen Sohn hat. Sie liess sich scheiden, «denn zwei Babys waren mir zu viel, das ältere musste gehen.»

Bis zu seinem Tod anno 2005 bestach Best als Fussballexperte («Die Rückennummer von Paul Gascoigne ist höher als sein IQ»), trank trotz Leberzirrhose weiter und wich auch nicht ab von seiner Lebensdevise: «Du kannst nur mitreden, wenn du die letzten drei Miss World im Bett gehabt hast.» Womit wir wieder beim Anfang sind. Was, wurde er einmal gefragt, hat den Kellner damals zu dieser komischen Frage veranlasst?«Vielleicht», antwortete George Best, «hat er Dinge gesehen, die mir selber entgangen sind.»

«Unser Präsident fand ihn im Strassengraben»

Murat Yakins Assistent Walti Grüter (63) kickte 1980 mit Nordirlands Nationalheld in den USA. Nun erzählt er aus dem Nähkästchen.

Kickten zusammen bei San Jose: Walter Grüter (r.) und George Best.

Grüter über die erste Begegnung mit Best: «Es war im März 1980, als Georgie zu uns nach San Jose kam. Er fragte mich, woher ich komme. Ich sagte: Zürich. Da antwortete er: ‹Dort kenne ich die Playboy-Bar. Ich war mit 16 Jahren in Zürich am Blue-Stars-Turnier.›»

Grüter über Bests Trinkgewohnheiten: «Wir waren vier-, fünfmal zusammen im Ausgang. Ich habe ihn nie besoffen gesehen. Er trank schon ab und zu ein Bier, aber dazwischen auch Mineralwasser. Nur einmal, da hatten wir ein Spiel in Los Angeles, fragte er den Trainer, ob er nicht drei Tage eher runter nach L.A. reisen könne. Denn er betrieb dort unter seinem Namen eine Bar, wollte nach dem Rechten sehen.

Er bekam die Erlaubnis, hätte dann am Freitagabend ins Team-Hotel einrücken sollen. Er versprach dem Trainer, dass nichts passieren werde. Doch er kam am Freitagabend nicht, auch nicht am Spieltag. Ebenso nicht am Tag danach. Erst am nächsten Mittwoch fand ihn unser Präsident in einem Strassengraben liegend. Georgie wurde in eine Sauna gesteckt, musste trainieren – und machte am Samstag darauf ein Riesenspiel.»

Grüter über Bests Sinn für Humor: «Zu Beginn der Hallensaison begleitete ich einen verletzten Mitspieler zum Arzt. Georgie lag auch dort. Wir wollten wissen, wo er verletzt sei. Er antwortete: ‹Die wollen meine Leber kontrollieren.›» (mk)

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