Fifa-Boss Infantino über Rassismus an der WM
«Erstmals kann ein Schiri eine Partie abbrechen»

Wenige Tage vor Kick-off in Russland redet Gianni Infantino über die WM, Rassismus, den Videobeweis und die Schweiz.
Publiziert: 12.06.2018 um 09:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:20 Uhr
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Gianni Infantino spricht mit BLICK über die anstehende WM.
Foto: TOTO MARTI
Michael Wegmann
So funktioniert der Videobeweis
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Erstmals bei einer WM im Einsatz:So funktioniert der Videobeweis

BLICK: Gianni Infantino, wie ruhig sind Sie eigentlich vor dieser WM?
Gianni Infantino: Natürlich bin ich aufgeregt auf diese WM und freue mich sehr auf den Kickoff. Für mich ist es natürlich spe­ziell, da es meine erste WM als Fifa-Präsident sein wird. Es ist eine grosse, aber auch eine wunderschöne Verantwortung. Ich bin zuversichtlich, dass in Russland eine grosse Fussballparty steigt. Ein internationales Fest mit Fans aus der ganzen Welt. Wissen Sie, was ich inte­ressant finde?

Nein.
Dass es nach den Russen die Amerikaner waren, die am meisten Tickets gekauft haben. Gefolgt von den Brasilianern und Kolumbianern. Auf Platz fünf stehen dann die Deutschen. Über 50 Prozent der Tickets wurden übrigens ins Ausland verkauft. Wir erwarten volle Stadien, wir erwarten Feierlichkeiten und eine Party.

Infantino erwartet an der WM volle Hütten. Im Bild: Olympiastadion Luschniki.
Foto: KEY

Es gibt jedoch viele, die Ausschreitungen mit rassistischem Hintergrund befürchten. Keine Angst?
Das ist ein Problem, welches man natürlich nicht unterschätzen sollte. Der Kampf gegen den Rassismus ist eine grosse Herausforderung. Aber ich habe keine Angst, denn wir sind bestens vorbereitet und haben Vorkehrungen getroffen. Zum Beispiel Beobachter, die bei eventuellen Ausrutschern sofort Alarm schlagen. Und erstmals bei einer WM könnte ein Schiedsrichter eine Partie auch unterbrechen oder gar abbrechen. Wir hoffen natürlich alle, dass dies nicht geschieht. Sollte es aber geschehen, wird die Antwort sehr deutlich sein. Die Behörden aller Länder haben dabei übrigens sehr eng und gut zusammengearbeitet.

Risiken gibt es dennoch …
Sicher gibt es Risiken. Aber ich weiss, dass wir alles Mögliche getan haben. Und ich bin mir ­sicher, dass der Fokus ab dem 14. Juni auf dem Feld sein wird. Auf Messi, auf Ronaldo. Auf Neuer, der zurück ist, auf ­Neymar. Und auf Rodriguez, der zuletzt für die Schweiz getroffen hat.

Viel diskutiert wird auch der Video­beweis, der erstmals an einer WM eingesetzt wird. Zuversichtlich, dass es klappt?
Vor zwei Jahren war ich sehr skeptisch. Aber ich habe meine Meinung mittlerweile komplett geändert. Die Zahlen und Fakten sind klar. Wir haben VAR mittlerweile in über 1000 offi­ziellen Spielen eingesetzt. Das Resultat ist eindeutig. Ohne Videobeweis gibts in jedem dritten Spiel einen Fehlentscheid. Mit VAR in jedem 19. Spiel. Es ist also eine Hilfe für die Schiedsrichter, und wir ­werden keine krassen Fehlentscheide mehr sehen.

«Ich habe meine Meinung mittlerweile komplett geändert», sagt Infantino über den Videoschiri.
Foto: KEY

Geht mit dem Videobeweis nicht der Spielfluss verloren?
Wir verlieren pro Spiel im Durchschnitt sieben Minuten mit Einwürfen, sechs Minuten mit Freistössen. Im Schnitt dauert es eine Minute, einen Entscheid zu korrigieren.

Dürfen Sie überhaupt jubeln, wenn die Schweiz ein Tor schiesst?
Hmmm … gute Frage. Ich weiss es wirklich nicht. Ich lasse mich von mir selbst überraschen.

Vielleicht im Stillen?
Innerlich juble ich sicher. Vielleicht werde ich mich gegen aussen benehmen, wir werden es sehen.

Waren Sie enttäuscht, dass sich Italien nicht qualifiziert hat?
Ja, natürlich war ich enttäuscht, als sich die Italiener nicht qualifizieren konnten. Aber die 32 Besten sind in Russland dabei, so wollen es die Regeln.

Ihre ersten WM-Erinnerungen dürften ganz eng mit den Italienern zusammenhängen …
… ja klar.

An was erinnern Sie sich?
Meine ersten Erinnerungen habe ich an 1978. Aber sehr gut in Erinnerung geblieben ist mir die WM 1982 in Spanien. Da war ich zwölf Jahre alt. Das war ein riesiger Event für uns mit Familie und mit Freunden. Wir sassen zusammen vor dem kleinen Fernseher und jubelten.

Infantino kann den Startschuss zur WM am Donnerstag kaum erwarten.
Foto: TOTO MARTI

Im Wallis?
Nein, eine halbe Stunde entfernt in Domodossola.

Was ist Ihr Job an der WM? Repräsentieren, essen, geniessen?
Mal schauen, was es alles zu tun gibt und was auf mich zukommt. Für mich wird es die erste WM in dieser Funktion sein. Nach dem Kongress, den vielen Meetings, Talks, Diskussionsrunden und den offiziellen Anlässen spielen wir ja auch noch Fussball. Mein Ziel ist es, dass ich nach der WM jedes Stadion mindestens einmal besucht – und jedes Team mindestens einmal gesehen habe.

Können Sie die Spiele dann geniessen?
Ich hoffe es. Doch erst werde ich alles checken, und wenn es nötig ist, auch nochmals Druck aufsetzen. Mein Job ist es, die Organisation zu überprüfen, zu überwachen und natürlich auch zu helfen, wo es Hilfe braucht.

Ein bisschen nervös sind Sie schon?
Nein. Ich bin sehr nervös!

Ihr Vorgänger Sepp Blatter hat angekündigt, dass er auf Einladung von Russlands Präsident Wladimir Putin nach Russland reise. Werden Sie im Stadion neben ihm sitzen?
Haben Sie noch andere Fragen (lacht)? Jeder ist in Russland willkommen!

**********

Persönlich: Fifa-Chef – Gianni Infantino kam am 23. März 1970 in Visp zur Welt. Er arbeitete als Rechtsanwalt und an der Universität Neuenburg als Leiter des Internationalen Zentrums für Sportstudien. Nach seinem Einstieg bei der Uefa war er zunächst Chef der Rechts- und Klublizenzierungsabteilung und ab 2009 Generalsekretär. Am 26. Februar 2016 wurde er am Fifa-Kongress in Zürich im zweiten Wahlgang zum Fifa-Präsidenten und Nachfolger von Sepp Blatter gewählt.

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