Herr Hitzfeld, herzliche Gratulation. Sie sind zum zweiten Mal Opa geworden.
Ottmar Hitzfeld: Vielen Dank! Die Kleine heisst Carlotta, meine Frau und ich geniessen es sehr. Es ist herrlich, wenn die Familie wächst. Auch wenn ich am Abend platt bin, wenn ich den ganzen Tag dem zweijährigen Henry hinterher renne.
Das Schöne an Enkeln ist ja, dass man sie abends abgeben kann. Um zum Beispiel die Nati in aller Ruhe zu schauen. Kribbelt es noch?
Ich hatte zwei Jahre wirklich Mühe, Spannung abzubauen. Das war schon zur Zeit nach den Bayern so, am Samstag um 15.30 Uhr hatte ich immer Druck auf der Brust. Und nach dem Nati-Rücktritt war ich am Spieltag immer nervös, ging den Tages-Ablauf durch, was ich jetzt gerade machen würde. Heute habe ich Abstand.
Personell ist das Team ähnlich wie jenes, das Sie 2014 im WM-Achtelfinal gegen Argentinien betreuten. 8 von 11 Stammspieler sind identisch. Bereuen Sie, aufgehört zu haben?
Keine Sekunde, die Entscheidung war goldrichtig. Das Leben hat anderes zu bieten mit 65. Natürlich hätte ich weitermachen können, aber man geht besser, wenn viele es bedauern. Bevor man davongejagt wird. Vladimir Petkovic hat alles hervorragend weiterentwickelt, die Automatismen verbessert und eine grossartige Serie hingelegt.
Die markanteste Änderung ist, dass Granit Xhaka als Nummer 6 aufläuft. Bei Ihnen spielte er als Nummer 10. War das ein Fehler?
Nein. Captain Gökhan Inler war damals voll im Saft, ihn konnte man nicht ersetzen. Granit ist gewachsen, ein viel grösserer Spieler als 2014. Und er ist auch heute eine Art Spielmacher, Valon Behrami lässt sich weit zurückfallen.
Was macht die Mannschaft aus?
Sie ist zusammengewachsen, hat sich noch mehr Selbstvertrauen erarbeitet. Für mich spielen auch die Erfahrungen von Xhaka, Rodriguez und Seferovic eine Rolle. Sie wurden U17-Weltmeister und haben schnell verinnerlicht, dass man alles erreichen kann. Das ist in ihren Köpfen. Das Gefühl im Moment ist, dass man gar nicht mehr verlieren kann. Aber Petkovic steuert gut entgegen.
Indem er hundert Mal sagt, Ungarn sei wichtiger.
Korrekt. Die Ungarn haben mit Bernd Storck einen taktisch guten Trainer, ich arbeitete mit ihm in Dortmund zusammen. Er ist akribisch, fordert viel Laufbereitschaft. Aber er hat gerade einen Umbruch eingeleitet, auch darum wird die Schweiz gewinnen. Damit man mit breiter Brust nach Portugal fliegen kann.
Portugal spielt gegen Andorra. Bei einer Gelben Karte wäre Cristiano Ronaldo gegen die Nati gesperrt. Würden Sie ihn aufstellen?
Trainer Santos wird sicher ein Gespräch mit ihm suchen und ihm die Entscheidung überlassen. Aber Ronaldo ist extrem ehrgeizig und will alle Rekorde brechen. Gegen Andorra könnten für ihn zwei, drei Tore drinliegen. Das Problem ist, dass Andorra bekannt dafür ist, zu provozieren. Es ist ein Risiko dabei. Normal müsste man ihn draussen lassen.
Bei der Schweiz sind Dzemaili, Mehmedi und Rodriguez vorbelastet.
Normal müsste man auch gegen Ungarn mit der besten Mannschaft spielen. Und die Spieler vorher sensibilisieren.
Was erwarten Sie für ein Spiel in Portugal?
Es wird ein Showdown, mit einem aggressiven portugiesischen Publikum. Aber die Schweiz hat gute Chancen, erfolgreich zu sein. Der Druck liegt eindeutig bei Portugal. Und die Portugiesen haben viel mentale Substanz verloren. Weil Sie die ganze Qualifikation hinterher hechelten, weil die Nati sich nie Blösse gab.
Wie stoppt man Ronaldo?
Generell geht es um die mannschaftliche Geschlossenheit. Die Nati hat fast ein Jahr lang kein Gegentor erhalten. Sie verteidigen stabil und gut.
Ihr Tipp?
Die Nati schiesst sicher ein Tor und kassiert maximal eines. Ich tippe auf ein 1:1.