Einzel-Gespräche nach Adler-Jubel
Hier nimmt sich Petkovic Xhaka und Shaqiri zur Brust

Die ganze Schweiz diskutiert über den Doppel-Adler. Captain Lichtsteiner jubelt solidarisch wie Xhaka und Shaqiri. Der Schweizer Verband packt die Spieler in Watte. Und Coach Petkovic führt Einzelgespräche.
Publiziert: 24.06.2018 um 09:30 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 00:06 Uhr
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Vladimir Petkovic (l.) im Gespräch mit Xherdan Shaqiri.
Foto: TOTO MARTI
Andreas Böni, Max Kern (Text) und Toto Marti (Fotos) aus Togliatti

Die Sonne scheint. Es sind knapp 26 Grad in Togliatti, als Nati-Coach Vladimir Petkovic seine Spieler zum Auslaufen bittet. Das Team ist am Nachmittag aus Kaliningrad zurückgekehrt, fast drei Stunden beträgt der Flug. Und Petkovic nimmt sich auf dem Rasen Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri zur Brust. Einzelgespräch nach dem Doppeladler-Jubel!

Stephan Lichtsteiner (34) lächelt, seine Zähne blitzen, voller Euphorie, siegestrunken nach dem 2:1 über Serbien. Der Captain, der Mann aus Adligenswil LU, hat beim Siegestreffer von Shaqiri den Doppeladler gemacht – weil er sich solidarisch mit Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri zeigen wollte.

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Xhaka feuert einen Hammer ab – 1:1!
Foto: TOTO MARTI

Georges Bregy: «So was ist nicht angebracht»

«Diese Jungs», sagt er zu BLICK «sind super Typen. Haben super Qualität. Wir müssen ihnen helfen. Ich habe mit vielen gesprochen, mit Vätern von ihnen. Die mir ihre Sicht erklärt haben, was sie alles durchgemacht haben. Es war ein extremer Druck für sie, und darum finde ich es okay, dass man ausgiebig feiert.»

Georges Bregy, seit der WM 1994 eine WM-Legende, sieht es ein wenig anders: «Für mich ist es sehr speziell. Ich verstehe es nicht. Es ist nicht angebracht, in der Nati so zu jubeln. Da machst du so eine tolle zweite Halbzeit, machst dann mit einem solchen Zeichen die Stimmung kaputt und sorgst für Diskussionen in der Schweiz. Ich kann es nicht nachvollziehen.»

Doch wissen muss man auch: Die Kosovo-Problematik trifft die Spieler tief im Herzen. Vater Ragip Xhaka sass drei Jahre wegen den Serben im Knast. Vater Behrami musste mit seiner Familie flüchten. Und bei der Familie Shaqiri wurde ein Haus bis auf die Grundmauern niederge­fackelt

Aus all diesen Gründen stellt sich Lichtsteiner, der 2015 eine heiss diskutierte Debatte um «richtige und andere Schweizer» ausgelöst hat, hinter seine Mitspieler: «Ich glaube nicht, dass die Schweiz ein Problem damit hat, weil alle wissen, dass sie Doppelbürger sind.»

«Ich verstehe das einfach nicht!»
2:15
Das sagen Fans zum Doppel-Adler:«Ich verstehe das einfach nicht!»

Dabei sollte der Doppeladler in der Nati längst ausgeflattert haben. Im November 2014 ist es, als die Thematik auf den Tisch kommt. Granit Xhaka bei Gladbach und Pajtim Kasami bei Olympiakos Piräus jubeln mit dem albanischen Wappentier. Der Schweizerische Fussballverband beruft eine Sitzung ein. Mit am Tisch: der damalige Nati-Delegierte Peter Stadelmann, SFV-Generalsekretär Alex Miescher, Coach Vladimir Petkovic, dessen Assistent Antonio Manicone, Kommunikationschef Marco von Ah und der Spielerrat. Das sind damals: Captain Gökhan Inler, Stephan Lichtsteiner, Xherdan Shaqiri, Valon Behrami und Steve von Bergen.

 

Stadelmann danach: «Wir haben unseren Wunsch vorge­tragen, sie wollen ihm entsprechen.» Heisst konkret: kein Doppeladler-Jubel mehr in der Nati. Xherdan Shaqiri sagt damals: «Im Klub kann jeder jubeln, wie er will. Aber hier sind wir in der Nationalmannschaft. Hier kommt es niemals vor, dass einer so jubelt.»

Bis am Freitag gegen Serbien, als alle von ihren Emotionen übermannt werden, hält dieses Versprechen.Am Samstag nun stellen sich aus diesem Grund SFV-Generalsekretär Alex Miescher und der Nati-Delegierte Claudio Sulser im Stadion in Togliatti den Me­dien. Der FDP-Politiker Miescher sagt dann auch, solche Dinge hätten «nichts verloren auf dem Platz, sind aber in Relation zu setzen zur Emotionalität».

Sulser: «Es war ein spontaner Jubel»

Sulser stellt sich dann auch auf den Standpunkt, dass der Jubel spontan gewesen sei. «Man darf nicht vergessen, dass es Pfiffe gab bei der Schweizer Nationalhymne. So etwas ist nicht positiv, um in ein Spiel zu gehen. Es war ein Reflex, keine politische Message. Wir haben nach dem Spiel mit Xherdan und Granit diskutiert und wollen das vertiefen. Aber erst schlafen wir nochmals drüber.»

Trotzdem droht eine Untersuchung durch die Disziplinarkommission der Fifa. Sulser, der Boss der Fifa-Ethikkommission war, sagt: «Wir werden sehen, wie das Ganze gewertet wird. Es kann sein, dass ein Verfahren eröffnet wird, aber ich bin nicht sicher, dass die Fifa intervenieren wird. Es war eine Affekthandlung.» Und Miescher sagt: «Eine Sperre kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.»

Es kommt allerdings anders: Am späten Samstagabend verkündet der Weltverband, dass er gegen die beiden Schweizer Xhaka und Shaqiri ein Verfahren eröffnet. Der Ausgang: ungewiss.

WM 2018 in Russland

Vom 14. Juni bis 15. Juli findet in Russland die Fussball-Weltmeisterschaft 2018 statt.

  • Alle Infos, Highlights und Hintergründe – kurz den WM-Ticker – finden Sie hier.
     
  • Sämtliche Ergebnisse und die besten Torjäger gibts hier in der Übersicht.
     
  • Die Spieler aller teilnehmenden Mannschaften im Porträt: Wer wie gut spielt, lesen Sie hier im interaktiven Special.

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