BLICK: Herr Siegenthaler, wer wäre der einfachste Gegner für unsere Nati gewesen?
Urs Siegenthaler: Darum geht es nicht, alle vier sind schwierig. Alles keine leichten Gegner, im Volksmund richtig harte Nüsse. Der Gegner ist nur so stark, wie man ihn macht. Es geht nicht darum, den Gegner spielerisch zu verstehen. Wer dribbelt gut, wer schiesst stark – das ist vorbei. Die Schweiz muss die Gegner anders wahrnehmen.
Inwiefern?
Die Mentalität. Die Kultur des Landes. Wie sie leben. Und daraus die Einstellung der Spieler. Wenn sich die Nati nur aufs Sportliche konzentriert, hat sie wenig Chancen.
Gegen Nordirland spielten Sie mit Deutschland. Ihr Eindruck?
Schauen Sie sich deren Statistik an. 7 von 10 Spielen gewannen die Nordiren zu null. Körperlich unglaublich stark. Die Grundvoraussetzung ihres Spiels basiert auf Rugby, wo es darum geht, den Gegner nicht in sein End kommen zu lassen. Auf Fussball gemünzt heisst das, dass man den Gegner vom eigenen Sechzehner fernhalten will. Dasselbe gilt für die Iren und viele Mannschaften auf der Insel. Die Iren oder Nordiren haben keine grossen Stars, sind aber mit einem extrem guten Kollektiv ausgerüstet. Das ist der Fussball von heute, ich war gerade in Südamerika.
Was haben Sie gesehen?
Eine brasilianische Mannschaft, die diesem Kollektiv alles unterordnet. Selbst Neymar ist in der Defensive anzutreffen, nicht nur in der Offensive. Brasilien hat damit Erfolg. Ursprung dieser Einstellung ist die 1:7-Schmach gegen Deutschland bei der WM 2014.
Sie sind seit 2004 beim DFB. Fiebern Sie eigentlich noch mit der Nati mit?
Selbstverständlich, ich habe immer noch den Schweizer Pass und bin Patriot. Vor 14 Tagen war ich auf der Rütliwiese. Aber gegen aussen versuche ich so neutral wie möglich zu sein. Darum will ich auch die Schweizer Mannschaft nicht beurteilen.
Es wäre spannend zu hören, was Sie gegen Portugal festgestellt haben.
Das verbietet mir der Anstand. Aber ich bin stolzer Schweizer und bin optimistisch, dass die Nati die WM erreicht.