Der Tod von US-Journalist Grant Wahl schockt die Fussball-Welt. Beim Viertelfinal zwischen Argentinien und Holland bricht er auf der Tribüne zusammen.
In der Verlängerung, als die fussballerische Spannung ihren Höhepunkt erreicht hat, kippt die Stimmung innerhalb einer Sekunde. Der Abend wird zum Horror. Zu meiner Rechten, inmitten der endlosen Pressetribüne des Stadions, bricht Panik aus. Mehrere Journalisten stehen auf, schreien um Hilfe. Mein Blick bleibt an einem Kollegen hängen, der ein paar Stühle weiter sitzt.
Die Sanitäter eilen schnell zu meinem Kollegen in Not. Ihre Herzmassage dauert Minuten, die sich wie Stunden anfühlen. Unten auf dem Rasen geht das Fussballspiel unter dem Jubel der Menge weiter. Das scheinbar Wichtigste, das in die ganze Welt live übertragen wird, wird bei uns oben sehr unwichtig.
Der US-Verband gibt die traurige Nachricht bekannt.
Auf dem Rasen setzt sich die argentinische Mannschaft im Elfmeterschiessen durch. Auf der Tribüne nähern sich abscheuliche Gestalten und zücken ihre Handys, um den unglücklichen Mann zu fotografieren, der auf dem Boden um sein Leben kämpft und von bewundernswerten Helfern auf Händen getragen wird, die sich weigern, aufzugeben.
Der Journalist wird schliesslich auf einer Trage weggetragen. Alle Blicke zeigen die gleiche Beklemmung, die gleiche panische Angst. Die gefürchtete Nachricht kommt mitten in der Nacht.
Der amerikanische Verband gibt den Tod von Grant Wahl bekannt. In einer in den sozialen Netzwerken veröffentlichten Erklärung würdigt U.S. Soccer den im Alter von 48 Jahren verstorbenen Journalisten, der davon überzeugt war, dass «die Macht des Fussballs die Menschenrechte voranbringen sollte». Und weiter: «Er war und wird für jeden eine Inspiration sein.»
Grant Wahl berichtete über seine achte Weltmeisterschaft, 28 Jahre nach seinem Debüt bei der Heim-WM 1994 in den USA.
Verhaftet wegen eines Regenbogen-T-Shirts
Der Amerikaner hatte bereits am Rande des Turniers für Aufsehen gesorgt, da er am 21. November kurz vor dem Spiel gegen Wales festgenommen worden war. Die Sicherheitsleute im Ahmad-bin-Ali-Stadion hatten sein T-Shirt in den Regenbogen-Farben nicht gern gesehen. Nach einer halbstündigen Befragung durfte er schliesslich das Stadion betreten und sich später entschuldigen.
Der in Übersee bekannte Reporter hatte seit Mitte November eifrig über die Menschen- und LGBT-Rechtslage in Katar berichtet. Auf seiner Website hatte er seinen Lesern kürzlich von gesundheitlichen Problemen berichtet.
Tränen in den Augen
Als ich am Freitagabend im Stadion die Argentinier singen höre, bekomme ich Gänsehaut, meine Augen tränen und meine Kehle schnürt sich immer wieder zu. Auch während des Schreibens dieser Zeilen ist dies der Fall.
Ich denke sehr stark an Grant Wahl und seine Familie. Aber auch an die Tausenden von Wanderarbeitern, die in Katar ihr Leben verloren haben. Ein Opfer, ohne das es diese WM nicht gegeben hätte.
Diese gigantischen Stadien sind ihre Friedhöfe. Im Laufe der Tage und Spiele ist ihr Verschwinden zu einer Statistik geworden, die wir gerne vergessen. Die Magie des Fussballs darf das aber niemals vergessen machen. Jeder dieser Todesfälle ist eine Tragödie zu viel.