Wird Barnetta St.-Gallen-Captain?
«Es wäre mir eine Ehre»

Der verlorene St. Galler Sohn Tranquillo Barnetta (31) über ­Angebote des FC Basel, die 3:11-Schmach gegen Wil und ­warum er nicht mit Zinnbauer über den Transfer sprach.
Publiziert: 23.10.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:03 Uhr
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Barnetta vor der Kulisse Philadelphias. Im Januar kommt er zu St. Gallen.
Foto: Bill McCay
Andreas Böni

SonntagsBLICK: Tranquillo Barnetta, wissen Sie, was Sie sich da antun? 
Tranquillo Barnetta:
Anfangs der Woche habt ihr ja geschrieben, dass neun Mannschaften im Abstiegskampf stecken. So gesehen kann die Lage ja nicht viel dramatischer als bei anderen Klubs sein. Es ist alles sehr nah zusammen.

Gut, aber die Fans riefen «Zinnbauer raus!», und gegen Vaduz siegte man zehn Mal in Folge nicht. Die Stimmung unter den Anhängern ist katastrophal. 
Mein erstes Spiel wird in Vaduz sein. Das ist eine gute Gelegenheit, es zu korrigieren. Aber natürlich, der Start war nicht erwartungsgemäss verlaufen. Aber für mich zählten andere Kriterien. Es war Zeit zurückzukommen. Ich schaue positiv auf den Januar, auch wenns im Moment unruhig ist.

Aber es ist schon schwierig für Sie. Als ein Alex Frei oder ein Marco Streller zurückkamen, wussten sie: Mit dem FC Basel bin ich in der Champions League. Sie hingegen spielen hier gegen den Abstieg. 
Sicher. Das ist kein Selbstläufer.

Wie viele Offerten vom FC Basel haben Sie abgelehnt? 
Es war nie ein konkretes Angebot da, aber es wurde über Drittpersonen schon öfters vorgefühlt, ob ich es mir vorstellen könne. Aber ich habe stets ausrichten lassen, dass St. Gallen für mich die Herzensangelegenheit ist. Wenn Schweiz, dann St. Gallen.

Haben Sie Angst, dass es Ihnen geht wie Ludovic Magnin, der beim FCZ gar nicht mehr auf Touren kam? 
Nein. Wenn ich jetzt schon Angst hätte, dass etwas schief geht, würde ich etwas falsch machen.

Wie gehts Ihrem Knie, das Sie mehrfach operieren mussten? 
Gut. Ich musste vor ein paar Wochen ein Mal aussetzen nach einem Schlag. Aber es war auch eine sehr lange Saison, sie ging fast acht Monate ohne Sommerpause. Die Pause wird mir und meinem Körper gut tun.

Am Mittwoch beginnen die Playoffs mit einem K.o.-Spiel. Wenn Sie mit Philadelphia verlieren, haben Sie schon Winterpause. 
Ja. Aber ich denke nur an ein Weiterkommen.

Haben Sie diese Saison schon ein St. Gallen-Spiel gesehen? 
Nein, das ist schwierig hier. Ich verfolge die Partien im Live-Ticker und die Zusammenfassungen.

Was wissen Sie über Trainer Joe Zinnbauer? 
Ich habe ihn einmal getroffen im letzten Jahr. Auf mich machte er einen sehr positiven Eindruck. Aber es ist in diesem Geschäft einfach so: Wenns nicht läuft, sind die Fans in erster Linie mit dem Trainer unzufrieden.

Im Zuge des Wechsels haben Sie nie mit Zinnbauer gesprochen? 
Nein. Aktuell nicht. Vor einigen Monaten haben wir mal geredet. Er war mitten in der Meisterschaft, ich auch. Da war keine Dringlichkeit, mit dem Trainer zu sprechen.

Welche Spieler kennen Sie noch persönlich? 
Lopar, weil er aus der Region ist. Bunjaku aus der Nati. Und mit Haggui spielte ich bei Leverkusen.

Sie waren sogar bei ihm in Tunesien im Urlaub. 
Ich war dort in Tunis in den Ferien, habe ihn nicht direkt besucht. Er war gerade auch da und wir trafen uns. Es war ungeplant.

Welche Betreuer kennen Sie noch aus Ihrer Zeit bis 2004? 
Mit Stephan Oberli spielte ich damals zusammen in der ersten Mannschaft. Jetzt ist er als Masseur wieder da. Oder U21-Trainer Hakan Yakin, mit dem ich es in der Nati immer gut hatte.

Er sagte, Sie könnten zu ihm kommen, wenns nicht mehr reicht. 
Das habe ich gelesen, aber vorerst versuche ich es also schon noch bei den Profis ... (lacht). Auf solche Begegnungen freue ich mich wahnsinnig. Auf Leute, mit denen ich gemeinsame Erinnerungen von früher teilen kann.

Zum Beispiel das 3:11 am 3.11. im Jahr 2003 auswärts beim kleinen Nachbarn FC Wil. 
Zum Beispiel. Kaum hatte das Spiel begonnen, flankte ich und der Ball landete im Tor zur Führung. Da dachte ich noch, das werde unser Tag. Und dann wurde es ein historischer Tag. Aber nicht für uns ...

Sie sind teils Captain bei Philadelphia. Auch in St. Gallen? 
Keine Ahnung, darüber haben wir noch nicht geredet.

Toko wurde als Neuzugang gleich Captain. Wenn er Ihnen als Ostschweizer Idol und Identifikationsfigur die Binde überliesse, wäre das nichts als logisch. 
Grundsätzlich wäre das eine Ehre, natürlich. Aber wenns am Anfang nicht so ist, wäre das auch nicht dramatisch. Ich war nie einer, der in der Kabine rumbrüllte, sondern versuchte stets, anders Verantwortung zu übernehmen. Wenn du neu in eine Mannschaft kommst, musst du dich eingliedern und im Training vorangehen. Du kannst Missstände auch ohne Binde ansprechen.

Wie lange spielen Sie noch? 
So lange es geht. Ich habe bis 2019 unterschrieben. Ich fühle mich gut, aber im Profi-Bereich weisst du nie, wie lange dein Körper durchhält.

Was ist mit St. Gallen möglich? 
Die Region hat riesiges Potenzial von der Euphorie her. Wenns läuft, kann diese Mannschaft mit diesen Fans vieles erreichen. Ohne konkret von internationalem Geschäft oder Titeln zu reden.

Das Thema Nati ist für Sie abgeschlossen? 
Daran verschwende ich keinen Gedanken. Ich habe genug andere Aufgaben erst zu erfüllen, wenn ich zurückkomme.

Wie ist das Niveau in den USA? 
Es muss sich nicht vor jenem in der Schweiz verstecken – den FC Basel ausgenommen. Das Tempo ist ähnlich, die Taktik ist nicht so ausgeprägt. Die Kinder wachsen nicht so auf wie bei uns, wo sie taktisch früh geschult werden. Viele versuchen erst noch andere Sportarten aus. Aber für die ­Zuschauer ist es attraktiv: Es geht rauf und runter, es gibt viele ­Torchancen. Aber für einen ­Trainer oder für Spieler wie mich, die anderes gewohnt sind, ist das nicht so toll ...

Die Trainingsintensität ist tiefer, oder? 
Vergangene Saison haben wir weniger trainiert. In der zweiten Saison bekamen wir einen neuen Sportdirektor. Der setzte zweimal in der Woche Krafttraining an und zwei Einheiten pro Tag. Da habe ich mehr trainiert als je zuvor in meiner Karriere, weil ich sonst ja immer international unterwegs war und man mehr dosiert.

Was nehmen Sie vom Land mit? 
Neu waren die riesigen Distanzen. Sechs Stunden Flug für ein Auswärtsspiel, das kannte ich nicht. Schön war, dass ich viele verschiedene Städte kennenlernen durfte. Und der Druck ist schon nicht so da, es ist alles entspannter. Die Fans wollen, dass du gewinnst. Aber im Stadion wird nie gepfiffen, die Stimmung ist immer positiv.

Da kommt aber in St. Gallen wieder etwas auf Sie zu ... 
Ja, aber ich bin mir das ja auch gewohnt. Ob bei Frankfurt oder Schalke, da wars auch heissblütig.

Welche Hobbys haben Sie in Amerika begonnen? 
Ich habe mit Golf angefangen. Aber ich kanns nicht ... (lacht) In der Schweiz lasse ich es wohl eher wieder, weil man da ja eine Platzreife bräuchte. Es hat mich nicht so gepackt, dass ich ein neuer ­Tiger Woods werde.

Sind Sie als Single gegangen und kehren als Single zurück? 
Genau.

Wie lange lassen Sie die Haare noch wachsen? 
Ich weiss es nicht, wo der Weg hingeht ... (lacht) Wir werden sehen, vielleicht laufe ich in St. Gallen wieder mit kurzer Frisur auf.

Hatten Sie Olma-Würste in Philly? 
Im Sommer hatte ich manchmal welche. Aber ich habe den Vorrat aufgebraucht.

Am Sonntag endet die Olma. Gehen Sie nächstes Jahr? 
Ja. Nach einem Sieg im Olma-Spiel.

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