17 Spiele, 16 Siege und dazu zuletzt ein Unentschieden. René Weiler hat mit dem ägyptischen Spitzenklub Al Ahly in der Meisterschaft und in der afrikanischen Champions League eine phänomenale Serie hingelegt.
Aber jetzt sind auch in der 25-Millionen-Metropole Kairo die Lichter ausgegangen. Die Meisterschaft ist unterbrochen, der Trainingsbetrieb eingestellt. Und Weiler sitzt in seinem Hotelzimmer und harrt der Dinge. «Das Hotel hat 400 Zimmer. Aber im Frühstücksraum sind wir mittlerweile noch rund zehn Personen. Einige gestrandete Manager und ich», sagt Weiler.
Weit weg von der Familie daheim in der Schweiz und mit der nagenden Ungewissheit im Hotelzimmer. Fällt einem da nicht die Decke auf den Kopf? «Nein. Zwar ist es auch in Kairo wahnsinnig ruhig geworden. Und ab 19 Uhr gibt es eine Ausgangssperre. Aber ich habe hier ein Fitnessstudio, ich arbeite am Laptop, lese viel und kommuniziere mit Leuten. Nein, mir wird es nicht langweilig. Es gibt schlimmere Schicksale», sagt Weiler.
Natürlich, der Stillstand im Sport und auch im ägyptischen Fussball stoppt eine beispiellose Erfolgsphase. Al Ahly dominiert die Meisterschaft nach Belieben, der Titelgewinn ist Formsache. Sofern die Meisterschaft beendet wird. Und auch in der Champions League reiht Al Ahly Erfolg an Erfolg und steht im Halbfinal. Noch kein Trainer ist in der Geschichte dieses riesigen Klubs so erfolgreich in eine Saison gestartet.
Ist er der neue Pharao von Kairo? Wird er mit der Senfte durch die Stadt getragen? «Ach was», wiegelt Weiler ab. «Klar spürt man die Begeisterung und auch den Rückhalt im Verein. Aber die Euphorie bewegt mich eher weniger. Und mit dieser Corona-Krise ist auch hier der Fussball in den Hintergrund gerückt.»
Aber klar ist, dass sich Weiler für die weitere Zukunft viel Goodwill geschaffen hat. Das ist in einem Land, in dem Geduld nicht zu den Kerntugenden gehört, enorm wichtig. Von 18 Klubs haben 14 in dieser Saison bereits den Trainer gewechselt. Hire and Fire gehört zur ägyptischen Liga. Auch Al Ahly hat in den letzten Jahren jede Saison zwei bis drei verschiedene Trainer gehabt.
Doch jetzt ist auch für ihn Geduld gefragt. Er wäre in der Länderspielpause heim zu seiner Familie in die Schweiz geflogen. Das geht jetzt nicht. «Bis zum 4. April ist mal alles gestoppt. Am Sonntag gibt es weitere Sitzungen, dann wird besprochen, wie es mittelfristig weitergeht», sagt Weiler. Ihm bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten. Und zu hoffen, dass man vielleicht ohne Publikum weiterspielt. «Dabei geht es mir nicht darum, ob wir den Titel gewinnen oder nicht. Aber wenn alle Spieler gesund sind, dann könnte doch gerade der Fussball in diesen schwierigen Zeiten auch etwas Hoffnung und Ablenkung geben», so Weiler.
Ansonsten, das weiss auch er, wird er noch eine ganze Weile hinter seinem Laptop im Hotelzimmer sitzen. «Dann mache ich das Beste aus der Situation. An Optimismus fehlt es mir nicht.»