In Milanello, dem Trainings-Center der AC Milan, kickt Mattia Desole als 17-Jähriger mit Weltstars wie Ibrahimovic, Gattuso, Pirlo oder Zambrotta.
Zwei Jahre zuvor verliess er seine Patchwork-Familie, in der auch die beiden damaligen GC-Profis Frank und Rolf Feltscher lebten. «Ich hatte Angebote aus verschiedenen Ländern.» Der Links-Verteidiger heuert bei Inter Mailand an, zwei Jahre später wechselt er zu Milan.
«Mit 15 allein in der Fremde, das brachte mich als Mensch weiter», sagt Desole.
Der ehemalige Captain der Schweizer U17-Nati sitzt in einem Winterthurer Büro-Komplex am Schreibtisch. Am Telefon bringt der 23-Jährige für Personalvermittler Bellini Baufachkräfte an den Mann. Und am Wochenende spielt das einstige Riesentalent beim Winterthurer 2.-Ligisten Phönix Seen – in der fünfthöchsten Liga. «Aus Plausch.» Die Gegner heissen Greifensee und Wiesendangen statt Juve oder Roma.
Wie kams zum frühen Karriere-Knick? Desole: «Ich wurde mit 19 Vater. Das Kind war nicht geplant, aber wir waren überglücklich.» Einen Monat vor der Geburt heiratet Mattia seine Cristina. Justin wird im März 4, sein kleiner Bruder Liam kam vor vier Monaten zur Welt.
Desole: «Ich bin ein sehr realistischer Mensch. Es reichte für mich wohl nicht für nach ganz oben. Und ich wollte nicht in der Challenge League rumgurken. Ich musste Verantwortung für meine junge Familie übernehmen. Als Fussballer hast du ein Schoggi-Leben. Heute stehe ich um sechs Uhr auf.»
Nach einem Jahr bei Chiasso wechselt Desole zu Rapperswil-Jona. Als Ungelernter («ich setzte mit 15 alles auf die Karte Fussball») beginnt er in einem Call-Center zu arbeiten. Zürich United, Freienbach und jetzt Phönix Seen sind seine weiteren fussballerischen Stationen. «Ich will mir jetzt im Berufsleben etwas aufbauen. Und ich denke, ich bin in zehn Jahren weiter als mancher Profi, der mit 35 seine Karriere beendet.»
Reue wegen der verpassten Karriere? «Nein, ich bereue nichts.»
Von seinen U17-Kollegen spielt Berat Djimsiti bei Avellino in der Serie B, Arlind Ajeti ist bei Serie-A-Klub Torino meist Ersatz. Nur Nati-Verteidiger Silvan Widmer, Stammspieler bei Udinese und auf dem Sprung zu einem Italo-Top-Klub, hats wirklich gepackt. Desole: «Silvan hat eine Riesen-Entwicklung gemacht.» Neid? «Nein, Neid gehört nicht zu meiner Persönlichkeit. Es ist keine Schande, wenn man es nicht schafft.»