Beim FC St. Gallen ist man stinksauer auf Fabio Daprelà. Der Lugano-Verteidiger streckt Cédric Itten mit einem Brutalo-Foul nieder, sodass Kreuz- und Innenband reissen. «Das war Kung-Fu, volle Absicht», wettert Alain Sutter. Doch auch Schiri Lionel Tschudi kriegt sein Fett ab, weil er nicht mal Foul pfeift. «Er hat seinen Job nicht gemacht. An ihm ist es, die Spieler zu schützen.» Tschudi sagt: «Ich habe einen grossen Fehler gemacht und das tut mir weh!»
Auch wenn ein Pfiff und eine Rote Karte nichts an Ittens Verletzung geändert hätten, der 29-jährige Schiri hat Mühe mit dem Einschlafen. «Ein Spieler hat sich schwer verletzt, und ich habe das Spiel geleitet. Da trage ich auch die Verantwortung.»
Jetzt ist Tschudi der Schiri, der ein Horror-Foul übersah. «Keiner ist gerne der Buhmann. Aber wenn man zu Recht angegriffen wird, ist es noch schwieriger», sagt Tschudi.
«Fehler gehören dazu, ohne wird man nicht erwachsen»
Er ist Buhmann und Bösewicht. Eine Rolle, die sein Vater bestens kennt. Gilles Tschudi ist es quasi von Berufes wegen. Die ganze Schweiz kennt den 61-jährigen Schauspieler – unter anderem durch seine Rolle als Bösewicht Michael Frick in der TV-Soap Lüthi und Blanc (1999 bis 2007). Gilles Tschudi: «Bösewichte sind in Film und Theater die spannenderen Figuren, sie faszinieren die Menschen mehr als die lieben.»
Den Fehler seines Sohnes hat der Fussballfan natürlich mitgekriegt. Gilles Tschudi sagt: «Fehler gehören dazu. Ohne wird man nicht erwachsen, bleibt man immer Kind.» Er ist sich sicher, dass sein Kind die Kritik wegstecken wird. «Lionel ist selbstbewusst genug. Es ist toll, dass er sofort zu seinem Fehler stehen konnte, das war als Bub noch nicht so...»
«Wer vom Pferd fällt, sollte sofort wieder aufsitzen»
Ein Schiedsrichter müsse, wie übrigens auch ein Schauspieler, mit Kritik umgehen können, sagt der berühmte Papa. «Da wird man nun mal regelmässig kritisiert oder sogar angeschnauzt. Wer das nicht ertragen kann, ist am falschen Ort.» Dass Lionel am falschen Ort sein könnte – für den Papa unvorstellbar. Dass sein Spross auch Schiedsrichter werden könnte, habe sich schon früh abgezeichnet. Gilles lacht und sagt: «Als er selber noch Fussball spielte, hat er schnell einmal alle anderen umher dirigiert und ist selber kaum gerannt...»
Eine Pause nach dem Fehler? Braucht Tschudi nicht. «Wer vom Pferd fällt, sollte sofort wieder aufsitzen», sagt er. Gestern leitet er bereits wieder die Partie zwischen Servette und Kriens in der Challenge League.
Sein Vater Gilles ist übrigens Fussballfan. Sitzt er jedoch im Stadion und pfeift sein Sohn, schaut er vorwiegend dem Schiri zu. «Ich finde, Lionel macht das gut.»