Foto: AFP

VAR spaltet BLICK
Ist der Video-Beweis ein Killer – oder Adrenalin pur?

Seit März 2018 ist der «Video Assistant Referee», der Video-Beweis genannt VAR, offiziell im Regelwerk der Fifa. Am Freitag wird auch in der Schweiz darüber abgestimmt. Was spricht dafür, was dagegen? Ein Pro und Contra.
Publiziert: 22.11.2018 um 13:59 Uhr
|
Aktualisiert: 20.12.2018 um 11:22 Uhr
1/8
Der Video Assistant Referee: Es gibt Gründe dafür und dawider.
Foto: AFP
Andreas Böni und Felix Bingesser
Pro: Der Video-Beweis ist Adrenalin pur!

Andreas Böni, Fussball-Chef

Die Statistik spricht Bände: Vor dem Videobeweis gab es 93 Prozent richtige Entscheidungen – mit dem Videobeweis sind es fast 99 Prozent. Das zeigte die Statistik nach 1000 untersuchten Profi-Spielen vor der WM.

Kurzum: Der Fussball wird gerechter, darüber gibt es keine Diskussion. Wer im Jahr 2018, wo wir alle mit Smartphones kommunizieren und die Digitalisierung alles und jeden betrifft, etwas anderes behauptet, ist ein Ewiggestriger.

Dabei ist entscheidend, dass der Video-Schiri nicht bei jedem Gugus eingreift, wie das zum Teil in der Bundesliga passiert ist. Sondern nur bei ganz klaren Fehlern. Wie es an der WM der Fall war, wo selbst Kritiker eingestehen mussten, dass alles recht ordentlich funktionierte. Es war ein Gewinn für den Fussball – und auch für die Spannung in der Fankurve.

Und zwar für beide Lager. Ein Beispiel: Für Fans der Mannschaft A ist es Nervenkitzel pur, wenn ein Stürmer aus abseitsverdächtiger Position alleine Richtung Torwart der Mannschaft B läuft – und die Szene erst zu Ende gespielt wird. Macht A das Tor, hofft das Fanlager von B, dass der Treffer doch noch aberkannt wird.

Es folgt sekundenlanges Hoffen und Bangen auf beiden Seiten, wenn der Schiedsrichter die Szene dann kontrolliert. Diese Verlängerung der Emotionen, sie ist fantastisch. Es ist reines Adrenalin.

Dazu kommt: Strittige 50:50-Szenen gibt es weiterhin zur Genüge. Die Diskussionen gehen dem Fussballfan nicht aus. Sie verlagern sich nur vom Schiedsrichter hin zum Video-Ref.

Andreas Böni, Fussball-Chef

Die Statistik spricht Bände: Vor dem Videobeweis gab es 93 Prozent richtige Entscheidungen – mit dem Videobeweis sind es fast 99 Prozent. Das zeigte die Statistik nach 1000 untersuchten Profi-Spielen vor der WM.

Kurzum: Der Fussball wird gerechter, darüber gibt es keine Diskussion. Wer im Jahr 2018, wo wir alle mit Smartphones kommunizieren und die Digitalisierung alles und jeden betrifft, etwas anderes behauptet, ist ein Ewiggestriger.

Dabei ist entscheidend, dass der Video-Schiri nicht bei jedem Gugus eingreift, wie das zum Teil in der Bundesliga passiert ist. Sondern nur bei ganz klaren Fehlern. Wie es an der WM der Fall war, wo selbst Kritiker eingestehen mussten, dass alles recht ordentlich funktionierte. Es war ein Gewinn für den Fussball – und auch für die Spannung in der Fankurve.

Und zwar für beide Lager. Ein Beispiel: Für Fans der Mannschaft A ist es Nervenkitzel pur, wenn ein Stürmer aus abseitsverdächtiger Position alleine Richtung Torwart der Mannschaft B läuft – und die Szene erst zu Ende gespielt wird. Macht A das Tor, hofft das Fanlager von B, dass der Treffer doch noch aberkannt wird.

Es folgt sekundenlanges Hoffen und Bangen auf beiden Seiten, wenn der Schiedsrichter die Szene dann kontrolliert. Diese Verlängerung der Emotionen, sie ist fantastisch. Es ist reines Adrenalin.

Dazu kommt: Strittige 50:50-Szenen gibt es weiterhin zur Genüge. Die Diskussionen gehen dem Fussballfan nicht aus. Sie verlagern sich nur vom Schiedsrichter hin zum Video-Ref.

Contra: Der Video-Beweis killt Spontaneität!

Felix Bingesser, Chefredaktor Sport

Der Sport, insbesondere der Fussball, lebt von Emotionen. Von der Spontaneität, von der Eruption der Freude oder der Frustration. Der Videobeweis erstickt diese Achterbahnfahrt der Gefühle. Der Spielfluss leidet, wir warten minutenlang auf eine Entscheidung. Das ist ein zu hoher Preis für eine technische Neuerung.

Mit und ohne Videobeweis gibt es Fehlentscheidungen und Ungerechtigkeiten. Mit und ohne Videobeweis wird sich das im Laufe einer Saison ausgleichen. Mit und ohne Beweis wird am Ende die beste Mannschaft Meister. Mit und ohne Videobeweis wird ein Mensch eine Situation interpretieren müssen. Statt dem Schiedsrichter auf dem Feld halt der Mann im Regieraum. Gerade Offside- und Foulspiele sind vielfach Interpretationssache. Und beim Offside drückt irgendein Techniker irgendwann auf den Knopf. Und wir schreien: Offside!

Ob es tatsächlich der Sekundenbruchteil der Ballabgabe ist, bleibt ungeklärt. Und die derzeit unsägliche Interpretation des Handspiels ist mit dem Videobeweis noch grotesker geworden.

Die Digitalisierung und Technologisierung unseres Alltags und unseres Lebens schreitet voran. Alles ist durchgestylt, überwacht, kontrolliert. Das Archaische des Sports geht in diesem Prozess immer mehr verloren.

Der Videobeweis wird nicht aufzuhalten sein. Leider. Das mag eine nostalgische Sicht der Dinge sein. Aber ist Nostalgie in diesen Zeiten so schlecht? Muss nach dem unsäglichen Kunstrasen auch der Videobeweis kommen? Und was kommt als Nächstes? Der Roboter-Torhüter?

Felix Bingesser, Chefredaktor Sport

Der Sport, insbesondere der Fussball, lebt von Emotionen. Von der Spontaneität, von der Eruption der Freude oder der Frustration. Der Videobeweis erstickt diese Achterbahnfahrt der Gefühle. Der Spielfluss leidet, wir warten minutenlang auf eine Entscheidung. Das ist ein zu hoher Preis für eine technische Neuerung.

Mit und ohne Videobeweis gibt es Fehlentscheidungen und Ungerechtigkeiten. Mit und ohne Videobeweis wird sich das im Laufe einer Saison ausgleichen. Mit und ohne Beweis wird am Ende die beste Mannschaft Meister. Mit und ohne Videobeweis wird ein Mensch eine Situation interpretieren müssen. Statt dem Schiedsrichter auf dem Feld halt der Mann im Regieraum. Gerade Offside- und Foulspiele sind vielfach Interpretationssache. Und beim Offside drückt irgendein Techniker irgendwann auf den Knopf. Und wir schreien: Offside!

Ob es tatsächlich der Sekundenbruchteil der Ballabgabe ist, bleibt ungeklärt. Und die derzeit unsägliche Interpretation des Handspiels ist mit dem Videobeweis noch grotesker geworden.

Die Digitalisierung und Technologisierung unseres Alltags und unseres Lebens schreitet voran. Alles ist durchgestylt, überwacht, kontrolliert. Das Archaische des Sports geht in diesem Prozess immer mehr verloren.

Der Videobeweis wird nicht aufzuhalten sein. Leider. Das mag eine nostalgische Sicht der Dinge sein. Aber ist Nostalgie in diesen Zeiten so schlecht? Muss nach dem unsäglichen Kunstrasen auch der Videobeweis kommen? Und was kommt als Nächstes? Der Roboter-Torhüter?

So funktionert der Video-Beweis

Der Video Assistant Referee (VAR) kam zuerst im holländischen Cup (ab September 2016) zum Einsatz. Erstmals im Fokus der Weltöffentlichkeit stand er am Confed-Cup im Juni 2017.  Die Video-Refs überschauen alle TV-Kameras und sind dazu berechtigt, in vier Situationen einzugreifen: Tor, Elfmeter, Platzverweis (nicht Gelb-Rot) und Spielerverwechslung.

Falls eine Schiri-Entscheidung nach Intervention des VAR untersucht wird, sehen sie auch die Fans im Stadion auf den Grossbildschirmen. Der Ref auf dem Platz muss sich die Szene nicht zwingend noch einmal ansehen, kann das aber in jedem Fall tun. Er wird einen Monitor am Spielfeldrand zur Verfügung haben. Der «Platzschiedsrichter» hat in jedem Fall das letzte Wort.

Massimo Busacca, Chef Schiedsrichterwesen bei der Fifa: «VAR bedeutet keine totale Perfektion, es kann weiter Fehleinschätzungen geben. Hinter dem Bildschirm sitzt immer noch ein Mensch. VAR gibt dir aber die Möglichkeit grobe Fehler zu korrigieren. In den 64 WM-Spielen in Russland wurden 455 VAR-Checks gemacht. Am Ende waren 99,35 % aller Schiedsrichter-Entscheidungen mit Hilfe der Technologie richtig. 95 % aller Entscheidungen waren richtig auch ohne die Hilfe des VAR. Diese vier Prozent machen den Fussball gerechter.»

Der Video Assistant Referee (VAR) kam zuerst im holländischen Cup (ab September 2016) zum Einsatz. Erstmals im Fokus der Weltöffentlichkeit stand er am Confed-Cup im Juni 2017.  Die Video-Refs überschauen alle TV-Kameras und sind dazu berechtigt, in vier Situationen einzugreifen: Tor, Elfmeter, Platzverweis (nicht Gelb-Rot) und Spielerverwechslung.

Falls eine Schiri-Entscheidung nach Intervention des VAR untersucht wird, sehen sie auch die Fans im Stadion auf den Grossbildschirmen. Der Ref auf dem Platz muss sich die Szene nicht zwingend noch einmal ansehen, kann das aber in jedem Fall tun. Er wird einen Monitor am Spielfeldrand zur Verfügung haben. Der «Platzschiedsrichter» hat in jedem Fall das letzte Wort.

Massimo Busacca, Chef Schiedsrichterwesen bei der Fifa: «VAR bedeutet keine totale Perfektion, es kann weiter Fehleinschätzungen geben. Hinter dem Bildschirm sitzt immer noch ein Mensch. VAR gibt dir aber die Möglichkeit grobe Fehler zu korrigieren. In den 64 WM-Spielen in Russland wurden 455 VAR-Checks gemacht. Am Ende waren 99,35 % aller Schiedsrichter-Entscheidungen mit Hilfe der Technologie richtig. 95 % aller Entscheidungen waren richtig auch ohne die Hilfe des VAR. Diese vier Prozent machen den Fussball gerechter.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?