Nein, ein Herz und eine Seele werden die 20 Klubs der Swiss Football League nicht sein, wenn sich deren Vertreter am 29. Mai mit der Spitze der Liga trifft, um über die Zukunft des Schweizer Profifussballs zu beraten. Im Gegenteil: In den letzten Tagen gaben die Klubs ein Bild grosser Zerstrittenheit und einen Eindruck von Unversöhnlichkeit ab.
Da sind jene, die unter allen Umständen die Meisterschaft fortführen wollen, mit YB, Servette und den meisten Challenge-League-Klubs an der Spitze. Mittlerweile zählen auch der FCB und der FCZ zu dieser Fraktion. Dann sind da jene, die – im wahren Sinn der Worte gehauen oder gestochen – abbrechen wollen, nämlich die Abstiegskandidaten Sion, Lugano und Xamax. Die dritte Fraktion ist jene, die unbedingt eine 12er-Liga will. Hier hat Challenge-Leader Lausanne-Sport das Zepter in die Hand genommen, treu gefolgt von Sion und Lugano.
Und dann ist da die Ligaspitze, die sich vehement sowohl gegen einen Abbruch der Meisterschaft wie auch gegen die 12er-Liga- stemmt. Letzte Woche hat sie sich einen Maulkorb umgehängt und öffentlich nicht Stellung bezogen zum bevorstehenden Massaker unter den Klubs. Denn für die Liga geht es am 29. Mai um sehr viel.
Die Organisation «lebt» vor allem von den TV-Geldern und Marketingeinnahmen. Die Löhne der Angestellten werden grösstenteils über diese Gelder bezahlt. Wird die Saison abgebrochen, fliessen diese Gelder für die letzten 13 Spiele nicht, also für mehr als einen Drittel der Saison. Das sagt Claudia Lässer, Leiterin Sport bei Rechteinhaber Teleclub, zwar nicht explizit, aber sie lässt es durchblicken: «Es ist klar, dass auch wir in diesem Fall unsere Interessen werden wahren müssen.»
Schweizer Pionierrolle?
Sagen die Klubvertreter Ja zur Weiterführung der Meisterschaft ab 19. Juni, wäre die Schweiz Pionierland. Sie wäre europaweit das erste Land, das ein Weiterspielen über den ominösen 30. Juni hinaus beschliessen würde. Also über das Datum hinaus, an welchem die zu Ende gehenden Spielerverträge gemeinhin auslaufen. Die Bundesliga-Saison wird dann zu Ende sein. Für die einen wie YB-Sportchef Christoph Spycher stellt das kein grosses Problem dar. «Es braucht Lösungen mit den beteiligten Parteien, also mit den Spielern und im Fall von Leihverträgen mit den Besitzerklubs. Diese Gespräche nehmen wir auf, damit die Verträge entsprechend verlängert werden können.»
Ganz anders siehts Christian Constantin. Für den streitlustigen Sion-Präsidenten stellte ein Spielen über den 30. Juni hinaus ein unüberwindbares Hindernis dar. Sein Standpunkt: «Das Wettbewerbsrecht würde verletzt, weil man dann die Saison nicht mehr mit denselben Parametern zu Ende spielt wie zuvor. Die Chancengleichheit wäre nicht mehr gewährleistet, weil einige Klubs mehr auslaufende Verträge haben als andere.»
Ein juristisches Gutachten dazu hat er allen Klubs bereits zukommen lassen. Nun tut CC das, was er so oft tut: Er droht mit dem Gang vor die Gerichte. Diese Drohung schwebt wie ein Damoklesschwert über den Entscheidungen vom 29. Mai.
Allerdings: Sollten die Gerichte keine superprovisorische Massnahme mit einem Verbot der Wiederaufnahme der Meisterschaft verfügen, würde CC kuschen und dennoch spielen lassen. Trotz der nun fehlenden fünf Stars (Johan Djourou, Xavier Kouassi, Alex Song, Seydou Doumbia und Christian Zock), die CC wegen der Kurzarbeitsaffäre fristlos entlassen hat.
Kommt die 12er-Liga?
Eine weitere Möglichkeit, dass Sion die Gerichte nicht bemüht: Die Klubs beschliessen die sofortige Aufstockung der Super League auf 12 Mannschaften. Dann wäre das Abstiegsgespenst verscheucht. Egal, ob weitergespielt wird oder nicht. Und da zeigt sich, wie «tricky» das Abstimmungsprozedere am 29. Mai sein wird: Über welches Begehren wird zuerst entschieden? Stimmen Super und Challenge League separat ab? Servette zum Beispiel ist nur für eine Aufstockung, wenn die Saison abgebrochen wird. Andernfalls würde man in Genf Nein stimmen. Die eine Entscheidung hängt direkt von der anderen ab. Das SFL-Komitee beschliesst die Modalitäten.
Lausanne siegessicher
Initiant Lausanne glaubt, 15 Stimmen für eine Reform gewinnen zu können. Das scheint mittlerweile zu optimistisch zu sein, wie die Recherchen von SonntagsBlick ergeben haben. Zu viele Hindernisse stellen sich einer sofortigen Aufstockung in den Weg. Zum einen empfinden einige Klubbosse es als antidemokratische Zwängerei, das fast identische Begehren nur fünf Wochen nach der Ablehnung der 12er-Liga auf die Saison 2021/22 hin erneut aufs Tapet zu bringen. Damals hatte die Abstimmung 10 zu 10 geendet.
Nur waren am 23. April zwei Dinge fundamental anders: Damals hätte es eine Zweidrittelmehrheit gebraucht, weil die Anzahl SFL-Klubs von 20 auf 22 erhöht worden wäre.
Und man konnte über einen Modus abstimmen. Das war der ungeliebte schottische Modus (33 plus 5 Spiele), der zum Beispiel für YB ein Ding der Unmöglichkeit ist. Diesmal bleibt die Anzahl Teams gleich, nur würden sie anders verteilt: 12 Mannschaften in der Super, 8 in der Challenge League. Weshalb eine einfache Mehrheit reicht. Also ist das Ding mit elf Ja-Stimmen gegessen. Aber eine Challenge League mit nur acht Klubs? Der FC Winterthur zum Beispiel ist dagegen, weil «der Vorschlag der Anfang vom Ende der Challenge League ist und der Wegbereiter für eine geschlossene Liga – und damit das Ende diverser Traditionsvereine, die in der Challenge League gut leben konnten». Ähnlich tönt es von Multimillionär Vartan Sirmakes, Präsident von Stade-Lausanne-Ouchy.
Klubs werden finanziell zunehmend schwächer
Die Liga ihrerseits ist vehement gegen eine Aufstockung. Weil die sich ergebenden Terminprobleme absolut unlösbar seien. Weil
TV-Rechteinhaber Teleclub auch dagegen ist und 44 Spiele gar nicht stemmen könnte, würde es vier Vollrunden geben. Und weil ein Modus erst noch erarbeitet werden müsste, weshalb eine Abstimmung ohne Modus ein No-Go sei. Und, und, und.
Showdown also am 29. Mai. Irgendwo in Bern. Wo, ist geheime Kommandosuche. Die Liga will verhindern, dass der Tagungsort von Medienvertretern überflutet wird. Sicher ist nur eines: Egal, wie die Abstimmungen ausgehen. Ausgestanden wird die Sache auch danach längst nicht sein. Nur schon, weil sich bereits jetzt Geisterspiele für das ganze Jahr 2020 abzeichnen und die Klubs finanziell dadurch schwächer und schwächer werden würden.
PS: Zwei Tage vor der ausserordentlichen Generalversammlung der Swiss Football League muss der Bundesrat das definitive Okay für eine Meisterschaft mit Geisterspielen geben. Doch das ist nur noch Formsache, weil die Exekutive im Grundsatz eine Saison-Fortsetzung bereits erlaubt hat, sogar auf den 8. Juni, weshalb viele Klubs bereits wieder voll im Training sind und die sinkenden Fallzahlen eine Umkehr vom gefällten Entscheid verunmöglichen.