Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Was beim FCZ hinter diesem Akt der Verzweiflung steckt

Der Transfer von Benjamin Mendy ist auch dem Geschäftsmodell geschuldet. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 13:44 Uhr
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Aktualisiert: 13:53 Uhr
Benjamin Mendy – äusserst umstrittener Neuzugang beim FCZ.
Foto: Pius Koller

Der Transfer von Weltmeister Benjamin Mendy beschert dem FC Zürich erneut kontroverse Schlagzeilen, in deren Würgegriff sich der Stadtklub seit Saisonbeginn befindet. Ein unzimperlicher Trainer, der junge Spieler ein- und gleich wieder auswechselt und mit grimmigem Blick und harter Hand seine Führungsprinzipien der 80er-Jahre praktiziert. Ein Schirmwurf eines Spielervaters Richtung Trainer? Nulltoleranz. Da wird durchgegriffen.

Bei einem Spieler, der wegen Vergewaltigungsvorwürfen fünf Monate im Gefängnis sass und der das Konzept der propagierten Nachwuchsförderung geradezu karikiert, gibt es mehr Toleranz.

Unabhängig von der aktuell aufgeheizten Diskussion kam die «Neue Zürcher Zeitung» schon im letzten Dezember zum Schluss: «So kracht der Klub an die Wand. Der FCZ zelebriert Selbstgerechtigkeit und verweigert sich berechtigter Kritik. Der Klub muss endlich Verantwortung übernehmen.» Die «NZZ» steht nicht im Verdacht, vorschnell die ganz schrillen Töne auszupacken.

Die moralische Debatte im Fall Mendy ist das eine. Warum der Klub in dieser imagemässig eh schon schwierigen Phase zusätzlich ein Risiko eingeht, ist die andere Frage. Eine gewisse Orientierungslosigkeit und Strategieohnmacht hat mittlerweile System im Schweizer Fussball. In einer Liga, die im europäischen Vergleich zuletzt erschreckend an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst hat.

Transfererlöse! Transfererlöse! Transfererlöse!

Auf der Suche nach einer Antwort für solche der Reputation nicht förderlichen Transfers landet man schnell bei der Wirtschaftlichkeit. Eigentlich gibt es in der Super League nur noch zwei Geschäftsmodelle. Zum einen die Klubs mit ausländischen Investoren, in deren Konstrukt die Vereine zu einem Puzzleteil in einem globalen Konstrukt werden. Und dann die «Schweizer Klubs», zu denen der FCZ gehört. Und bei denen das strukturelle Defizit nicht einfach einer amerikanischen Konzernbuchhaltung in Rechnung gestellt werden kann. Und gerade dort, wo ehemalige Vermittler und Spielerberater am Drücker sind, gibt es nur noch einen mantraartig und verzweifelt ausgerufenen Lösungsansatz: Transfererlöse! Transfererlöse! Transfererlöse!

So wird transferiert, was das Zeug hält. Aber weil die Liga an Attraktivität verliert und das Scoutingsystem der europäischen Grossklubs jedes Talent in jedem Winkel der Erde schon als Teenager rekrutiert, muss man als Schweizer Klub erfinderisch sein. Man strapaziert das Prinzip Hoffnung, holt Spieler mit längerer Verletzungsgeschichte, holt Spieler mit disziplinarisch schwieriger Vergangenheit. Oder Spieler mit zweifelhaftem Leumund und justiziabler Vita. 

In der Not frisst der Teufel auch Fliegen. Und hofft, dass denen in der Schweiz wieder grosse Flügel wachsen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der moralisch sehr fragwürdige Transfer von Benjamin Mendy vor allem eins:

Ein der Wirtschaftlichkeit geschuldeter Akt der Verzweiflung.

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