Zwei Siege, zwei Unentschieden und eine Niederlage auf der grossen Bühne haben die Schweiz in einen kollektiven Freudentaumel gestürzt. Der Vorstoss in die Viertelfinals der Fussball-EM ist zwar nicht die angestrebte Krönung einer hoch veranlagten Spielergeneration. Aber ein mutiger und offensiver Spielstil kann im Unterhaltungsgeschäft Fussball wichtiger sein als das nackte Resultat.
Die Überzeugung im Land nach den Feierwochen: Lieber mit spielbestimmenden Auftritten im Viertelfinal ausscheiden als mit Rumpelfussball in einen Halbfinal einziehen. Nach dem Motto: Wer alles gibt, kann nie ein Verlierer sein.
Selbst medial herrscht in der Nachbetrachtung eine schon fast beängstigende Kuschelrhetorik. Murat Yakin ist im Eilzugstempo vom umstrittenen Coach zum Taktikfuchs und zum Liebling der Nation geworden. So schnell geht das im Fussball.
Zweifel an der freundschaftlichen Trennung
Auch der Rücktritt von Xherdan Shaqiri (nur einige Monate älter als Granit Xhaka) ist in Watte gepackt. Ist der Rücktritt des talentiertesten Offensivspielers der letzten Jahre tatsächlich die vorgegaukelte Trennung in Freundschaft? Zweifel sind angebracht.
Könnte es auch sein, dass hier einer frustriert und ernüchtert den Bettel hinschmeisst? Warum hat Shaqiri diesen Schritt nicht mit dem Verband abgesprochen und eine Medienkonferenz organisieren lassen? Dass sich so ein verdienstvoller Spieler nach so einer Karriere mit einer Kurzmitteilung auf Instagram verabschiedet, lässt Raum für Spekulationen.
Und Fragen. Der Nati-Delegierte Pierluigi Tami hat im letzten Herbst schon den Zwist Yakin/Xhaka miserabel moderiert. Oder eben gar nicht moderiert. Hat er auch im Fall Shaqiri wieder ein Nickerchen gemacht und die Brisanz dieser Personalie unterschätzt? Hätte mit mehr Sensibilität und Wertschätzung gegenüber Shaqiri dieses frühzeitige Ende nicht verhindert werden können? Welche Rolle hat Murat Yakin dabei gespielt?
Kritische Fragen gibt es nicht, Partycrasher will im Moment niemand sein. Dann reiten wir noch auf ein wenig auf der Welle der Begeisterung.
Keine harmonische Super League nach EM-Euphorie
Bald feiern wir wieder den Geburtstag unseres Landes. Dann werden die Politikerinnen und Politiker wieder mit von Pathos geschwängerten Stimmen den Zusammenhalt der Schweiz beschwören.
Dabei haben die besten 1.-August-Feiern tatsächlich bereits stattgefunden. Im Stadion, im Public Viewing, in den Festzelten. Quer durch alle Schichten und alle Kulturen. Ein gewisser Nationalstolz wird bei fussballerischen Grossanlässen mittlerweile unverkrampfter und spontaner zum Ausdruck gebracht als beim Brunch auf dem Bauernhof.
Ist diese Harmonie nachhaltig? Kann die einigende Begeisterung der letzten Wochen in die Super League transportiert werden? Die Erfahrung sagt: eher nein.
Zu befürchten ist, dass diejenigen, die sich im roten Dress beim Public Viewing in den Armen lagen, beim Hochrisikospiel Zürich gegen Basel wieder die Fäuste fliegen lassen. Und diejenigen, die sich gegenseitig nach dem Triumph gegen Italien zugeprostet haben, schiessen dann wieder Pyros auf die Freunde von gestern.
Nach dem Sonntagsgesicht wird man da und dort wieder die hässliche Fratze der «Fans» sehen.
Leider.