Es ist ein flimmernd heisser Juli-Abend im österreichischen Bundesland Kärnten. In St. Veit an der Glan wird in der Unterliga Ost die Saison eröffnet. St. Veit empfängt die SGA Sirnitz zum Spiel der fünfthöchsten Liga. Sirnitz ist ein Dorf mit 300 Einwohnern. Der prominenteste Sirnitzer heisst Martin Hinteregger.
«Hinti», wie sie ihn in der Heimat rufen, hat eine grosse Fussballkarriere gemacht. Und gehört bis zum letzten Mai zu den kampfstärksten Abwehrspielern Europas. Er gewinnt mit Eintracht Frankfurt die Europa League, er ist der Abwehrchef der österreichischen Nationalmannschaft.
Aber jetzt hat er seinen fürstlich dotierten Vertrag zurückgegeben. Er hat die Schnauze voll vom Profifussball. Im besten Fussballalter (29) und mit glänzenden Perspektiven, noch viele Millionen zu verdienen, wirft er alles hin.
Seine Geschichte erinnert an den Song «I will wieder hoam» der österreichischen Band S.T.S. Das Lied erzählt von einem, der auszieht, um die Welt zu erobern. Aber von Heimweh geplagt nur noch zurück in die Heimat will.
Er wolle, sagt Hinteregger, wieder ein Kärntner Bua sein. Mit seinen Kumpels Fussball spielen und dann Bier trinken. Und auf die Jagd gehen.
«Ich bin läuferisch auf dem Nullpunkt»
Hinteregger war nie der geschliffene Vorzeigeprofi. Seine direkte, kernige, mitunter etwas ungehobelte Art hat nie in dieses medial inszenierte Millionenschauspiel gepasst. Bis vor wenigen Jahren hat er noch ein uraltes Klapphandy. Weil er damit keine Whatsapp empfangen kann, drängt ihn der Klub zu einem neueren Modell.
In St. Veit hat die Freiwillige Feuerwehr an diesem Abend ein Festzelt aufgestellt. Das Bier fliesst in Strömen. Hinteregger, als Captain und Stürmer aufgestellt, zerreisst keine grossen Stricke. Sein Klub verliert 0:3. «Ich habe jetzt fast drei Monate wie ein Rentner gelebt. Und bin läuferisch auf dem Nullpunkt. Das wird nach ein paar Trainings schon noch besser», sagt er nach dem Spiel.
Sein Entschluss, dem Profifussball den Rücken zu kehren, ist endgültig gereift, nachdem er in Deutschland in die Schlagzeilen geraten war. Einem Sponsor des von ihm organisierten Jugendturniers «Hinti-Cup» werden Kontakte zur rechten Szene nachgesagt. Der lokale FPÖ-Politiker widerspricht diesen Vorwürfen, und Hinteregger beteuert, keine Ahnung von solchen Verstrickungen zu haben.
Über einen Rückzug aus dem Profifussball hat er schon vorher nachgedacht. Wohlgefühlt hat er sich in dieser Scheinwelt nie. Jetzt steht er nach dem Spiel auf dem Feld, gibt jedem der 2000 Zuschauer ein Autogramm, steht für Selfies zur Verfügung und verschwindet dann in den Katakomben. «Ich habe mich jahrelang nicht mehr so glücklich gefühlt wie jetzt», sagt er.
Und er hofft, dass er nie wieder Interviews geben muss. «Ich möchte wieder meine Ruhe haben.»
In Sirnitz, bei seiner Familie, seinen Freunden, auf der Jagd und am Wochenende auf den Plätzen der Kärntner Unterliga Ost. Bei der SGA Sirnitz, deren Kader dank «Hinti» derzeit einen Marktwert von 9 Millionen hat.
Das ist Platz 8 in ganz Österreich.