Turnierboss Martin Kallen dementiert Gerüchte
«Die Fussball-EM 2021 steigt sicher – notfalls ohne Fans»

Die Gerüchte sind ausser Kontrolle! Findet die Fussball-EM nur in zehn, fünf oder gar nur in einem Land statt? Für Turnierboss Martin Kallen ist klar: Die Euro steigt programmgemäss. Stand jetzt in zwölf Städten. Und wenn möglich mit Fans. Wie das? Der Berner erklärts.
Publiziert: 21.01.2021 um 16:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2021 um 11:22 Uhr
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Martin Kallen bei seiner letzten Euro in Paris 2016.
Foto: Alain Kunz
Alain Kunz

BLICK: Martin Kallen, sind Sie im Homeoffice?
Martin Kallen: Beides. Wenn es geht, bleibe ich zu Hause. Dann und wann bin ich im Büro. Aber die meisten Leute bei der Uefa sind im Homeoffice. Von 600 bis 700 Personen sind jeweils bloss 20 bis 30 in Nyon. Es finden vor Ort wirklich nur noch Sitzungen der Direktion statt, die man nicht als Videokonferenz abhalten kann. Ich habe derzeit den gesamten Parkplatz für mich alleine. Und weil wir drei Gebäude haben, trifft man auf niemanden.

Was steht derzeit an?
Die Euro. Die Finals von Champions und Europa League. Juniorenturniere. Im Februar gehts bereits wieder los mit den Spielen. Permanent Gespräche mit Klubs und Verbänden. Anreise der Teams. Trainingszentren. Akkreditierungen. Kommunikation. Medizinische Massnahmen. Mit den zwölf Städten sind wir Volldampf in Kontakt, um die Spiele durchzuziehen. Die lokalen Organisationskomitees laufen auf Volltouren!

Es gibt immer mehr Stimmen, die sagen, es sei derzeit undenkbar eine Euro quer über Europa verteilt in zwölf Ländern steigen zu lassen.
Wir sind voll auf Kurs! Wir haben mit den zwölf Städten angeschaut, wie wir die Partien spielen können. Das einzige, was wir nicht hundertprozentig wissen: Werden wir mit Fans spielen können oder nicht? Wir rechnen aber mal damit, mit Fans spielen zu können.

Im August haben Sie in der «NZZ» gesagt: Die Zeit drängt, wir haben fast keinen Spielraum mehr. Jetzt ist Januar. Es bleiben keine fünf Monate mehr bis zum Eröffnungsspiel. Dafür tönen Sie heute extrem relaxed.
Seither haben wir ja auch viel gearbeitet! Nochmals: Städte und Stadien sind bereit. Das einzige Fragezeichen sind die Zuschauer.

In der aktuellen Lage sind Zuschauer undenkbar. Und bis zum EM-Start Anfang Juni ist ein Durchimpfen völlig unrealistisch.
Spielen kann man aber auf jeden Fall. Das haben wir in den letzten Monaten in der Champions, Europa und Nations League gezeigt. Da haben wir die Spiele mit ganz wenigen Ausnahmen durchziehen können. Und das in ganz Europa, nicht nur in zwölf Ländern.

Wie sehen die Fan-Szenarien aus?
Die reichen von vollen Stadien bis zu null, wie heute gespielt wird. Dazwischen liegen die Szenarien bei 25 Prozent wie beim Supercup-Finale in Budapest 2020 und bei 50 Prozent oder mehr. Alle natürlich Corona-tauglich. Unser Ziel ist ganz klar mehr als 50 Prozent!

Aber Fans, die in Europa herumreisen, scheint nicht mal ansatzweise vorstellbar.
Auch da gibts Szenarien. Wenn das so bleibt, könnten die Fans halt nur lokale und keine internationalen sein. Aber wir wollen den Anhängern der einzelnen Nationalmannschaften wenn immer möglich die Gelegenheit geben, ihre Teams live im Stadion zu erleben.

Gibt es unter den zwölf Austragungsstädten Problemfälle?
Wenn wir eine oder zwei Städte weglassen müssten, wäre das kein Problem. Diesen Fall haben wir durchdekliniert. Im Moment ist das kein Thema.

Es kann aber sehr schnell gehen. In London, das wegen seiner Vielzahl an erstklassigen Stadien immer im Fokus steht und auch Finalstadt ist, könnte derzeit wegen der Virusmutation kaum gespielt werden – oder?
Ohne Zuschauer kann man derzeit auch dort spielen. Die Premier League spielt ja auch. Da sehe ich kein Problem.

Gibt es auch sogenannte Bubble-Szenarien analog der Champions- und Europa-League-Finalrunden in Lissabon und dem Ruhrpott?
Nein. Das geht für eine Europameisterschaft mit 24 Mannschaften nicht.

Ist eine Impflicht für die Teams ein Thema für die Uefa?
Wir haben das auch schon diskutiert. Aber es ist noch zu früh dafür. Die nächsten Wochen zeigen, in welche Richtung es geht. Das Thema Impfen wird in den Ländern ohnehin verschieden gehandhabt. Grundsätzlich begrüssen wir als Event-Organisator Impfungen, weil sie mithelfen, eines Tages die Stadien wieder zu füllen.

Und ein Impfpass für Fans?
Es ist nicht an der Uefa, das zu entscheiden. Ein Veranstalter eines Einzel-Events mag das verfügen können, wir nicht.

Kann eine Totalabsage drohen, wenn sich die Lage weiter verschlechtert?
Wir haben diesmal keine Termine, um die Euro nachzuholen. Also steht das nicht auf unserer Agenda.

Ebenso eine Verschiebung in den Herbst, wie die WM 2022, wenn auch aus anderen Gründen?
Auch das lässt der Kalender nicht zu. Unmöglich.

Heisst also: Die Euro steigt sicher! Im Bedarfsfall ohne Fans und in ein paar Städten weniger.
So ist es. Aber nochmals: Im Moment gehen wir ganz klar von allen zwölf Städten aus.

Persönlich

Martin Kallen (57) ist seit 2015 CEO Uefa Events SA. Und so auch Turnierdirektor der Euro. Die Euro 2021 wird die fünfte Europameisterschaft sein, die er auf die Beine stellt. Es soll die letzte sein. Die erste, jene in Portugal 2004, musste er in 22 Monaten aus dem Boden stampfen. Er kommt aus Frutigen BE, ist gelernter Betriebsdisponent und studierte später Betriebsökonomie. Er arbeitet seit 1994 für die Uefa. Kallen ist Fan von YB, unterstützt als Oberländer aber auch den FC Thun. Er kickte bis 17 beim FC Frutigen und geht regelmässig joggen.

Martin Kallen (57) ist seit 2015 CEO Uefa Events SA. Und so auch Turnierdirektor der Euro. Die Euro 2021 wird die fünfte Europameisterschaft sein, die er auf die Beine stellt. Es soll die letzte sein. Die erste, jene in Portugal 2004, musste er in 22 Monaten aus dem Boden stampfen. Er kommt aus Frutigen BE, ist gelernter Betriebsdisponent und studierte später Betriebsökonomie. Er arbeitet seit 1994 für die Uefa. Kallen ist Fan von YB, unterstützt als Oberländer aber auch den FC Thun. Er kickte bis 17 beim FC Frutigen und geht regelmässig joggen.

Die Verschiebung von 2020 auf 2021 hat mehrere hundert Millionen Franken gekostet und sie mussten die Reserven anknabbern, haben Sie letzten August gesagt. Was würde eine Durchführung mit null Fans und allenfalls in einer reduzierten Anzahl Städte kosten?
Der Aufwand bliebe derselbe. Allerdings hätten wir dann keine Ticket- und Hospitality-Einnahmen. Es würden 2,5 Millionen Tickets wegfallen. Das wäre happig.

Das wären erneut mehrere hundert Millionen Franken. Könnte sich die Uefa das leisten?
Es ist nicht die Frage, ob wir uns das leisten könnten. Es wäre das Einzige, was wir machen könnten. Es würde uns wehtun, so wie es dem FCZ oder YB wehtut.

Nehmen wir das Lauberhorn-Rennen. Am Sonntag die Zusage des Kantons Bern. Am Montag dann die Absage eines der wichtigsten Sportevents der Schweiz. Flösst Ihnen das nicht Angst ein?
Wir hatten mehr Angst vor der Durchführung der Champions- und Europa-League-Finals im Sommer, weil da alles neu war. Die Schutzkonzepte, das Testen, die Kommunikation. Das war alles Neuland. Mittlerweile wissen wir, wie das geht. Wir haben nicht ganz hundert Prozent Kontrolle über unsere Anlässe, aber annähernd. Die FIS hat das bei weitem nicht. Aber klar: So etwas kann immer passieren. Wir hätten dann die Möglichkeit in eine andere Stadt zu gehen, Wengen hatte das nicht. Das Lauberhorn in Kitzbühel ist nicht das Lauberhorn. Bei einem Fussballspiel ohne Fans hingegen ist es nicht so entscheidend, wo es steigt.

Sie wirken wie immer enorm ruhig. Ihr Leitmotto ist nach wie vor: «Wenn es schwierig wird, blühe ich auf. Ich liebe Probleme!» Sie wären der perfekte Mister Corona…
Stimmt, ich habe es gerne, wenn es gilt anzupacken. Aber Corona? Da mische ich mich nicht ein…

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