YB-Legende Jean-Marie Conz (66)
«Ich spielte mit Salafisten Fussball!»

YB-Legende Jean-Marie Conz (66) erzählt Anekdoten aus seinem Leben. Und auch, weshalb er fast ein Moslem geworden wäre.
Publiziert: 09.07.2020 um 21:22 Uhr
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3. August 1986, Bern: YB-Captain Jean-Marie Conz stemmt den Pokal hoch. YB besiegte im Schweizer Supercup den FC Sion mit 3:1.
Foto: Blicksport/Eddy Risch
Michael Wegmann

Jean-Marie Conz, Ihr Profilbild auf whatsapp ziert eine schwarzhaarige Puppe im YB-Dress der 80er-Jahre. Soll diese Sie darstellen?
Jean-Marie Conz: Ja. Ein Souvenir, welches ich von einem YB-Fan bekommen habe.

Viele Experten sind überzeugt, dass YB den dritten Titel in Serie holt. Sie als ehemaliger YB-Meister-Captain auch?
Ich hoffe es. Aber sicher bin ich mir gar nicht. St. Gallen ist hungrig, spielt kreativ, schnell und vertikal. Keine Frage: St. Gallen hat auch das Zeug zum Meister.

Sie schauen sich die Spiele an?
Ja, klar. Ich liebe den Fussball – egal ob Champions-League, Serie A, Super League oder auch regionale Drittliga-Spiele.

Seit einem Jahr sind Sie pensioniert. Wo sind Sie zurzeit?
In unserem Haus in Senigallia. Dieses Städtchen liegt zwischen Rimini und Ancona an der Adriaküste. Meine Frau ist Italienerin, wir haben hier unseren Zweitwohnsitz.

Sie waren während des Lockdowns in Italien?
Nein, wir waren in der Schweiz. Aber zwei Tage nachdem die Grenzen wieder offen waren, sind wir hergefahren. Über den Sommer sind wir immer für zwei Monate hier, das Klima ist wunderbar. Im Winter ist mir die Luftfeuchtigkeit aber zu hoch so direkt am Meer.

Und wie ist es in Italien nach der Corona-Pandemie?
Das Leben ist nicht mehr dasselbe wie davor. Und mit der Situation in der Schweiz ist es auch nicht vergleichbar. Viele Menschen hier haben Angst. Sie haben ihre Arbeit verloren, kein Geld mehr. Hinzu kommt, dass die italienische Regierung schon viele leere Versprechen abgegeben hat. Ich rede viel mit den Menschen, kenne viele schon lange. Was sie zu erzählen haben, ist traurig. Zum Glück wird jetzt aber in Italien wieder Fussball gespielt.

Warum?
Plötzlich redet nicht mehr jeder nur über Corona, sondern wieder über Tore, Fouls, Siege und Schiedsrichterpfiffe. Die Menschen sind von einem Tag auf den anderen zufriedener. Man merkt, wie der Fussball ihnen wieder Hoffnung gibt.

Und man merkt auch, dass Sie bei der Fifa gearbeitet haben. Sie vergleichen Fussball mit Medizin.
Das ist auch so. Medizin für die Psyche. Hier in Italien mit Sicherheit. Die Menschen lieben den Fussball, viele schwärmen und leiden ihr ganzes Leben mit einem Klub. Aber eigentlich lieben die Menschen auf der ganzen Welt den Fussball.

Sie arbeiteten auch acht Jahre als Trainer in Saudi Arabien. Man hört, Sie hätten da auch einmal die Woche mit Salafisten Fussball gespielt. Stimmt das?
Ich war in Saudi Arabien U17- und U19-Nationaltrainer, coachte die Olympia-Auswahl, für drei Spiele die A-Nati. Ich bin ein offener Typ, gehe auf die Menschen zu. Ich habe dabei viele nette Menschen kennengelernt. Irgendwann wurde ich von Verbandskollegen angefragt, ob ich Lust hätte, einmal in der Woche Fussball zu spielen. Klar hatte ich Lust; und so spielten wir jeweils am Montagabend. Es waren immer mal wieder andere Männer dabei. Danach sassen wir zusammen, haben gegessen und geredet. Einige dieser Männer könnten schon Salafisten gewesen sein. Aber das war mir auch egal.

Warum?
Wir spielten Fussball und sassen danach zusammen. Klar, habe ich einige Male gehört: «Jean-Marie, du bist sehr nett und wir haben dich gern. Aber du bist kein Muslim!» Einige haben bei den Diskussionen schon extreme Standpunkte vertreten.

Und was taten Sie?
Ich habe zugehört und manchmal gelächelt. Es war teilweise schon sehr interessant zu hören, wie sie übers Leben dachten. Aber ich habe nie politisiert. Ich war in Saudi Arabien, um zu arbeiten. Ich war Fussballtrainer und spielte zum Plausch Fussball, ich war nicht Politiker. Ich habe mich den Bedingungen angepasst und bin damit gut gefahren.

Sie sagten, es hätten einige extreme Positionen vertreten. Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Nein, das kann ich nicht. Aber man hat mir immer wieder nahegelegt, dass ich Moslem werden solle.

Und wie haben Sie reagiert?
Ich habe geantwortet: «Vielleicht.» Oder: «Wir werden sehen...» Und dann habe ich über andere Dinge geredet. Ich wollte niemanden vor den Kopf stossen, bin immer diplomatisch geblieben.

Sind Sie gläubig?
Ja, ich bin Katholik. Meine Frau hat sogar 35 Jahre lang Religionsunterricht gegeben. Aber wissen Sie, der Fussball bringt Menschen der verschiedensten Länder, Religionen und Ethnien zusammen. Ich bin der Meinung, dass man Fussball und Politik trennen muss. Damit bin ich schon 1973 gut gefahren, als ich zu YB gewechselt bin. Damals gab es wegen meines Wechsels ja fast einen Aufstand.

Warum?
Weil ich von Pruntrut aus nicht zu Xamax, Lausanne oder Servette gegangen bin, sondern zu YB in die Hauptstadt gewechselt habe. Es war die Zeit des Jurakonflikts, als sich die französischsprachigen Jurassier von Bern lösen und selbstständig sein wollten. Mit meinem Wechsel nach Bern hatten die Berner kein Problem, die Jurassier dafür ein grosses. Für sie war ich ein Verräter.

Und weshalb sind Sie dennoch zu YB gegangen?
Eigentlich war mein Wechsel von Pruntrut zu Xamax ja schon fix. Gilbert Facchinetti hat mir bereits die Wohnung gezeigt. Ich hätte am Samstag unterschreiben sollen, doch dann ist der damalige YB-Trainer Kurt Linder wegen mir mit einem Kleinflugzeug von Bern nach Pruntrut geflogen. Extra für mich, für einen 20-jährigen Jurassier. Das hat mir schon sehr grossen Eindruck gemacht. Und er hat mich auch im Gespräch überzeugt, so dass ich mich kurz vor Transferschluss für YB entschieden habe. Und es war ja auch die richtige Entscheidung, wie sich schnell herausstellte: Schon im ersten Spiel nach meinem Wechsel habe ich gespielt, der Gegner war der FCZ mit Superstar Köbi Kuhn. Später wurde ich Captain bei YB und sogar Meister. Es ging um Fussball, die Politik war mir egal.

Politik interessiert Sie nicht?
Doch. Im Gegenteil. Ich gehe auch regelmässig wählen und abstimmen. Aber ich bin in keiner Partei. Ich informiere mich und gehe abstimmen. Mal eher rechts, mal eher links. Es gibt Leute, die würden jetzt sagen, ich hätte deshalb kein Rückgrat.

Und was würden Sie darauf antworten?
Nichts. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Für mich passt es so. Und wissen Sie, was damals nach meinem Wechsel zu YB passiert ist?

Nein.
Unter anderem wegen mir sind mit der Zeit immer mehr Menschen aus Pruntrut und dem ganzen französischsprachigen Jura YB-Fans geworden. Und sie sind es bis heute geblieben. Die politische Gesinnung war plötzlich vergessen.

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