YB-Coach vor Spitzenkampf im Interview
Darum schottet Seoane sein Privatleben komplett ab

Gerardo Seoane (41) ist einer der talentiertesten Trainer der Super League. Im Interview spricht er über den Spitzenkampf Basel gegen YB, die Europa League und wieso man von ihm als Privatperson kaum etwas weiss.
Publiziert: 01.12.2019 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2019 um 12:31 Uhr
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Gerardo Seoane ist einer der talentiertesten Trainer der Super League.
Foto: Andrea Brunner
Alain Kunz

BLICK: Gerry, man kennt den Trainer Seoane wohl einigermassen. Den Menschen dahinter aber praktisch nicht. Warum ist das so?
Gerardo Seoane:
Ich kann das nicht beurteilen, falls die Leute das so sagen. Klar ist: Ich versuche, Privatsphäre und Beruf zu trennen. Ich bin YB-Trainer. Das zählt.

Haben Sie nicht die Idee, sich ein bisschen mehr zu öffnen? Zum Beispiel mit einer Homestory über Ihre Partnerin und Ihre beiden Kinder?
(Lacht.) Nein. Meine Hauptauf­gabe als Trainer ist es, meinen Teil dazu beizutragen, dass die Mannschaft Leistung bringt. Dafür soll ich wahrgenommen werden. Und dafür soll ich auch in der Kritik stehen – positiv oder negativ.

Sind Sie dickhäutig?
Ich versuche, so ausgeglichen wie möglich zu sein ... Aber in der Hitze des Gefechts kann es schon vorkommen, dass man dünnhäutig wird. Mein Ziel ist es, in jeder Situation souverän zu bleiben. Ich glaube, bis jetzt ist mir das recht gut gelungen.

Das Spiel gegen Basel ist am ersten Adventstag. Was bedeutet Ihnen der Advent?
Für alle, die Kinder haben wie ich, ist es eine spezielle Zeit. Mit allem, was dazugehört – wie «Guetzli» backen, Geschenke und so. Die Kinder werden unruhig, freuen sich auf Weihnachten. Es ist eine besinnliche Zeit, in der Gefühle hochkommen wie Dankbarkeit oder Solidarität mit anderen.

Es gab mal eine Story über Sie in einem Magazin, in welcher Sie als schwierig dargestellt wurden, weil Sie zu Ihrer Zeit als Spieler von La Coruña ein «asiduo a la noche», also ein Nachtschwärmer, gewesen sein sollen.
Das hat jemand ohne Stellungnahme von mir geschrieben. Ich sehe nicht, weshalb ich jetzt Stellung dazu beziehen sollte, zumal es sich auf alte Zeiten bezieht.

Sie bevorzugen einen Konsensweg, ist das auch ein Weg weg von Egoismus?
Dieser Job bringt es mit sich, dass man in einer Führungsposition ist. Man muss Menschen führen, sie auf gemeinsame Ziele einschwören und begeistern. Die Spieler, den Staff. Neben dem Taktisch-Technisch-Konditionellen habe ich mich auf dem Weg in die Super League auch mit dieser Rolle beschäftigt. Das wird einem nicht in die Wiege gelegt. Es gehört zur Führungskompetenz, dass man diese Soft Skills so einsetzt, dass alle in die gleiche Richtung gehen.

Soft Skills?
Dass es Geduld braucht, Verständnis. Dass es nicht nur richtig oder falsch gibt, sondern ein Entwicklungsprozess stattfindet. Dass man als Trainer in der heutigen Zeit stark mit der menschlichen Komponente arbeiten muss, dass man eine Beziehung aufbaut mit den Spielern. Dass man die Spieler anders angeht, als ich als Spieler angegangen wurde.

Wie muss man sie angehen?
Die Spieler müssen nachvollziehen können, was der Trainer macht, warum er etwas macht. Spieler funktionieren auch oft lösungs­orientiert. Man soll ihnen die Lösungen aufzeigen.

Wo ist die Grenze, wenn Sie sagen, okay, der ist einfach mal auf der Bank, ohne das gross zu kommunizieren.
Wenn einer regelmässig Ersatz­spieler ist, herrscht mehr Erklärungsbedarf. Da muss man einem Spieler auch mal Mut zusprechen, damit einer durchhält, damit er weiss, woran er arbeiten muss. Es muss generell eine Stimmung der Lockerheit da sein, dass sich der Einzelne wohlfühlt, die Mannschaft sich wohlfühlt. Das sind gebildete Spieler, die einem auf Augenhöhe begegnen. Da braucht es einen Zugang zu ihnen. Man kann in diesem Bereich nicht genug leisten. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben als Trainer.

Gerardo Seoane

Gerardo Seoane wird am 30. Oktober 1978 in Luzern geboren. Als Junior ist er bei Rothenburg, geht dann zu Luzern. 1997 verlässt er die Innerschweizer Richtung Sion, wechselt dann zu La Coruña, wo er nur in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommt. Über Bellinzona, Aarau und GC landet er wieder beim FCL, wo er nach der Karriere Juniorentrainer wird. Im ersten Halbjahr in der Super League ist er so gut, dass YB ihn 2018 abwirbt. In der ersten Saison wird er gleich Meister.

Gerardo Seoane wird am 30. Oktober 1978 in Luzern geboren. Als Junior ist er bei Rothenburg, geht dann zu Luzern. 1997 verlässt er die Innerschweizer Richtung Sion, wechselt dann zu La Coruña, wo er nur in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommt. Über Bellinzona, Aarau und GC landet er wieder beim FCL, wo er nach der Karriere Juniorentrainer wird. Im ersten Halbjahr in der Super League ist er so gut, dass YB ihn 2018 abwirbt. In der ersten Saison wird er gleich Meister.

Früher war das Wort Wohlfühl­oase im Zusammenhang mit den Young Boys negativ kon­notiert. Nun ist es plötzlich der entscheidende Faktor für die grossen Erfolge?
Man darf das nicht verwechseln. Das bedeutet nicht Ferien, entspannen, nichts machen. Wir versuchen, eine Struktur hinzubringen, dass sich die Spieler schnell inte­grieren und schnell wohlfühlen. Dass sie Wertschätzung erhalten, Hilfsbereitschaft erfahren und auf gute Umgangsformen stossen. Danach sind wir sehr fordernd. Die Ansprüche auf dem Platz sind die höchstmöglichen. Wir sind überzeugt, dass man eine schnellere und bessere Entwicklung macht, wenn man sich wohlfühlt, Spass hat, man gerne zur Arbeit kommt.

Wieso eifern denn so viele, nicht nur im Fussball, dieser Maxime nicht nach?
Was die anderen machen, kann ich nicht beurteilen. Ich bin von diesem Weg absolut überzeugt! Das ist ein wichtiger Baustein der positiven Entwicklung von YB.

Die dazu geführt hat, dass YB jetzt keine Problemspieler mehr hat …
So ist es nicht. Es gibt immer wieder Spieler, die ein bisschen aus dem Rahmen fallen. Wir wollen ohnehin Spieler mit starker Per­sönlichkeit. Das Verständnis dafür, dass wir nicht alle gleich anschauen, herrscht schon. Wichtig ist, dass alle verstehen, dass wir alles für die Mannschaft machen.

Sagt Ihnen das Datum 10. August 2016 etwas?
Nein, warum?

Weil an diesem Tag der FC Basel YB zuletzt in einem Spiel geschlagen hat, in dem es um etwas ging! Der FCB muss ein YB-Trauma haben …
Das glaube ich nicht. Der FCB hat Selbstvertrauen und befindet sich auf einem guten Weg. Da erinnert sich wahrscheinlich niemand mehr an dieses Datum.

Wie sehen Sie die beiden Teams im Moment? Auf Augenhöhe?
Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Basel hat sich stabilisiert, die Automatismen beginnen zu greifen. Wir hatten einen Umbruch, verloren einige Leistungsträger. Aber es ist uns gelungen, die neuen Spieler gut zu integrieren. Wir sind dann von einer unglaublichen Verletzungsplage herausgefordert worden. Aber auch wir sind gut unterwegs. Beide Teams sind sehr eng beieinander.

Die Bedeutung des Spiels am Sonntag ist gewaltig! Weil YB nach der letzten Runde vier Punkte Vorsprung hat. Mit einem Sieg am Sonntag wären es sieben. Das ist dann nicht mehr so eng ...
Das Spiel findet in der 16. Runde statt, danach verbleiben noch 20 Spiele. Von einer Vorentscheidung kann keine Rede sein.

Aber es droht, aus der Sicht des neutralen Betrachters, dasselbe Szenario wie letzte Saison. YB zieht weg – und irgendwann einsam seine Kreise.
Solche Gedanken sind uns fern. Wir wissen sehr genau, wie viel es für jeden Sieg braucht. Und die letzte Saison war eine Saison der Rekorde. Sie kann nicht der Massstab sein.

Sie sind jetzt in Ihrer dritten Saison als Cheftrainer. Marcel Koller in seiner 23.
Das ist gewaltig!

Was sagt Ihnen das?
Dass er ein Trainer mit viel Kompetenz und Qualität ist, der den Fussball aus dem Effeff kennt. Dass er sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat. Er ist ganz sicher nicht mehr derselbe Trainer wie 1996.

Im 25. Heimspiel hat es YB gegen Porto erstmals nach über einem Jahr wieder erwischt. War Ihnen bewusst, wie lange diese Serie angedauert hat?
Nein, daran haben wir nie gedacht. Es ist aber wohl so, dass jede Niederlage noch mehr schmerzt, wenn man selten verliert.

Nun droht das Vorrunden-Out in der Europa League. YB muss in Glasgow gegen die Rangers gewinnen. Es wäre nach dem Verpassen der Champions League die zweite herbe Enttäuschung in diesem Halbjahr ...
Wir gehen nicht mit dieser Denkweise an die Aufgabe heran. Wir sehen das Spiel in Glasgow viel mehr als tolle Herausforderung und einen weiteren wichtigen Schritt in der Entwicklung unserer Mannschaft.

Haben Sie als Cheftrainer oft Kontakt mit dem CEO der Young Boys?
Wir haben relativ wenig Berührungspunkte, weil wir in verschiedenen Abteilungen tätig sind.

Wie haben Sie den Unfall von Geschäftsführer Wanja Greuel mitbekommen?
Es hat uns alle schockiert und zum Nachdenken gebracht. Zum Glück ist es so glimpflich ausgegangen.

Inwiefern zum Nachdenken gebracht?
Nein. Dass man dankbar sein muss für jeden Tag, dass man das Leben schätzt. Dass man Freude haben soll am Job und jedem Tag mit einem Lächeln begegnen soll.

Auch wenn Hassplakate vor Ihrem Haus aufgehängt werden wie vor zwei Jahren nach Ihrem Abgang beim FC Luzern?
In der Schweiz herrscht Meinungsfreiheit. Ich verstehe die Emotionen der Fans. Fussball besteht aus Emotionen. Deshalb reagiert man bei Toren, Niederlagen, Trainerwechseln, Transfers etc. Aber die Privatsphäre sollte respektiert werden. Da ist man einen Schritt zu weit gegangen.

Sie sind geschieden und in einer Beziehung ...
… ja. Aber das ist, wie gesagt, Privatsphäre.

Sie leben in Hergiswil NW und im Raum Bern. Ihr ehemaliger Erzfeind Rolf Fringer, der damalige FCL-Trainer, lebt auch in Hergiswil. Gehen Sie heute ab und zu mit ihm einen Kaffee trinken?
Wir haben ein ganz normales Verhältnis und sind sicher nicht Erzfeinde. Diese Geschichte ist längst vorbei. Rolf ist TV-Experte. Ich halte Experten bei den Spielen für sehr wichtig, weil sie andere Sichtweisen auf den Fussball haben. Rolf hat grosse Erfahrung, hat viel erlebt. Wir begegnen uns sehr entspannt und sind mit uns im Reinen.

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