Wer könnte als Vorbild dienen?
Wie andere Ligen mit Fangewalt umgehen

Am Samstag empfängt der FCZ GC zum ersten von zwei Zürcher Derbys innert vier Tagen. Nach Auseinandersetzungen bei den letzten Aufeinandertreffen gibts Forderungen nach härteren Massnahmen. Was könnte man von anderen Ligen Europas abschauen? Ein Blick über die Grenzen.
Publiziert: 27.11.2024 um 19:52 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2024 um 20:01 Uhr
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Wo könnte man sich Vorgehen zur Eindämmung von Fangewalt abschauen?
Foto: Claudio Thoma/freshfocus
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Nicolas HorniSportredaktor

Immer wieder kommt es im Rahmen von Schweizer Fussballspielen zu Auseinandersetzungen. Besonders in Zürich scheinen sich Vorfälle zuletzt gehäuft zu haben. Gleichzeitig zeigt die Statistik: Generell nehmen gewalttätige Ereignisse rund um Fussballspiele ab. Der Dialog zwischen Fans, Vereinen und Behörden – wie ihn etwa FCZ-Präsident Ancillo Canepa oder zuletzt die Liga forderte – könnte seine Wirkung zeigen.

Und doch fordern Teile der Bevölkerung und politische Hardliner härtere Massnahmen – oft mit Verweis auf andere Länder. Wie zielführend sind diese Ansätze wirklich?

England: Vorbild mit vielen Schattenseiten

England wird von Repressionsbefürwortern oftmals als Vorreiter im Kampf gegen die unerwünschten Auswüchse der Fankultur genannt. Strenge Stadionüberwachung, Alkoholverbote und zahlreiche Stadionverbote haben die einst so überbordende Fan- und Hooligan-Kultur der 80er und 90er Jahren eingedämmt.

Jedoch hat dies seinen Preis: Die Stimmung in den Stadien der gentrifizierten englischen Beletage ist schlecht. Dazu kommt, dass sich beinahe im Wochentakt Anhänger kleiner Klubs wie Reading, Millwall, Bristol oder Cardiff Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans oder der Polizei liefern. Die Gewalt hat sich also hauptsächlich in tieferen Liegen abseits des glitzernden Rampenlichts der Premier League verschoben. Zudem wurden 2023 so viele Massnahmen gegen gewalttätige Fans verhängt, wie seit über zehn Jahren nicht mehr.

Deutschland: Gute Ansätze, verhärtete Fronten

Fast jedes Wochenende geraten in Deutschland Fussballfans mit den Behörden aneinander. Wie letztes Wochenende, als es vor dem Gästesektor in Wolfsburg zu Problemen beim Einlass und dann zu einer Auseinandersetzung zwischen der Polizei und Anhängern von Union Berlin mit letztlich neun Verletzten kam.

Für solche Fälle forderte der bayerische Innenminister an einer Sportministerkonferenz zuletzt Fussball-Schnellgerichte, Kollektivstrafen, Geisterspiele und personalisierte Tickets. Beschlossen wurden diese nicht – stattdessen bleiben die Klubs, Fanvertreter und Behörden wohl beim runden Tisch.

Und dieser – auch in der Schweiz in ähnlicher Form vorhanden – steht im Zusammenhang mit einer Abnahme von Verletzten. In der Saison 23/24 wurden 1'338 Personen im Rahmen eines Fussballspiels verletzt – von insgesamt 25,49 Millionen Fans. Das sind 0,00525 Prozent. Vor zehn Jahren gab es bei 20,7 Millionen Fans noch 1'588 Verletzte.

Klar ist aber auch: Jeder Verletzte ist einer zu viel. So ist es derzeit auch höchst unsicher, ob die Behörden auf die Forderung der Vereinigung von Fanhilfen eingehen, die den Abzug von Spezialeinheiten bei Spielen und ein deeskalierendes Auftreten fordern.

Österreich: Dialog mit punktuellen Strafen

Ein Blick über die östliche Landesgrenze zeigt: Auch Österreich hat eine lebendige und vielfältige Fankultur. Egal ob mit dem Austria Lustenau direkt an der Schweizer Grenze oder mit den Grossklubs Sturm Graz, Austria Wien oder dem ASK Linz weiter östlich.

Im Falle von Ausschreitungen liegt der Fokus unseres östlichen Nachbars wie hierzulande auf Dialog und Einzeltäterverfolgung. Grössere Vorfälle wie beim Wiener Derby im September werden mit Kollektivstrafen geahndet. So finden nach brutalen Ausschreitungen Ende September die nächsten vier Derbys ohne Gästefans statt.

Griechenland: Härte ohne langfristige Wirkung

Griechenland kämpft schon seit Jahren mit Ausschreitungen. Die Regierung hat grosse Mühe, die heissblütigen Anhänger der vielen – gerade im Grossraum Athen versammelten – Grossklubs im Zaum zu halten. Immer wieder versuchten sich die Behörden mit harten Massnahmen. Personalisierte Tickets, Geisterspiele und harte (Geld-)Strafen für Klubs und Fans.

Gebracht hat das aber nur wenig. Nach zwei Todesfällen im letzten Herbst verhängten die Behörden zwei Monate lang im ganzen Land Geisterspiele. Daraufhin wurden Gesetze verschärft und in allen Stadien der höchsten Liga hochauflösende Kameras installiert. Seit dem Frühling erhält man zudem die Matchtickets auf einer App, damit die Identifizierung der im Stadion anwesenden Fans vereinfacht wird.

Die harten Massnahmen seit den beiden Todesfällen scheinen sich zumindest vorübergehend auszuzahlen. Die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Anhänger der Klubs wie Panathinaikos, AEK, PAOK oder Olympiakos geben sich aktuell deutlich gemässigter.

Dänemark: Mehr Dialog – mit einem heissen Derby-Problem

Auch im Norden wird auf Dialog gesetzt. Eine grosse Ausnahme bilden jedoch die heissen Aufeinandertreffen zwischen dem FC Kopenhagen und Bröndby, die häufig ohne Gästefans stattfinden.

Ansonsten wird in Dänemark mehrheitlich auf die pauschale Bestrafung oder etwa personalisierte Tickets verzichtet. Dafür setzt man oftmals auf den Dialog mit den aktiven Fanszenen. So versuchte sich Dänemark als erstes europäisches Land mit der Legalisierung respektive Adaptierung kalter Pyrotechnik. Durchgesetzt hat sich dies bislang jedoch noch nicht.

Italien: Wenig Probleme in, dafür viele vor den Stadien

Wer sich in Italien ein Fussballspiel zu Gemüte führen will, ist gut beraten, eine ID mitzunehmen. Die Tickets werden personalisiert ausgestellt. In den Stadien ist es mittlerweile meist ruhig – abgesehen von immer wieder vorkommenden rassistischen Beleidigungen gegenüber Spielern.

Weil Fans vermehrt mit Privatautos und nicht mit Extrazug oder Cars anreisen, hat die Polizei mehr Mühe, die grosse Masse zu kontrollieren und Fanlager zu trennen. So kommt es vermehrt zu Gewalt auf den An- und Abfahrtswegen der Stadien.

Im Frühjahr 2023 kam es etwa zu einer Massenschlägerei zwischen Lazio- und Napoli-Fans auf einer Autobahn. Unvergessen auch die üblen Szenen im März 2023, als Frankfurt-Fans, Polizei und Heimfans in der Innenstadt von Neapel aufeinander losgingen – obwohl gar keine Gästefans im Stadion zugelassen waren.

Spanien: Nulltoleranz und Rassismus

Hier ist die Fan- und Ultrakultur weniger verbreitet, als in Mitteleuropa. An Auswärtsspiele zu reisen, ist weniger en vogue. So kommt es weniger zu Ausschreitungen. Alle paar Monate gibt es sie trotzdem – bei denen teils auch Messer und andere Waffen bei den Fans gefunden werden.

Dass es grundsätzlich eher ruhig ist, hat auch mit dem Vorgehen der spanischen Polizei zu tun. So setzt die spanische Polizei auf eine Nulltoleranz-Politik und eine teils brutale Härte – unter der auch schon viele ausländische Fans litten.

Wie auch in Italien hat Spanien mit Rassismusproblemen zu kämpfen. Trotz Verbannung wie etwa der rechtsextremen Barça-Hooligans Boixos Nois kommt es auch heute noch immer wieder zu Vorfällen.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Basel
FC Basel
15
22
28
2
FC Lugano
FC Lugano
15
9
28
3
FC Zürich
FC Zürich
15
4
26
4
Servette FC
Servette FC
15
0
25
5
FC Luzern
FC Luzern
15
4
23
6
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
15
3
23
7
FC St. Gallen
FC St. Gallen
15
6
21
8
FC Sion
FC Sion
15
-1
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
15
-5
17
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
15
-10
16
11
FC Winterthur
FC Winterthur
15
-21
12
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
15
-11
10
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