Da sind Bänke, Tische und Bäume. Ein Kinderspielplatz. Die Aussicht von der Promenade de la Treille mitten in der Genfer Altstadt ist fantastisch. Keine Frage: Diesen Ort würde man einem Touristen zeigen. Doch ist das wirklich der erste Bolzplatz von Denis Zakaria? Geteerter Boden, zwei Basketballkörbe, kein Gras, keine Tore. «Klar hatten wir Tore», sagt
Zakaria. Der 20-jährige Genfer zeigt auf zwei Bäume gegenüber. «Diese Bäume waren die Pfosten. Das andere Tor war das Bänkli, auf dem wir im Moment sitzen.»
Erinnerungen an früher kommen auf. In jeder freien Minute hätten sie hier gespielt. Sicher über zehn Stunden in der Woche. Sie, das waren sein älterer Bruder Richard und ihre gemeinsamen Freunde aus der Nachbarschaft. «Manchmal spielten wir acht gegen acht. Manchmal vier gegen vier. Je nachdem, wer halt da war. Das war eine super Zeit, immer ein Riesenspass. Ich hatte eine sehr schöne Jugend.»
13 Millionen für einen 20-Jährigen
Der Sohn einer Sudanesin und eines Kongolesen schnappt sich den Ball und jongliert. Sogar an seinem ersten Ferientag – wenige Stunden zuvor musste er noch mit der Schweizer U21 gegen Bosnien ran (1:0) – kickt er gegen den Ball. Er sagt: «Fussball macht mir immer Spass. Ist dies einmal nicht mehr der Fall, sollte ich besser was anderes machen.» Dieser Ort. Der Ball. Seine Begeisterung ist riesig.
Auch Zakarias Berater Mathieu Béda kann es nicht lassen und jongliert mit. Was der ehemalige Captain des FCZ bereits wenig später bereut. Für körperliche Betätigung bei 28 Grad sind Jeans und Hemd nicht die richtige Bekleidung.
Zakaria trägt kurze, schwarze Hosen. T-Shirt, schwarz. Ab nächster Saison wird er nicht mehr in Gelb-Schwarz für YB auflaufen, sondern in Schwarz-Weiss für Borussia Mönchengladbach. 13 Millionen Franken haben die Deutschen für den Mittelfeldspieler nach Bern überwiesen. Bonuszahlungen bei Erfolgsfall nicht eingerechnet.
Bei Servette nur auf der Bank
Viel Geld für einen 20-jährigen Schweizer, auch wenn er schon zwei Jahre Super-League-Erfahrung aufweist. Wer so viel kostet, ist kein Perspektiv-Spieler. Wer so viel kostet, sollte sofort Leistung abrufen. Verspüren Sie Druck? «Nein!», sagt Zakaria bestimmt, «ich verspüre grosse Vorfreude. Auf Gladbach, auf die Bundesliga, auf das Niveau dort. Und ich bin auch schon ein bisschen ungeduldig. Ich will zeigen, was ich kann.»
Zeigen, dass er Bundesliga kann. Dass er Super League kann, hat er bewiesen. Vor zwei Jahren hat ihn YB für 400'000 Franken von Servette verpflichtet. Bei seinem Jugendklub war er Ergänzungsspieler – zumindest bis zum Moment, als die Berner ihr Interesse deponierten. «Denis ist noch nicht so weit», liessen Sportchef Pascal Zuberbühler und Trainer Kevin Cooper ausrichten, als Béda nach den Gründen für die geringe Einsatzzeit seines Schützlings angefragt hatte.
Doch er ist viel weiter, als die Genfer Verantwortlichen meinen. In kürzester Zeit verdrängt er bei YB renommierte Konkurrenten, wird im Mittelfeld zur Nummer 1 und sogar in die Schweizer Nationalmannschaft berufen. Der ehemalige YB-Sportchef Fredy Bickel erinnert sich: «Er brauchte bei uns etwa zwei Monate, bis er sich einen Stammplatz sicherte, dann eine Saison bis zu seinem ersten Nati-Aufgebot. Seine bisherige Karriere ist ein Wahnsinn. Das Tempo, welches er vorlegt, ist horrend.»
Ziel: WM 2018
Zakaria lagen auch noch lukrativere Angebote aus der Premier League vor, der finanzstärksten Liga Europas. Er schlug sie für Gladbach aus. «Eine hervorragende Wahl», findet Bickel. Der Rapid-Sportchef prognostiziert: «Denis wird da sehr bald Stammspieler sein. Und Gladbach wird nicht sein letzter Schritt sein. Er bringt alles mit, was es braucht!»
Auch Nati-Trainer Vladimir Petkovic dürfte bald nicht mehr um Zakaria herumkommen. Immerhin durfte er schon letztes Jahr an der EM Nati-Luft schnuppern. Zakaria will sich mit dem Team für die WM 2018 in Russland qualifizieren. Und da dann regelmässig spielen. «Die Konkurrenz im Mittelfeld ist gross. Aber ich will mir einen Platz in der Nati erkämpfen», sagt er.
Jetzt spaziert er in Genf zur Rue du Perron 12. Hier ist er aufgewachsen. Beim L’Hôtel de Ville bleibt er stehen, lacht und sagt: «Nach dem Kicken hatten wir damals immer einen Riesen-Appetit. Oft haben wir dann hier gefragt, ob wir etwas zu essen bekommen. Wir haben jeweils Pommes Frites gekriegt, gratis.» Nun bestellt Zakaria Wasser ohne Kohlensäure. Im Gegensatz zu früher wird die Bestellung mit Rechnung serviert. «Ich glaube, der Wirt hat gewechselt», sagt er und lacht. Zakaria lacht viel. «Er ist ein sonniges Gemüt», sagt Béda.
Der neue Patrick Vieira
Bis zur U16 war er Stürmer bei Servette, dann bis zur U21 Innenverteidiger. Es ist diese Mischung aus Offensivdrang und defensivem Pflichtgefühl, die ihn so speziell macht. In Deutschland hat man die neue «Nr. 8» von Gladbach als neuen Patrick Vieira angekündigt. Zu verdanken hat er dies SRF-Kommentator Rainer Maria Salzgeber. Dieser verglich ihn vor einem Jahr in der «Schweizer Illustrierte» mit dem ehemaligen französischen Superstar. Zakaria lässt auch dies kalt.
So cool und abgeklärt, wie er auf dem Platz auftritt, so ist er daneben. Ihn bringt kaum was aus der Ruhe. Ihn zu beeindrucken ist schwer.
Als er vor neun Tagen bei Gladbach seinen Vertrag bis 2022 unterschreibt und danach präsentiert wird, ist er es dennoch. «Die vielen Journalisten, das grosse Interesse, das imposante Stadion. Man hat sofort gemerkt, dass der Fussball in Gladbach eine ganz grosse Sache ist», sagt er.
Dass mit Yann Sommer, Nico Elvedi, Josip Drmic und Djibril Sow schon vier Schweizer dort unter Vertrag stehen, habe seinen Entscheid nicht beeinflusst. «Ich hätte auch unterschrieben, wenn ich der einzige Schweizer gewesen wäre. Aber es ist toll, dass sie da sind.»
Papa gratuliert per SMS
Seine Nati-Kumpels werden in Deutschland ein Stück Heimat sein, denn der 1,92-m-Mann wird allein gehen. Mama Rina und Bruder Richard bleiben in Genf. Seine Schwester Bidour (32) lebt mit ihrer Familie in Morges. «Ich bin schon zweifacher Onkel», sagt Zakaria stolz.
Seinen Vater sieht er dagegen praktisch nie. «Nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, ging er sofort zurück in den Kongo, in seine Heimat. Da war ich gerade mal elf Jahre alt.» Dass dies sicher schmerzhafte Erinnerungen sind, merkt man nicht. Frust oder Verbitterung sind beim lebensfrohen Fussballer nicht auszumachen.
Er habe sporadisch Kontakt mit seinem Vater, sagt er. Zuletzt als sein Transfer zu Gladbach bestätigt wird. «Er hat mir ein schönes SMS geschrieben. Darin stand, dass er sich für mich freut. Ich habe schon gemerkt, dass er stolz auf mich ist.» Das Talent am Ball hat er nicht von seinem Vater geerbt, die Begeisterung für den Fussball eher. «Papa hat in tieferen Ligen gespielt, aber er ist früher immer mit uns an die Servette-Heimspiele gegangen.»
Mama ist die Chefin
Viel enger ist Zakarias Bindung mit Mama Rina. «Ich bewundere meine Mutter sehr. Mama hat uns drei Kinder quasi alleine aufgezogen und dabei immer gearbeitet.» Rina hat sich für ihn und um ihn gesorgt. Und Rina hat ihm alles beigebracht, sogar Putzen, Bügeln und Kochen. «Wir mussten zu Hause immer helfen. Sie wollte, dass wir für uns selber sorgen können, wenn wir mal ausziehen», sagt der Fussball-Star. Kochen könne er aber bei weitem nicht so gut wie Mama. Zakarias Lieblings-Gericht?
«Mamas Fufu. Das ist eine Spezialität aus Afrika. Ein Maisgericht wie eine Art Polenta mit Tomatensauce und Hackfleisch.»
Mama Rina sei zwar die Chefin der Familie und gebe den Ton an, sagt Zakaria, doch nicht bei jedem Thema höre er gleich aufmerksam hin. Gehts um Fussball, könnte er sogar getrost weghören. «Sie schaut sich jedes meiner Spiele an. Danach sagt sie mir immer, ob ich gut oder schlecht war. Und weil sie von Fussball wenig versteht, gibt es dabei immer viel zu lachen.»
Mehr Ahnung hat der ehemalige technische Direktor des SFV, Peter Knäbel. Was sind Zakarias Stärken und Schwächen? «Seine Qualitäten im Gegenpressing sind herausragend. In Ballbesitz muss noch seine Fehlerquote sinken und die Torgefahr steigen.»
Alle Fussball-Experten hat Zakaria in Windeseile von seinen Fähigkeiten überzeugt. Bei seiner Mutter dauerte es ein bisschen länger.
Die Handelsschule abgebrochen
Vor seinem Wechsel zu YB musste er ihr versprechen, dass er seine Handelsschule nicht abbrechen werde. «Später hat sie es aber akzeptiert, dass ich aufhöre. Alles zusammen wäre einfach zu viel gewesen.» YB, U21, A-Nati, und der regelmässige Deutschkurs, den er seiner Mutter vor dem Wechsel zu YB versprechen musste und der Früchte trägt. Der Youngster hatte einen vollen Terminkalender.
Profifussballer wollte er schon immer werden, nichts anderes. «Das habe ich immer als Berufswunsch angegeben», sagt er. Und Zakarias Plan ist aufgegangen. Bald läuft er im Borussia-Park vor 60 000 Fans ein. Und falls der Genfer Bub so spiel- und lebensfreudig bleibt, dürfte Gladbach nicht seine letzte Station sein. Die Zukunftsaussichten des Raketen-Mannes sind so fantastisch, wie der Blick von der Promenade de la Treille hinunter.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 14 | 7 | 26 | |
2 | FC Basel | 14 | 20 | 25 | |
3 | FC Lugano | 14 | 6 | 25 | |
4 | Servette FC | 14 | 2 | 25 | |
5 | FC Luzern | 14 | 4 | 22 | |
6 | FC St. Gallen | 14 | 6 | 20 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 14 | 2 | 20 | |
8 | FC Sion | 14 | 0 | 17 | |
9 | BSC Young Boys | 14 | -5 | 16 | |
10 | Yverdon Sport FC | 14 | -10 | 15 | |
11 | FC Winterthur | 14 | -21 | 11 | |
12 | Grasshopper Club Zürich | 14 | -11 | 9 |