«Der T-Rex ist mein liebster Dino – er attackiert viel»
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Ex-YB-Star Miralem Sulejmani:«Der T-Rex ist mein liebster Dino – er attackiert viel»

Vertragsloser Ex-YB-Star Miralem Sulejmani
«Vermisse Bern – bin hungrig auf Fussball»

Miralem Sulejmani (34) hat die Young Boys letzte Saison verlassen und ist seither vereinslos. Der serbische Zauberfuss ist zurück in der Heimat. Mit dem Fussball hat er aber noch nicht abgeschlossen.
Publiziert: 03.04.2023 um 01:56 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2023 um 10:48 Uhr
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Gefeierter Held: Miralem Sulejmani wird bei den Young Boys zum Abschied auf Händen getragen.
Foto: keystone-sda.ch
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Sebastian RiederSportreporter

Miralem Sulejmani ist in freudiger Erwartungen – und das gleich in zweifacher Hinsicht. Zum eine ist seine Frau hochschwanger, zum anderen könnte zum Ende seiner Laufbahn tatsächlich noch ein spannendes Angebot reinflattern. «Ich habe noch sehr viel Fussball in mir, aber geniesse es im Moment sehr, voll und ganz für meine Familie da zu sein», sagt Sulejmani. Vor ein paar Monaten hat er ausserhalb von Belgrad ein neues Zuhause gefunden.

Nach der Geburt seines dritten Kinds erhofft sich Sulejmani, endlich einen neuen Verein zu finden. Der 34-jährige Flügelflitzer, der zuletzt für die Young Boys stürmte, hat mit seiner Karriere noch nicht abgeschlossen. «Nach meinem Abgang habe ich zuerst die viele Freizeit genossen. Aber jetzt habe ich festgestellt, dass ich noch weiter Fussball spielen will.»

Dass er mit Jahrgang 1988 schon fast ein Fussball-Dino ist und wohl keinen Topklub mehr findet, ist ihm trotz seiner Erfolge bewusst. Den Fototermin im Jurassic-Park vor den alten Stadtmauern von Belgrad nimmt er mit Humor. «Ich habe noch Hunger wie diese Dinos», scherzt Sulejmani und schlendert am Tyrannosaurus vorbei. «Der T-Rex ist mein Lieblings-Dino. Er attackiert viel.»

Sulejmani muss lachen, als er die Metapher macht, aber der Vergleich ist durchaus berechtigt. Während dem Interview vor der Kamera tanzt ihm eine Biene auf der Nase herum. Mit einem kurzen Wisch schlägt er die tierische Reinkarnation von YB in die Flucht und sagt: «Das machen wir noch einmal.» Die lästige Biene ist weg, Gelb-Schwarz und YB bleibt das Stichwort. «Ich trage YB immer noch in meinem Herzen.» Und das hat mehrere Gründe.

Der erfolgreichste YB-Spieler der Neuzeit

Allein fünf seiner insgesamt 14 Trophäen sammelt er mit den Young Boys. Er war einer von nur sechs Spielern, die in der goldenen Ära zwischen 2018 und 2021 dabei waren. Seine statistischen Werte machen ihn dabei zum erfolgreichsten YB-Spieler der Neuzeit. Für die Berner erzielte er 47 Tore und zeichnete sich mit 55 Assists aus – das ist Vereinsrekord. Auf die Quote als präziser Passgeber ist er «besonders stolz», wie er sagt. «Ich hatte eine Schlüsselrolle in diesem Team und viele, viele Matches bestritten.»

219 Pflichtspiele waren es am Ende für die Young Boys. Nach sieben glorreichen Jahren mit vier Meistertiteln und einem Cup-Triumph durfte der wendige Flügelflitzer sein Team als Captain aufs Feld führen. Vor fast einem Jahr war das, als er beim letzten Heimspiel der Saison mit einer Standing Ovation und lautstarken Sprechchören vor dem gelb-schwarzen Berner Block stand und sich die Tränen aus den Augen wischte. «Das war sehr emotional, aber ich hatte auch eine sehr schöne Zeit mit YB.»

Den grössten Hühnerhautmoment erlebte er im Frühling 2018 gegen den FC Luzern, als er für den 2:1-Siegtreffer von Jean-Pierre Nsame die Vorlage lieferte und YB nach 32 Jahren wieder Meister wurde. «Das Gefühl nach dem Schlusspfiff war unglaublich. Das Stadion und die Leute sind ausgeflippt und haben uns wie Helden gefeiert», erzählt Sulejmani, «diese Erinnerungen bleiben ein Leben lang.»

Sulejmani beendet mit YB die Ära des FC Basel

Der ehemalige serbische Nationalspieler wird in Bern zum Sinnbild des Sieges. Die scheinbar ewige Sehnsucht nach Erfolg findet in der Figur von Sulejmani ihren Frieden. Er wird immer zum Protagonist der berühmten YB-Viertelstunde – die dominierende Schlussphase, in der die entscheidenden Tore fallen. Das war schon in seinem ersten Spiel 2017 gegen den FC Basel so, als er in der 80. Minute mit einem feinfühligen Freistoss für die Entscheidung sorgte.

Dieses Tor war in der Aufarbeitung der Geschichte der Anfang vom Ende der FCB-Herrschaft, mit acht Meistertiteln in Serie. Fortan dominierte YB die Super League. Und auch im Cup mussten die Basler leiden, als 2020 der Final gegen die Berner verloren ging und YB nach 62 Jahren das Double gelang.

Der totale Triumph, eng verbunden mit diesem genialen Linksfuss, der 2015 für kolportierte 3,5 Millionen Franken von Benfica Lissabon gekommen war und schon im Training für seine magnetische Ballbehandlung für staunende Gesichter sorgte.

Einer, der als Abnehmer von dessen Flanken und Vorlagen profitierte, war Stürmer Guillaume Hoarau. Dieser sagte er einst: «Sulejmani war der kreativste Fussballer, mit dem ich je gespielt habe.» Seine geniale Technik brachte ihm schnell Respekt – und das, obwohl er kein Schreihals war. Gegenüber der «Berner Zeitung» beschrieb der ehemalige YB-Captain den Zauberfuss als stillen Anführer. «Sulejmani liess seine Leistung sprechen. Wenn er den Ball erhielt, dann kam etwas von ihm.»

«Meine Familie ist immer noch Fan von YB»

Dass der Königstransfer mit seiner bescheidenen und freundlichen Art kaum ein Wort auf und neben dem Platz verlor, lag zu Beginn auch an der Sprache. Englisch beherrschte er perfekt, Portugiesisch auch ein bisschen. Aber Französisch, geschweige denn Deutsch musste er erst noch lernen.

Kurz nach seiner Ankunft in Bern wird nicht nur sein Sohn eingeschult, auch die damalige Führung um Sportchef Fredy Bickel schickt ihn in den Unterricht. «Er sagte mir, ich müsse so lange in die Deutschschule, bis mich die Journalisten verstehen.»

Davon profitiert er noch heute – und ist froh darüber. «Ich habe immer noch Kontakt zu YB und vermisse Bern.» Aus der Ferne schaut er sich noch die YB-Spiele an – auch mit Frau und Kind. «Meine Familie hat die Zeit in Bern sehr genossen. Sie sind immer noch Fan von YB. Das sagt schon viel aus», sagt Sulejmani und trocknet sich die nassen Augen.

Es sind keine Tränen, sondern nur Schweissperlen der prallen Mittagssonne, die sein Gesicht zum Glänzen bringt. «Vitamin D – das ist gut für die Gesundheit!» So sein gut gelaunter Kommentar in die Kamera; und meint damit das grelle Licht, das für ein starkes Immunsystem sorgt. Für sein Wohlergehen bräuchte er Zukunft aber auch eine grosse Portion Vitamin B – natürlich auf den Fussball übertragen. Eine Beziehung, die dazu führt, dass er nächste Saison einen neuen Verein findet.

Als Teenager allein mit dem Bus nach Belgrad

Es ist sein grösster Gedanke, noch einmal auf dem Platz zu stehen. Und dafür hält er sich täglich in Form – mit einem eigenen Trainingsprogramm. «Ich versuche alles, um fit zu bleiben, und prüfe im Sommer alle Optionen.» Unterstützt wird er dabei von seinem Vater, der früher auch mal Fussballer in Belgrad beim GSP Polet war und ihn schon als kleines Kind förderte.

Aufgewachsen in Batajnica, 20 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, mit einer zwei Jahre älteren Schwester wird die bescheidene Wohnung schnell zu klein und der Traum, als Teenager irgendwann Profi zu werden, immer grösser. «Mein Vater hat rasch gemerkt, dass ich Talent habe», sagt Sulejmani und beschreibt, wie er später als Jugendlicher viermal pro Woche allein den Bus nach Belgrad nahm, um beim FK Partizan aus der Pubertät ins Profigeschäft zu kommen.

Für 20 Millionen Franken zu Ajax

Mit 16 Jahren bestreitet er sein erstes Spiel in der ersten Mannschaft und hat ein Jahr später schon erste Angebote aus dem Ausland. Er zieht ihn nach Holland zum SC Heerenveen. «Das erste Mal ohne Papa und Mama – das war nicht einfach für mich.» Dem Heimweh weicht der Fokus auf den Erfolg. «Ich wusste, was ich wollte.» Der kleine Fussballkünstler spielt in der Erendivisie gross auf.

Eine Saison, 14 Tore und 10 Assists später wechselt er für umgerechnet 20 Millionen Franken zu Ajax Amsterdam. «Ein Weltklub mit riesiger Erwartungshaltung», betont Sulejmani, der in Holland zum Fussballtalent des Jahres 2008 gewählt wurde. «Das war am Anfang nicht einfach für mich. Der Druck war enorm. Die Fans ungeduldig, weil der Klub damals lange keine Meisterschaft gewonnen hat», so Sulejmani.

Bei Heerenveen noch als falsche Neun eingesetzt, wird er bei Ajax zum Flügelspieler und trifft fast in jedem dritten Spiel. Ajax beendet eine siebenjährige Durststrecke mit Titel Nummer 30 in der Klubgeschichte. «Der dritte Stern auf dem Trikot war etwas ganz Besonderes.» Auch für Sulejmani eine Sternstunde. Medien berichten von Angeboten aus England – allen voran Arsenal und Liverpool.

Schulterverletzung als Schicksalsschlag

Probleme mit der Arbeitserlaubnis des Nicht-EU-Bürgers verhindern den Weg in die Premier League. Eine Enttäuschung. Und es kommt noch schlimmer: Eine Meniskus-Verletzung setzt den Wunderknaben nach der OP lange ausser Gefecht. Der Vertrag läuft aus, und Sulejmani sucht eine neue Herausforderung. Fündig wird er bei Benfica Lissabon, wo er für fünf Jahre unterschreibt und gleich in der ersten Saison das Double holt. «Da lief alles wieder wie geschmiert», erinnert Sulejmani.

Fast hätte es zum Triple gereicht. Benfica spielte sich bis ins Endspiel der Europa League. Ein verheerender Final für den damals 26-jährige Serben. Bereits nach 20 Minuten verletzt er sich am Schulterband und wird unter schmerzverzerrtem Gesicht ausgewechselt. Wieder ist eine Operation nötig. «Die Ärzte mussten mein Leibchen aufschneiden, damit ich mich überhaupt aus dem Shirt befreien konnte», beschreibt Sulejmani den Schicksalsschlag. Fünf Monate ist er weg vom Fenster.

Tattoos am ganzen Körper

Er verpasst die Vorbereitung auf die neue Saison und den Anschluss im Team. Erneut muss er Ausschau halten und findet mit YB eine kleine Adresse mit grossem Interesse. Mit Loris Benito hat er bei Benfica einen Schweizer, der mit dem Land und der Liga bestens vertraut ist. Er schaut sich Bern und das Wankdorf an und ist begeistert von diesem behüteten Zuhause. «Mir haben die Stadt und der Verein von Anfang sehr gefallen», sagt Sulejmani. «Die Lebensqualität war auch wichtig für meine Familie.»

Die Familie stellte er auch heute mehr denn je in den Vordergrund, wenn es darum geht, die Gedanken für die Zukunft zu ordnen. Es wird ihn aber nicht davon abhalten, für den Fussball noch einmal einen ungewöhnlichen Schritt zu machen. Die Schweiz wäre zwar naheliegend, ein arabischer Ausflug oder ein Abenteuer in Asien würden ihn ebenfalls reizen. Davon zeugen die vielen japanischen Tätowierungen auf dem ganzen Körper. Für ein Originalmotiv aus dem Morgenland hätte es jedoch noch Platz.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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