Tunnel-Steward Jean-Claude Bruttin
YB-Legende ist seit 14 Jahren Herr der Tube

Wenn die Fussballer im ­Berner Stade de­ Suisse das Spielfeld ­betreten,­ begegnen sie einem ehemaligen 
YB-Star: Jean-Claude Bruttin (74).
Publiziert: 28.04.2019 um 13:25 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 00:13 Uhr
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Jean-Claude Bruttin (r.) ist seit 14 Jahren Steward im Stade de Suisse.
Foto: zVg
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Alain KunzReporter Fussball

Man sieht sie. An jedem einzelnen Heimspiel von YB. Sie ziehen die Mayo-Tube nach vorn. Und sie bewachen sie, die beiden Stewards. Es sind die ­vielen anonymen Gesichter des Fussballs, die schlicht ihren Job ­machen. Für 20 Franken die Stunde.

Einer von ihnen ist kein Nobody: Er ist eine Legende. Weil er mit den Bernern 1977 Cupsieger geworden ist: Jean-Claude Bruttin. Von 1968 bis 1977 spielt Bruttin bei YB. Ab 1970 ist er Stammspieler. In der Cupsieger-Saison bildet er zusammen mit Andersen, Conz und Odermatt das Mittelfeld. Er spielt dort, wo ihn der Trainer braucht: «Mal hinten, links oder rechts. Mal im Mittelfeld, links oder rechts. Mal im Sturm, links oder rechts», ­erzählt er und lacht. Ein Beidfüsser vor dem Herrn. Bruttin: «Rechts 100 Prozent. Links 90.» 237 NLA-Spiele macht er in seiner Karriere. Schiesst 59 Tore.

«Ich will keiner sein, der dem Spielfeld den Rücken zukehren muss»

Bruttin ist Walliser, kommt aus ­St-Léonard bei Sion. Doch sein Herz verliert er – untypisch walliserisch – nicht an Sion, sondern an YB. «Nach meiner Zeit in Gelb-Schwarz ging ich zu Bulle, aber ich behielt meinen Wohnsitz Hinterkappelen. Bis ich in Rente ging», sagt Bruttin. Das ist dann der Moment, als das Stade de Suisse eröffnet wird. 2005. Es ist ­Ralph Zloczower, der damalige SFV-Präsident und vormalige Boss von YB, der Bruttin fragt, ob er nicht Steward im neuen Stadion werden wolle.

«Ich überlegte mir das kurz. Sagte dann: ‹Okay. Unter einer Bedingung. Ich will keiner sein, der dem Spielfeld den Rücken zukehren muss. Ich muss das Spiel sehen. Ich muss mitleben.›» Die Verantwortlichen sagen: «Okay.» Und als es dann darum ging, die Posten zu verteilen, bleiben von 25 noch zwei übrig. Bruttin und sein Kollege. Man weist den beiden den Weg zum Spielertunnel. Und da steht er nun seither!

Doumbia hat sich nie entschuldigt

Etwas, das eine grosse Ausnahme ist. «Die meisten ­Stewards machen das zwei, drei ­Monate. Ich aber sehe nach bald 
14 Jahren keinen Anlass, aufzuhören.» Und so steht er da. Unverrückbar. Allzeit bereit, den Tunnel aus- und einzufahren und zu öffnen, wenn Pause, Spielbeginn oder -schluss ist. Oder wenn sich ein Spieler verletzt oder Rot sieht.

Genau in diese Situation gerät der damalige GC-Verteidiger Souleyman Doumbia im Juli 2018. Der will nach seiner Gelb-Roten Karte möglichst auf direktestem Weg in die Kabine, räumt dabei Bruttin unsanft aus dem Weg. «Das Foul und der Platzverweis passierten unmittelbar bei der Tube. Ich schob die LED-Bande auf die Seite, und hielt Doumbia an der Schulter, um ihn hineinzubegleiten. Er stiess mich weg. Ich konnte mich nur knapp auf den Beinen halten und hatte Riesenglück, dass ich nicht auf den Kopf fiel.»

Entschuldigt hat sich Doumbia nie. «Schade, ist er nicht mehr bei GC. Ich hätte gerne mit ihm über die Szene gesprochen …»

Steward auf Lebzeiten?

14 Jahre. Und nur diese Szene, die Bruttin als aussergewöhnlich ­bezeichnet. Okay, da war noch Mama Yakin. «Das ist auch speziell», sagt Bruttin. «Beim ersten Spiel des FC Sion in Bern sass sie eine Stunde vor Spielbeginn plötzlich in den Katakomben. Am Tisch, wo sonst Interviews geführt werden. Kein Mensch wusste, wie sie hierher kam.» Und in diesem Jahr kam Emine in doppelter Begleitung durch den Tunnel, wie wenn dies das Normalste der Welt wäre. «Die Stewardess am unteren Ende der Tribüne wollte sie natürlich nicht aufs Feld lassen. Da musste erst ­Murat kommen. Und in die Röhre liessen wir sie nach Nach­frage bei meinem Chef.»

Jean-Claude Bruttin, Steward auf Lebzeiten? «Das wollen sie mir anhängen bei YB, ich weiss, also das dann doch nicht», sagt der Mann, der seit über zehn Jahren in Winterthur lebt und nie daran gedacht hat, deswegen aufzuhören. Im Gegenteil. «Mittlerweile sind auch meine Frau Claudine und mein Sohn Phi­lippe Stewards.»

Die Bruttins – eine ganz nor­male YB-Familie.

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