Totales Chaos beim FC Lugano
Neue Investoren haben noch nichts bezahlt

«Gran Casino!» sagen Italiener oder Tessiner zu einem heillosen Durcheinander. Genau etwas in dieser Währung herrscht beim FC Lugano.
Publiziert: 21.06.2021 um 21:16 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2021 um 09:13 Uhr
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Ganz alleine im kleinen Presseraum: Leonid Novoselskiy.
Foto: freshfocus
Alain Kunz und Michael Wegmann

Die Szenerie wirkt skurril: Leonid Novoselskiy sitzt alleine im kleinen Presseraum des Cornaredo und redet und redet und redet. Und sagt wenig. Weder die neuen Besitzer des FC Lugano noch der alte, Angelo Renzetti, sitzen ihm zur Seite. Mit Renzetti hat sich der russische Minderheitsaktionär, der 40 Prozent der Lugano-Aktien hält, zerstritten. Und der neue starke Mann, der Italo-Brasilianer Thyago Rodrigo De Souza, Wohnort Ebikon LU, habe es nicht für nötig befunden, vor die Presse zu treten, so Novoselskiy.

Zu sagen hätte Thyago ohnehin nicht viel gehabt. Denn Renzetti, der nach Blick-Informationen einen Kaufpreis von nicht ganz fünf Millionen Franken für seinen Aktien-Anteil vereinbart hat, hat nach eigenen Angaben noch keinen müden Cent von der längst fälligen ersten Tranche erhalten. «Ich habe ihnen vertraut. Und bislang nichts vom Geld gesehen. Ich kann doch auch nicht mit einer Pistole hinter ihnen stehen», sagt der Präsident auf EcoTV. Und dann, nachdenklich: «Ich kann im Moment niemanden beruhigen. Der am wenigsten Beruhigte bin ich. Ich hoffe einfach, keinen Betrügern aufgesessen zu sein…»

Spieler haben keinen Plan, wie es weitergeht

Novoselskiy seinerseits versucht bei seinem schrägen Medienauftritt nichts anderes als das: Die Gemüter zu beruhigen. Ein untauglicher Versuch. Dabei sind die neuen Besitzer schon fleissig zu Werke gegangen. Sie haben mit dem Brasilianer Abel Braga eine Trainerlegende vom Zuckerhut verpflichtet. Mit Demba Ba (36) einen Ex-Chelsea-Star. Und sie haben die Verträge der beiden Leistungsträger Reto Ziegler und Mijat Maric verlängert. Viel Start-Aktionismus. Doch mit welchem Geld? Und mit welchem rechtlichen Hintergrund? Renzetti: «Wir haben ihnen diese Berechtigung noch nicht erteilt.» Weshalb er Braga rät, vorderhand in Brasilien zu blieben, bis alles geklärt sei.

Am Montag war Trainingsstart. Rund 20 Spieler waren am Start. Von Braga keine Spur. Der neue Star Demba Ba? Abwesend. Genau so Thyago. Das Training wird vom letztjährigen Assistenten Mattia Croci-Torti geleitet. Die Spieler selber haben keinen Plan, wie es weitergeht. Fragen zum neuen Besitzer, zur Zukunft, beantworten sie nicht. Dürfen sie nicht. Man hat ihnen untersagt, zu den Journalisten zu sprechen. Sie sollen sich aufs Training konzentrieren.

Und auch eine Lizenz hat der neue FC Lugano nicht. Wie das bei Besitzerwechseln üblich ist, wird von der Lizenzkommission ein Integritätscheck vorgenommen. Der dauert üblicherweise zwei, drei Tage. Dass die in solchen Fällen verlangten Sicherheiten auch noch nicht hinterlegt sind, versteht sich von selbst, wenn noch nicht mal der erste Franken für das Aktienpaket von Renzetti geflossen ist. Novoselskiy: «Das ist ein komplexer Vorgang, die Lizenz zu erhalten. Das geht nicht so schnell-schnell.» Ach so!

Ein Chaos sondergleichen

Dennoch komme alles gut, versichert Novoselskiy. «Ich habe schon sehr viel Geld in den FC Lugano hineingesteckt. Was bedeutet: Ich glaube an das Projekt und an Thyago.» Gut gekommen wäre es wohl dann, wenn Novoselskiy einer neuen Besitzerschaft zugestimmt hätte, welche von Ex-Basel-Präsident Bernhard Heusler vertreten wurde. Doch diese wollte hundert Prozent der Aktien erwerben. Novoselskiy aber seinen Mindertheitsanteil nicht veräussern. Seither ist das Tischtuch zwischen Renzetti und dem Russen endgültig zerschnitten.

Derweil ranken sich wilde Gerüchte um Thyagos Engagement. Zum Beispiel, dass er die Spieler des italienischen Serie-D-Klubs Sona, der ihm gehört, auch schon mal besoffen zusammengestaucht habe. Oder dass er vier Spieler des Viertligisten bei Lugano wollte auflaufen lassen.

Ein Chaos sondergleichen also. Weshalb sich Renzetti laut «Corriere del Ticino» überlegt, seinen 60-Prozent-Anteil vorderhand zu behalten, um den neuen Besitzern Zeit zu geben, das Geld aufzutreiben. So wie das bis jetzt läuft, kann der gute Angelo wohl warten, bis er ein Engel ist …

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