Thun-Sportchef Andres Gerber
«Tief in mir drin, dass wir kein Geld ausgeben dürfen»

Es ist Andres Gerbers (46) ungemütlichste Winterpause in zehn Jahren als Thun-Sportchef. Die Rote Laterne und ein Team, dem der «Häuptling» fehlt – im Berner Oberland ist der Druck trotz chinesischer Finanzspritze gross.
Publiziert: 08.01.2020 um 07:16 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 00:09 Uhr
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Entspannen über Weihnachten? «Es war schwierigier als in anderen Jahren», gibt Thun-Sportchef Andres Gerber zu.
Foto: Keystone
Marco Pescio

BLICK: Andres Gerber, der FC Thun überwintert erstmals in der Super-League-Ära als Schlusslicht. Haben Sie es trotzdem geschafft, über die Weihnachtstage ein wenig zu entspannen?
Andres Gerber: Ja, aber es war schon schwieriger als in anderen Jahren. Unsere Tabellensituation, die Erwartungen für die Rückrunde und auch die in diesem Jahr kürzere Vorbereitungszeit auf die Rückrunde haben durchaus dazu geführt, dass es weniger entspannt war als auch schon.

War es da überhaupt möglich, ganz abzuschalten?
Ja, zum Beispiel über Weihnachten habe ich abgeschaltet. Diese Zeit ist mir persönlich wichtig, da geht es auch um den Respekt gegenüber der Familie. Und in den zehn Jahren, seit ich Sportchef bin, habe ich gelernt, mich abzugrenzen. Ich habe das Handy mittlerweile gut im Griff.

Sie halten trotz des sportlichen Misserfolgs in der Vorrunde – und insgesamt nur sechs (!) Liga-Siegen im Jahr 2019 – weiter an Trainer Marc Schneider fest. Was spricht für ihn?
Natürlich gibt es viele Gründe, die für Marc sprechen. Man hat deutlich gespürt, dass er die Spieler immer erreicht hat. An der Einstellung des Teams lag es nicht. Wenn der Trainer die halbe Mannschaft gegen sich gehabt hätte, wäre das ein Argument für einen Wechsel gewesen – doch das war überhaupt nicht der Fall. Zudem muss man festhalten, dass gewisse Umstände dem Coach den Job nicht gerade einfach gemacht haben. Wir hatten Abgänge und gewichtige Verletzungsausfälle.

Würden Sie mit Marc Schneider auch in die Challenge League gehen?
Mit dem Szenario Challenge League wollen wir uns nicht befassen – aus Prinzip. Ausserdem braucht es ja immer auch zwei Seiten. 2019 war schon ein extrem schwieriges Jahr, auch für den Trainer. Man müsste die Situation in solch einem Fall also ganz neu beurteilen.

Die Partnerschaft mit der Pacific Media Group hat zumindest die finanzielle Lage des Klubs ein wenig entspannt. Was hat sich durch den Einstieg der Investoren für Sie als Sportchef verändert?
Der Einstieg von PMG verschafft uns etwas Luft. Er gibt uns die Möglichkeit, in Sachen Transfers überhaupt etwas machen zu können. Die grösste Veränderung für mich als Sportchef ist im Grunde genommen, dass sich unser Netzwerk vergrössert hat.

Im Zusammenhang mit der PMG ist immer auch von deren Spieler-Datenbank die Rede. Wie muss man sich die neuen Vorgänge bei Ihnen an der Transfer-Front vorstellen?
Konkret ist es so, dass die PMG mit Spieler-Vorschlägen auf uns zukommt. Ähnlich wie ein Berater, nur quasi als interne Quelle. Wir evaluieren dann diese Vorschläge – zusätzlich zu unserer normalen Scouting-Arbeit. Wir suchen weiterhin Spieler, bei denen wir in sportlicher Hinsicht kein zu grosses Risiko eingehen, die aber auch noch nicht zu teuer sind. Renato Steffen oder Christian Fassnacht beispielsweise haben wir aus den unteren Schweizer Ligen geholt. Das Unterhaus in Polen, Österreich oder Frankreich kennen wir nicht im gleichen Masse – da kann uns unser neuer Partner durchaus helfen.

Wünschen Sie sich manchmal, die Möglichkeiten eines Sportchefs von beispielsweise Dortmund zu haben, der in der Winterpause einfach mal 20 Millionen Euro für ein Supertalent wie Erling Haaland (19) hinblättern kann?
Ich weiss es gar nicht. Es ist so tief in mir drin, dass wir hier kein – oder nur sehr wenig – Geld ausgeben dürfen. Ich habe mich so daran gewöhnt. Und ich finde es zudem auch sehr spannend, solche Steffens oder Fassnachts hervorzuzaubern. Klar, hat der Sportchef-Job auf jenem hohen Niveau auch seinen Reiz. Aber zumindest momentan finde ich mein Aufgabenprofil interessanter. Hier geht es mehr ums «Gspüri», das liegt mir mehr.

Letzteres ist jetzt vor allem gefragt, wenn es darum geht, einen Ersatz für Leader Dennis Hediger zu finden. Trainer Schneider sagte, er habe viele Indianer im Team, aber keine Häuptlinge...
Der Ausfall von unserem Häuptling respektive Captain hat eine grosse Lücke hinterlassen. Je länger je mehr haben wir das gespürt und es nahm dann eine gewisse Dynamik an. Unsere Spieler schlugen sich zuletzt klar unter ihrem Wert. Die Kompaktheit, die Solidarität, das Aufbäumen, all das hat im 2019 gelitten. Das wollen und müssen wir wieder hinkriegen, das ist die wichtigste Baustelle. Denn es ist im Moment völlig offen, wann oder ob Dennis Hediger zurückkehren wird.

Die Namen von Sékou Sanogo (30/zuletzt Al-Ittihad) oder Leonardo Bertone (25/Cincinnati) stehen im Raum. Auch jener von Stürmer Dejan Sorgic (30/Auxerre) geistert herum. Sind solche Transfers denkbar?
Ja, sie sind denkbar, aber vor allem deshalb, weil wir gerade mit Sanogo oder Sorgic super Erfahrungen gemacht haben. Ob sie aber möglich sind, das ist eine ganz andere Frage und Stand jetzt noch sehr schwierig abzuschätzen. Wir befinden uns gerade in verschiedenen Abklärungen. Zudem ist es bei allen Spielern, die in der Winterpause wechseln könnten, immer so, dass sie abwarten. Keiner sagt am Telefon sofort zu, keiner sagt gleich ab. Man will prüfen, was sich sonst noch ergeben könnte, ein wenig taktieren. Das kann ein langer Prozess sein. Es wird sicher ein paar Zu- und Abgänge geben in diesem Winter. Bis Mitte Januar sollte schon mehr Klarheit herrschen.

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