Blick: Taulant Xhaka, wir sind an jenem Ort, wo Sie aufgewachsen sind. Was kommen bei Ihnen für Erinnerungen hoch?
Taulant Xhaka: Dass Granit und ich hier, im St.-Johann-Park, jeden Tag Fussball gespielt haben. Und dass wir jeweils früh nach Hause kommen mussten, weil sich unsere Eltern Sorgen gemacht haben.
Warum haben sich Ihre Eltern Sorgen gemacht?
Weil das hier damals eine kriminelle Gegend war. Drogen, Gewalt, Sirenen. Als ich zwölf war, sind wir deswegen weggezogen. Erst nach Birsfelden, dann nach Biel-Benken, dann nach Binningen. Heute ist das Quartier neu aufgeblüht – es ist an vielen Plätzen kaum wiederzuerkennen.
Sie sind Ihrer Stadt während Ihrer ganzen Karriere treu geblieben. Warum haben Sie Basel nie verlassen?
Ich hätte ins Ausland gehen können. Als Paulo Sousa vom FCB zur Fiorentina ging, hat er mich drei-, viermal pro Tag angerufen, weil er mich mitnehmen wollte. Aber ich habe ihm direkt gesagt, dass ich in Basel bleiben werde. Und dass ich mir nicht vorstellen kann, ein anderes Trikot anzuziehen.
Hätte Sie die Serie A nicht gereizt?
Natürlich hätte mich die Liga sportlich gereizt, aber ich fühle mich hier in Basel wohl, die Fans respektieren mich, meine Familie und Freunde sind hier. Was will ich noch mehr?
Kommt Ihre Frau eigentlich auch aus Basel?
Nein, sie ist Zürcherin … aber sie hat den Dialekt schon angepasst. «Foif» gibt es bei uns nicht. Es heisst «fünf» (lacht). Aber keine Angst, sie ist kein FCZ-Fan, sie interessiert sich neben dem FCB nicht gross für Fussball.
Wie weh tuts, den FCZ auf dem ersten Platz zu sehen?
Sehr weh. Das ist brutal. Als wir das letzte Spiel gegen den FCZ mit 2:4 verloren, bin ich fast durchgedreht.
Sie selber standen aber nicht auf dem Platz.
Nein, aber ich habe mich fürchterlich über die Niederlage geärgert.
Ihr Bruder war ebenfalls auf 180, hat auf Instagram gegen die Vereinsführung gewettert.
Granit hat aus den Emotionen heraus reagiert. Er war hässig nach dem Spiel. Er ist Basler und weiss, was FCB-Spiele gegen den FCZ bedeuten.
Granit schrieb unter anderem, dass man Spieler spielen lassen müsse, die wissen, um was es in einem Klassiker gegen den FCZ geht. Um was gehts in einem Spiel wie gegen Zürich?
Um Emotionen, um den Willen, unbedingt gewinnen zu wollen. Zürich zu zeigen, dass wir der FC Basel sind. Aber das war einfach zu wenig von uns. Zu wenig Aggressivität, zu wenig Emotionen, zu wenig Leidenschaft.
Seit dem FCZ-Spiel haben Sie wieder einen Stammplatz. Nur Zufall?
Ich hatte nach dem Zürich-Spiel ein sehr gutes Gespräch mit David Degen. Und habe mich danach befreit gefühlt. Und das spüre ich auch auf dem Platz und im Training. Aber die Aufstellung macht der Trainer, nicht David Degen.
Seither hat der FCB nicht mehr verloren. Was läuft unter Abascal anders als unter Vorgänger Patrick Rahmen?
Jeder Trainer ist anders und ich vergleiche nie Trainer miteinander. Abascal ist einer, der viel Emotionen reinbringt, der eine Winner-Mentalität schaffen will, in jedem Training. Er achtet extrem auf die Details, führt viele Einzelgespräche.
Hat er eine Chance als Cheftrainer verdient?
Absolut. Zu 100 Prozent. Er ist voller Elan. Wenn die Mannschaft mehr oder weniger zusammenbleibt, können wir nächste Saison angreifen.
Ist es kein Problem, dass Abascal nicht Deutsch spricht?
Das ist überhaupt kein Problem. Er spricht sehr gut Englisch, kann Italienisch, Spanisch. Und im Fussball versteht man sich auch ohne viele Worte.
Die Resultate sprechen aber nicht unbedingt für Abascal. Neun Spiele, drei Siege.
Die beiden Remis gegen YB und St. Gallen hätten wir gewinnen müssen. Aber in der Vergangenheit haben wir solche Dinger noch verloren, jetzt holen wir auf, die Mannschaft lebt, hat Moral.
Die rot-blaue DNA aber ist verloren gegangen. Sie sind eines der wenigen Eigengewächse im Team.
Wir haben mit Liam Chipperfield einen, der aus der eigenen Jugend kommt, der sehr gut trainiert, der ehrgeizig ist, der nach einem Treffer für seinen FC Basel heult. Solche Spieler brauchst du. Identifikation ist wichtig.
Sie selbst haben vor zwei Jahren für potenziellen rot-blauen Nachwuchs gesorgt. Wie ist das Leben als Papa?
Seit mein Sohn da ist, habe ich viel mehr Verantwortung. Alles, was ich tue, tue ich für ihn.
Wie wichtig ist die Familie?
Das Wichtigste überhaupt. Ohne meine Eltern wären Granit und ich nicht dort, wo wir jetzt sind. Sie haben uns immer unterstützt.
Sie haben letzte Woche Ihre Grossmutter verloren. Was hatte sie für eine Bedeutung in Ihrem Leben?
Eine sehr eine grosse Bedeutung. Wir haben noch per Facetime telefoniert, ihr ging es gut, dann kam ein paar Stunden später die Nachricht, dass sie gestorben ist. Das hat mich brutal mitgenommen. Es war klar, dass ich direkt nach Pristina zur Beerdigung fliege. Auch Granit ist sofort gekommen.
Nur zwei Tage später standen Sie gegen St. Gallen wieder auf dem Platz.
Ich wollte dieses Spiel für meine Oma gewinnen, weil ich weiss, dass sie von oben zugesehen hat. Der Trainer hat vor dem Spiel eine Rede gehalten, dass wir dieses Spiel für mich und meine Familie gewinnen wollen. Das hat mich innerlich sehr berührt, auch wenn ich es nicht gezeigt habe. Leider hats nicht geklappt.
Ist das Meisterrennen gelaufen?
Zürich spielt noch gegen uns, gegen Lugano. Das sind schwierige Spiele. Es ist erst vorbei, wenns vorbei ist.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
5 | Servette FC | 18 | 2 | 29 | |
6 | FC Zürich | 18 | -1 | 27 | |
7 | FC Sion | 18 | 4 | 26 | |
8 | FC St. Gallen | 18 | 6 | 25 | |
9 | BSC Young Boys | 18 | -4 | 23 | |
10 | Yverdon Sport FC | 18 | -12 | 17 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 18 | -10 | 15 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -24 | 13 |