Das Spiel
Der Tabellenletzte aus Winterthur glaubt lange an einen Exploit im Cornaredo. Dass er dennoch verliert, liegt vor allem an einem: Renato Steffen (32).
Schon die Statistik sprach gegen den FC Winterthur, der nicht nur mit der schlechten Saisonbilanz von fünf Pleiten in den letzten sechs Spielen ins Cornaredo gereist war – sondern auch mit dem erbärmlichen Palmarès, die letzten acht Partien in Lugano allesamt verloren zu haben. Zwar wusste schon ManUnited-Legende Sir Alex Ferguson, was Statistiken wert sein können: reine Zeitverschwendung. Und doch kam an diesem Sonntag in Lugano alles so, wie's die Zahlen voraussagten – trotz guter Winterthurer Phasen.
Der FCW startete zögerlich, schwächlich – ganz das Team halt, an dessen Eignung für die Super League immer stärker und lauter gezweifelt wurde in den letzten Wochen. Und tatsächlich: Zu Beginn war das Team von Mattia Croci-Torti auch griffiger, gefährlicher, mit einem klaren Plus an Ballbesitz – allerdings lange, ohne das Tor von Stefanos Kapino ernsthaft zu gefährden.
Die Tessiner Überlegenheit war vor der Pause allerdings nur eine temporäre Erscheinung. Zusehends fand der Aussenseiter aus Winterthur besser ins Spiel, bereits nach 10, 15 Minuten fing er Angriffe der Tessiner stilsicher schon weit vorm eigenen Tor ab und wurde immer ballsicherer. Winti-Trainer Ognjen Zaric setzte in seinem 4-2-3-1 auf Musa Araz auf der Doppelsechs neben Luca Zuffi – und zog Fabian Frei, den prominenten Basler Zugang, hinter die einzige Spitze Labinot Bajrami. Eine Umstellung, die sich lohnte. Immer wieder schaltete sich Frei gefährlich im Angriff ein, spielte kluge Pässe – wie vorm Führungstor durch Bajrami, den beim FCZ zumindest vorübergehend Verstossenen.
Bajrami traf bereits letzte Woche beim Winterthurer 1:4 gegen YB. Nun brachte er den FCW nach der Pause im Cornaredo in Front. Fabian Frei, Matteo Di Giusto, Basil Stillhart hiessen die Vorbereiter. Besonders Di Giusto glänzte, als er einen Ball von Frei gerade noch vor der Grundlinie per Absatz im Spiel hielt und Stillhart die Hereingabe für Bajrami ermöglichte.
Es folgte gleichwohl, was folgen musste: Lugano drückte und drängte – allerdings lange ohne wirkliche Raffinesse. Halbchancen gabs, aber sie scheiterten, etwa an Stefanos Kapino im Winti-Tor. Winterthur durfte jedenfalls an einen Punktgewinn glauben.
Dennoch musste ein schlechtes Gefühl beschleichen, wer Sympathien für den FC Winterthur hegt: Renato Steffen betrat den Rasen nach 70 Minuten, und mit ihm änderte sich das Spiel. Drei Minuten nach seiner Einwechslung verwertet er eine Hereingabe von Aliseda zum Ausgleich. Winti-Rechtsverteidiger Stillhart hatte sich arg einfach auf der rechten Aussenbahn ausspielen lassen.
Und Lugano rannte weiter an, suchte den Sieg, bedingungslos, mit aller Macht. Winterthur wehrte sich nach Kräften – bis es trotzdem Fehler gab. Remo Arnold, sonst die Zuverlässigkeit in Person, unterschätzte einen langen Ball von Uran Bislimi. Steffen – wer sonst? – war zur Stelle und nutzte vor Kapino stehend die Gunst der Sekunde – 2:1.
Dass Granit Lekaj in der Schlussphase mit Gelb-Rot vom Platz flog, machte das Winterthurer Unterfangen erst recht unmöglich – trotz lange brauchbarer Leistung.
Die Tore
58. Minute, Labinot Bajrami, 0:1: Fabian Frei lanciert Matteo Di Giusto in die Tiefe; der hält den Ball im Duell mit Luganos Marques elegant per Absatz im Spiel – und Stillharts Hereingabe schmettert Bajrami, nicht allzu dezidiert gestört, ins Netz zur Winterthurer Führung.
73. Minute: Renato Steffen, 1:1: Eine Flanke von Ignacio Aliseda auf den Penaltypunkt wird von den Winterthurern nur halbherzig verteidigt, ohne richtigen Mumm – Renato Steffen erbt. Und trifft.
81. Minute: Renato Steffen, 2:1: Wintis Remo Arnold unterschätzt einen langen Ball von Uran Bislimi, auch Goalie Kapino zaudert – und Luganos Matchwinner Steffen drückt den Ball über die Linie.
Der Beste
Renato Steffen. Sofort geht ein Ruck durch die Mannschaft, als er nach seiner überstandenen Verletzung wieder eingewechselt wird (70.). Zehn Minuten später ist das Spiel gedreht. Ebenfalls sackstark: Uran Bislimi, der immer wieder aufblitzen lässt, warum ihn Murat Yakin regelmässig für die Nati nominiert.
Der Schlechteste
Remo Arnold. Der Winti-Verteidiger kann hinten nicht für Stabilität sorgen. Bei beiden Gegentoren nicht genug nahe dran. Auch zuvor nicht immer solid.
Das gab zu reden I
Lugano läuft im grünen Anstrich aus. Schwarz-giftgrün: Die Trikots gleichen dem Overall des Hinwiler Formel-1-Rennstalls Alfa-Sauber. Der Hintergrund: Eine jährliche Aktion für die Stiftung Greenhope, die mithilfe des Sports auf den Kampf gegen Krebs aufmerksam macht.
Das gab zu reden II
In der Schlussphase sieht Winti-Captain Granit Lekaj noch die zweite Gelbe Karte. Nach einem Foulpfiff begleitet er Schiedsrichterin Désirée Grundbacher auf Schritt und Tritt, redet auf sie ein – und scheint dabei nicht die beste Wortwahl zu treffen. Die letzten Minuten muss Lekaj daraufhin vom Spielertunnel aus beobachten.
Die Zuschauer
Auf dem Papier ist die Zuschauerzahl in Lugano tief: 3081. Im Stadion, das aufgrund des Umbaus keine Gegentribüne mehr hat, sieht es etwas anders aus: Die Nordtribüne mit der Kurve ist voll. Die Haupttribüne ist ebenfalls praktisch voll. Nur auf der Südtribüne sind wenige Fans, inklusive der Gäste aus Winterthur. Übrigens: Von der Haupttribüne aus sieht man direkt auf das Fundament des Rohbaus des neuen Stadions direkt nebenan. Auf der Nordseite sind bereits die Abstufungen der Tribüne zu sehen. Es nimmt langsam Konturen an. Dahinter ist ein tiefer Graben ausgehoben, wo eine angebaute Halle für Sport und Konzerte im Stadionmantel angedacht ist. Geplant ist, dass das Stadion 2026 eröffnet wird.
Das Schiedsrichter-Gespann
Schiedsrichterin Désirée Grundbacher wählt eine harte Linie, lässt viel laufen. Und kriegt das auch zu hören. In der 20. Minute beschweren sich mehrere Luganesi lautstark. Bislimi zeigt es an: Dreimal habe sie harte Duelle einfach laufen gelassen. Danach hat sie die Partie im Griff – und stellt kurz vor Schluss Lekaj mit der Ampelkarte vom Platz. Er hat zu laut gemotzt. Wieder die harte Linie.
So gehts weiter
Winterthur empfängt am nächsten Samstag GC zum Zürcher Kantonsderby (20:30 Uhr). Zürich ist auch für Lugano das Stichwort: Die Bianconeri sind am Sonntag zu Gast beim FCZ (14:15 Uhr). Zuvor geht es für die Tessiner am Donnerstag in der Conference League weiter. Lugano trifft im Thuner Exil in der Stockhorn Arena um 21 Uhr auf den finnischen Meister HJK Helsinki.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 14 | 7 | 26 | |
2 | FC Basel | 14 | 20 | 25 | |
3 | FC Lugano | 14 | 6 | 25 | |
4 | Servette FC | 14 | 2 | 25 | |
5 | FC Luzern | 14 | 4 | 22 | |
6 | FC St. Gallen | 14 | 6 | 20 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 14 | 2 | 20 | |
8 | FC Sion | 14 | 0 | 17 | |
9 | BSC Young Boys | 14 | -5 | 16 | |
10 | Yverdon Sport FC | 14 | -10 | 15 | |
11 | FC Winterthur | 14 | -21 | 11 | |
12 | Grasshopper Club Zürich | 14 | -11 | 9 |