St. Gallens Jordi Quintilla
«Mit Messi zu spielen ist ganz einfach»

Ex-Barça-Junior Jordi Quintilla über den Höhenflug seiner St. Galler, die Zeit mit Guardiola, Messi und Ibrahimovic, Bratwürste ohne Senf und den schlimmsten Moment seiner Karriere.
Publiziert: 10.11.2019 um 11:16 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2019 um 11:50 Uhr
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Jordi Quintilla fühlt sich in St. Gallen pudelwohl.
Foto: Thomas Meier
Martin Arn und Max Kern (Interview) und Thomas Meier (Fotos)

Sieben Siege, ein Unentschieden in den letzten acht Spielen: Kommt Ihnen das nicht spanisch vor?
Jordi Quintilla: Was heisst das, «spanisch vorkommen»?

Dass etwas sehr seltsam und aussergewöhnlich ist.
Ach so. Nein, nein. Da steckt viel Arbeit dahinter. Davon kommen die Erfolge. Wir sind sehr glücklich, dass wir im Moment Dritter sind. Aber wir müssen ruhig bleiben. Wir müssen jeden Tag 100 Prozent geben.

Was ist das Geheimnis hinter diesen Erfolgen?
Es gibt kein Geheimnis. Es ist harte Arbeit. Es ist nicht Glück, es ist Leidenschaft, es ist Einstellung, es ist die Haltung, mit der wir ins Spiel gehen.

St. Gallen hat seit 14 Jahren oder 25 Spielen nicht mehr in Bern gegen YB gewonnen: Wie wollen Sie diese Serie beenden?
Ich kann nicht garantieren, dass wir in Bern gewinnen. Aber wir werden Vollgas geben.

Sie haben einmal gesagt, Pep Guardiola sei der beste Trainer der Welt. Wo steht St. Gallens Trainer Peter Zeidler auf Ihrer Liste?
Es würde mir gefallen, wenn er dereinst ebenfalls ganz vorne stehen würde. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Er ist ein Trainer, der Dinge vermitteln kann. Das ist seine grosse Stärke.

Was haben Sie von Guardiola gelernt?
Taktisch habe ich alles von ihm gelernt. Wie man sich auf dem Spielfeld verhält, wie man verschiebt. Und die Leidenschaft, die er vermittelt.

Wie war das, in Barcelona zu trainieren?
Der Druck ist unglaublich. Man lernt bei Barça, wie man damit umgehen muss. Du hast schon in der Jugendakademie lauter Spieler, die den Sprung zu den Profis schaffen wollen. Alle wollen eigentlich deinen Platz. Es ist ein Wettkampf. Jeder ist bereit, jeden Tag 100 Prozent zu geben, also musst auch du dasselbe tun.

Und auf einmal sassen Sie dann in der Kabine neben Messi und all den anderen Superstars …
…das ist einmalig. Ein unglaubliches Niveau. Wenn du ihnen die Hand gibst, denkst du «Wow». Aber du musst dir bewusst sein, dass du auch da um einen Platz kämpfst, und du einer von ihnen sein willst. In meinem Fall musste ich gegen Sergio Busquets um einen Platz kämpfen, gegen einen Weltstar. Du darfst ihn nicht als dein Idol sehen. Er ist ja dein Konkurrent.

Mit Messi zu spielen ist bestimmt nicht einfach.
Doch, das ist ganz einfach. Du gibst ihm den Ball. Er macht den Rest (lacht).

Jordi Quintilla mit Lionel Messi.
Foto: zvg

Wie war Ibrahimovic?
Ein starker Charakter. In der Kabine war er sehr angenehm. Er hat uns Jungen geholfen. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.

Warum hat es bei Ihnen nie ganz gereicht, um in der spanischen Liga zu reüssieren?
Wer weiss, vielleicht kommt das noch. Ich war vielleicht nicht reif dafür. Ich war fussballerisch zu wenig erwachsen. Aber ich spüre, dass ich grosse Fortschritte gemacht habe. Ich weiss nun viel besser, wie ich meine Stärken einbringen kann.

Sie sind dann nach Korsika gegangen – ein ungewöhnlicher Weg!
Nein, es war eine Herausforderung. Ajaccio war abgestiegen. Sie wollten gleich wieder rauf. Der Trainer wollte mich unbedingt, ich war Stammspieler. Aber es lief zu Beginn nicht gut. Der Trainer wurde entlassen. Unter dem Neuen spielte ich nicht mehr regelmässig. Ich musste also etwas anderes finden.

Also wechselten Sie in die USA zu Kansas City: warum?
Kansas hatte schon zuvor Interesse gezeigt. Aber da war ich 18 und spielte bei Barcelona. Was willst du in den USA, wenn du beim besten Klub der Welt spielst?

Weshalb sind Sie dann doch gegangen?
Als die Dinge in Frankreich nicht so liefen, wie ich mir das vorgestellt hatte, kam Kansas wieder auf mich zu. Ich war eine Woche zum Probetraining dort und war begeistert. Kansas spielt nicht diesen US-Fussball, bei dem alle von Strafraum zu Strafraum rennen. Kansas ist spielerisch eines der besten Teams in Nordamerika, mit viel Ballbesitz. Das war für meine Spielweise ideal.

Auch da waren Sie aber nicht lange glücklich…
Der Abgang bei Kansas war der schlimmste Moment in meiner Karriere. Wir hatten den US-Open-Cup gewonnen, ich hatte den entscheidenden Penalty reingemacht. Ich war für die Fans ein Idol. Alle wollten Fotos mit mir machen, Jordi hier, Jordi dort. Ich fühlte mich sehr wohl. Ich hatte einen Vier-Jahres-Vertrag. Ich stellte mir vor, wie es wäre, für immer dort zu leben. Ich hatte einen Hund, ein Haus. Ein Jahr später bestellte mich der Coach von einem Tag auf den anderen zu sich. Ich hatte mich bereits umgezogen und ging in den Trainingskleidern zu ihm ins Büro. Er sagte: «Wir müssen dich loswerden.» Ich war perplex. Ich fragte: «Warum?» Er sagte nur: «Wir holen einen anderen ausländischen Spieler, der Klub hat es so entschieden. Morgen brauchst du nicht mehr ins Training zu kommen.» Ich war am Boden zerstört. Ich war 21.

Was haben Sie danach gemacht?
Ich ging zurück nach Barcelona. Es gab Angebote, aber sie passten nicht. Also habe ich mich meinem Sportstudium gewidmet. Ich war von morgens um 8 bis um 14 Uhr an der Uni. Davor ging ich um 6 Uhr joggen und hielt mich am Abend bei einem Amateurklub fit.

Und dann kam das Angebot aus Puerto Rico – wussten Sie überhaupt, dass dort Fussball gespielt wird?
Als mein Agent mit dem Angebot kam sagte ich: «Hey, was soll das?» Aber er sagte zu mir: «Mach dir keine Sorgen, die spielen in der US-Liga.»

Also auf nach Puerto Rico: Sonne, Meer, Palmenstrände…
(Lacht.) Das ist so! Man lebt wohl nirgends so gut wie in Puerto Rico. Aber für mich war immer klar, dass ich nicht dort war, um Party zu machen, sondern um als Profi Fussball zu spielen.

Und vor eineinhalb Jahre St. Gallen: Was wussten Sie über St. Gallen?
Ich wusste, dass es der älteste Klub der Schweiz ist. Der Name war mir geläufig, aber mehr nicht.

Und nun sind Sie angekommen?
Ja, ich lebe in Herisau. Man hat mich sehr gut aufgenommen Es hat nie einen Rolle gespielt, dass ich in Puerto Rico gespielt hatte. Man hat mich sehr respektvoll behandelt.

Leben Sie alleine?
Ja, meine Freundin ist in Barcelona. Aber sie wird Anfang des nächsten Jahres zu mir ziehen.

Kochen Sie selber?
Natürlich!

Paella, Tortilla?
Um Gottes willen! Ich könnte für Sie eine Paella kochen, aber sie wäre schrecklich! Ich würde Ihnen nicht raten, bei mir Paella zu essen (lacht).

Bratwurst?
Ich liebe sie!

Mit oder ohne Senf?
Man hatte mir schon vorher gesagt, dass die hiesige Bratwurst so gut sei, dass man sie nicht mal in ein Brot stecken dürfe. Geschweige denn, mit Senf zu essen. Es wäre eine Respektlosigkeit gegenüber der Wurst.

Ihr Vertrag läuft im nächsten Sommer aus…
...nein, erst 2021, wenn ich in dieser Saison eine bestimmte Anzahl Spiele erreiche.

Dann können Sie hier also den Fans mitteilen, dass Sie weiterhin in St. Gallen bleiben?
Man weiss das nie. Ich versuche auch gar nicht, darüber nachzudenken. Das Wichtigste ist das Training von morgen, dann das Spiel gegen YB. Weiter vorausschauen mag ich nicht. Sonst verliere ich den Fokus.

Sie haben einmal gesagt, Sie würden gerne Sportjournalist werden. Weshalb?
Als Kind wollte ich Sportreporter werden. Ich habe grossen Respekt vor eurem Beruf. Ich verstehe, dass es ein schwieriger Beruf ist. Ihr müsst manchmal unangenehme Fragen stellen, viel arbeiten. Ein guter Journalist zu sein ist nicht einfach.

Welche Titel würden Sie über dieses Interview stellen?
«Viel Spass mit Jordi».

Persönlich: Jordi Quintilla

Geboren in Lérida (Katalonien). Juniorenzeit bei Unió Esportiva Lleida. Mit 16 Wechsel in Barcelonas Jugendakademie La Masia. Mit 19 trainiert er unter Pep Guardiola und an der Seite von Lionel Messi bei den Profis. Der Sprung in die 1. Mannschaft gelingt ihm nicht. Quintilla wird an unterklassige spanische Klubs ausgeliehen. 2014 der Wechsel in Frankreichs 2. Liga zu Ajaccio, wo er eine Saison spielt. Ein Jahr später wechselt er zu Kansas City in die MLS. Danach ein ganzes Jahr vereinslos, ehe er im Winter 2017 beim US-Zweitligisten Puerto Rico Unterschlupf findet. Im Sommer 2018 holt ihn Sportchef Alain Sutter zum FC St. Gallen. Er schoss diese Saison 6 Tore – total bisher 53 Spiele, 8 Tore, 4 Assists.

Geboren in Lérida (Katalonien). Juniorenzeit bei Unió Esportiva Lleida. Mit 16 Wechsel in Barcelonas Jugendakademie La Masia. Mit 19 trainiert er unter Pep Guardiola und an der Seite von Lionel Messi bei den Profis. Der Sprung in die 1. Mannschaft gelingt ihm nicht. Quintilla wird an unterklassige spanische Klubs ausgeliehen. 2014 der Wechsel in Frankreichs 2. Liga zu Ajaccio, wo er eine Saison spielt. Ein Jahr später wechselt er zu Kansas City in die MLS. Danach ein ganzes Jahr vereinslos, ehe er im Winter 2017 beim US-Zweitligisten Puerto Rico Unterschlupf findet. Im Sommer 2018 holt ihn Sportchef Alain Sutter zum FC St. Gallen. Er schoss diese Saison 6 Tore – total bisher 53 Spiele, 8 Tore, 4 Assists.

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