BLICK: Herr Früh, zuerst die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Dölf Früh: Es tut mir leid, dass ich wegen einer Krankheit mein Amt früher abgeben musste als geplant. Leider sind meine gesundheitlichen Probleme immer noch ernsthafter Natur. Darum bitte ich auch um Verständnis, dass ich lange geschwiegen habe. Bei aller Liebe zum FC St. Gallen hat meine Gesundheit Priorität.
St. Gallen gibt seit Tagen ein desaströses Bild ab. Wie sehr schmerzt es, dass Ihr gutes Werk der letzten Jahre innert Kürze zerstört wird?
Das sehe ich anders. Ich habe in der Tat ein Déjà-vu. Es ist wie 2010, bevor ich als Präsident eingestiegen bin. Auch damals war ein grosses Hickhack. Die Folge war ein kompletter Vertrauensverlust in die Führung. Aber damals stand der Klub vor dem sportlichen Abstieg in die Challenge League und wirtschaftlich vor dem Konkurs. Die Situation heute ist jedoch ganz anders.
Inwiefern?
Der Klub steht finanziell gesund da. Die Mehrheit sämtlicher Transferrechte der Spieler gehört im Gegensatz zu früher dem Klub. Dadurch verfügt der Klub über mehr Substanz. Die Infrastruktur der ganzen Unternehmung hat sich stark verbessert. Die Nachwuchsarbeit ist hoch professionell und erfolgreich. Personell ist der Klub gut aufgestellt, auch wenn gewisse Personen anderer Meinung sind. Dies alles kann nicht so schnell zerstört werden durch eine angezettelte Schlammschlacht.
In St. Gallen tritt mit Ihnen die Überfigur ab. In Basel Bernhard Heusler. In beiden Klubs kriselt es. Ist das der Preis, wenn eine starke Persönlichkeit so lange so prägend vorneweg ging?
Führungswechsel führen immer zu Umbrüchen. Der FC St. Gallen befindet sich nicht in einer Krise. Er ist wirtschaftlich und sportlich in guter Verfassung. Man sollte die jetzige Führungscrew in Ruhe arbeiten lassen und nicht mit einer beschämenden Schlammschlacht torpedieren. Das allein birgt die Gefahr, dass der Klub ins Schlittern kommt. Ich wünsche mir, dass sich die Parteien zusammenraufen und die Schlammschlacht aufhört, damit sich St. Gallen auf dem Platz und mit erfolgreichem Fussball auszeichnet.
Präsident Stefan Hernandez hat in der Öffentlichkeit noch kaum Profil. Hätten Sie sich eine Figur wie Heusler gewünscht? Fehlt so ein Mann?
Stefan Hernandez hat die Qualitäten, um den Verein führen. Er verfügt über langjährige unternehmerische Erfahrung. In den wenigen Monaten, in denen er im Amt ist, musste er sich erst ein Bild verschaffen. Es ist unfair, ihn jetzt öffentlich anzugreifen. Man sollte seine Leistung dann beurteilen, wenn er längere Zeit im Amt ist. Aktuell überrascht er mich positiv, wie ruhig er in dieser hektischen Zeit bleibt und sich getraut, Entscheide zu fällen. Das sind Qualitäten, die sehr wichtig sind für einen Klubpräsidenten.
Michael Hüppi behauptet, Sie würden im Hintergrund die Entscheidungen treffen. Ist Hernandez nur eine Marionette von Ihnen?
Es ist klar, dass ich als grösster Aktionär diesem Vorwurf ausgesetzt bin. Gerade darum habe ich mich entschieden, dass ich mich nach meinem Abgang als Präsident nicht in die Geschäfte einmische. Weder im Verwaltungsrat noch in der Geschäftsleitung.
Die Aktionäre werfen Ihnen vor, die Aktien gar nicht abgeben zu wollen und nur ein Machtspiel zu betreiben. Wie sehen Sie diesen Vorwurf?
Diesen Vorwurf höre ich zum ersten Mal. Ich habe immer gesagt, dass ich meinen Anteil reduzieren werde. Um endgültig allen Spekulationen ein Ende zu setzen, werde ich das gesamte Aktienpaket abgeben. Der Prozess ist eingeleitet.
Die Mitaktionäre ausser Hernandez wollen Ihnen die Aktien abkaufen. Warum haben Sie das abgelehnt, obwohl Sie diese so schnell wie möglich loswerden wollen?
Das ist falsch. Lediglich zwei Mitaktionäre haben angezeigt, dass sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen würden. Ich möchte meine Aktien nicht möglichst schnell, sondern geordnet abgeben. Letztlich habe ich eine Verantwortung gegenüber dem FC St. Gallen.
Besteht nun die Gefahr, dass der Klub verscherbelt wird wie im Fall FC Wil?
Nein. Ich selbst habe vor Jahren einen Aktionärsbindungsvertrag initiiert, welcher vorsieht, dass die bestehenden Aktionäre ein Vorkaufsrecht zum Nominalwert erhalten. Sollten Aktien an neue Aktionäre verkauft werden, würde ein erzielter Gewinn in den Klub fliessen. Neue Aktionäre müssen aber Ostschweizer Persönlichkeiten sein, welche dem FC St. Gallen nahestehen.
Warum haben Sie sich mit Stadion-CEO Pascal Kesseli überworfen?
Mit Pascal Kesseli habe ich viele Jahre erfolgreich zusammengearbeitet. Dass ich ihn persönlich als CEO der FC St. Gallen Event AG sah und nicht als Verwaltungsratspräsidenten, hat seine Gründe. Die werde ich aber nicht öffentlich kommentieren.
Was sagen Sie zu den personellen Abgängen im Klub?
Wenn in einem Unternehmen die Führung wechselt, kommt es häufig zu personellen Wechseln. Dies ist ein ganz normaler Vorgang in der Unternehmenswelt. Ein Fussballklub steht aber stark im öffentlichen Fokus. Da gibt es Nebengeräusche. Es ist das gute Recht von Stefan Hernandez, seine Mannschaft für den Weg in die Zukunft zusammenzustellen.
Michael Hüppi sagt, er sei zum Rücktritt gezwungen worden. Was ist dran?
Michael Hüppi ist nicht zum Rücktritt gezwungen worden, sondern Stefan Hernandez hat ihm mitgeteilt, dass er nicht wiedergewählt werde. Stefan Hernandez hat sich in den letzten Monaten ein Bild vom Team im Unternehmen und Verwaltungsrat gemacht. Er ist dabei zum Schluss gekommen, dass er nicht mehr mit Michael Hüppi zusammenarbeiten will. Es ist vollkommen normal, dass der Verwaltungsratspräsident bei den Aktionären auslotet, wer an der Generalversammlung gewählt wird und wer nicht. Ich habe gesagt, dass Michael Hüppi meine Stimmen nicht mehr erhalten werde. Das haben auch andere Aktionäre kundgetan.
Ist das der Grund, weshalb Hüppi an die Öffentlichkeit ging?
Warum Michael Hüppi den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hat, weiss ich nicht. Als der Klub 2010 sportlich vor dem Abstieg in die Challenge League und wirtschaftlich vor dem Konkurs stand, war er Präsident der FC St. Gallen AG. Genau er müsste wissen, dass Schlammschlachten in der Öffentlichkeit nur zum Schaden des Klubs gereichen. Wenn es ihm tatsächlich um das Wohl des Klubs und nicht um das eigene Ego geht, tut er gut daran, sich zurückzuhalten.
Hüppi spricht von einem «Clan» um Spielerberater Donato Blasucci und Nachwuchschef Marco Otero, der «für Unruhe» sorge. Wie schätzen Sie Blasucci ein?
Donato Blasucci ist ein Spielervermittler, der mit dem FC St. Gallen arbeitet – wie viele andere auch. Zudem ist sein Sohn ein sehr talentierter Fussballer, der in unserem Nachwuchs spielt. Donato Blasucci hat nie versucht, auf den Klub oder auf mich Einfluss zu nehmen. Ich habe ihn als sehr professionell kennen- und schätzen gelernt.
Bei welchen Verträgen war Blasucci involviert?
Nach meinem Kenntnisstand war er bei den Verträgen von Daniel Lopar, Giorgio Contini und Marco Otero involviert. Natürlich auch bei seinem Sohn Noah, einem hoffnungsvollen Nachwuchsspieler aus unserer Talentschmiede, welcher noch nicht volljährig war.
Warum sind Sie ein grosser Fan von Otero?
Wer sagt, dass ich ein grosser Fan von Marco Otero bin? Ich hatte ein professionelles Verhältnis zu ihm. Ich sah es aber als meine Pflicht, mich vor Mitarbeiter zu stellen, die unfair behandelt werden. Marco Otero ist ein emotionaler Mensch und in seinen Ansagen sehr direkt. Damit können nicht alle gleich gut umgehen, was dazu führt, dass Marco Otero oft ungerechtfertigt angegriffen wird. Er hat aber den Nachweis erbracht, dass er einer der besten technischen Leiter in der Schweiz ist. Er leistet sehr gute Arbeit. Und er hat ein grosses grün-weisses Herz. Das, obschon er Spanier ist und aus Zürich kommt.
Kritiker von Otero sagen: Kein einziger Spieler, auf den man in der ersten Mannschaft setzt, wurde von ihm ausgebildet. Und die U21 macht einen ganz schwachen Eindruck in der 1. Liga Classic. Ihre Antwort darauf?
In der Tat sind aktuell die Leistungen der U21 nicht berauschend. Wer sich aber die Mühe nimmt, die Ranglisten anzuschauen, wird feststellen, dass die übrigen Mannschaften von der U15–U18 mit guten bis
sehr guten Leistungen brillieren. Der FC St. Gallen verfügt über eine der professionellsten Nachwuchsorganisationen. Es spielen regelmässig über zehn Spieler in den jeweiligen nationalen Jugendauswahlen. Zudem sind aktuell sechs Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Kader der ersten Mannschaft. Überdies hat der Partnerklub FC Wil etliche Spieler von Future Champs Ostschweiz ins Kader aufgenommen. Marco Otero arbeitet seit über zwei Jahren bei uns, und als Nachwuchsverantwortlicher ist er massgeblich an diesen Erfolgen beteiligt.
Sie haben Christian Stübi im Organigramm degradiert, und er schmiss daraufhin hin. Haben Sie ihm den Job nicht mehr zugetraut?
Als das neue Organigramm ins Leben gerufen wurde, waren alle Involvierten, also auch Christian Stübi, mit im Boot und waren damit einverstanden. Es gibt immer verschiedene Wege, die zum Erfolg führen. Für mich ist aber klar, dass die sportliche Kompetenz zwingend beim Cheftrainer, dem Chefscout, dem Transferverantwortlichen und dem Nachwuchsverantwortlichen liegen muss. Ich finde es optimal, wenn man das als Team organisiert, man kann aber auch einen Verantwortlichen bestimmen, den man darüber setzt. Diverse Klubs in der Schweiz wie im Ausland zeigen, dass beides möglich ist. Entscheidend sind immer die Personen und wie sie eine Organisation umsetzen. Warum Christian Stübi sich anders entschieden hat, weiss ich nicht.
Können Sie ausschliessen, wieder als starker Mann auf die Kommandobrücke zurückzukommen?
Ja, das kann ich ausschliessen.
Wie zufrieden sind Sie sportlich?
Der FC St. Gallen ist auf dem richtigen Weg. Wichtig ist, dass man die Führungscrew in Ruhe arbeiten lässt.
Erfüllt Tranquillo Barnetta bisher die Rolle als Führungsfigur und Leitwolf?
Es steht mir nicht zu, Spieler zu beurteilen. Wir haben Tranquillo Barnetta verpflichtet, weil er als Ur-St. Galler wie kein anderer die grün-weisse Identität verkörpert. Zudem ist er ein wichtiger Leader im Team.
Ist es für einen Klub wie St. Gallen in den nächsten fünf Jahren erlaubt, von einem Meistertitel zu träumen?
Träumen kann man immer, weil im Fussball vieles möglich ist. Ich habe immer gesagt, dass es darum gehen muss, dass sich der Klub in der oberen Tabellenhälfte festsetzt. Das beinhaltet die Ränge fünf bis eins.
Von wem sind Sie am meisten enttäuscht worden?
In den über sechs Jahren als Präsident des FC St.Gallen habe ich stets mein Bestes zum Wohle des Klubs gegeben. Dabei habe ich auch eine grosse Anzahl Menschen persönlich kennengelernt. Das war mit vielen positiven Erfahrungen verbunden, aber auch mit einigen negativen. Hier geht es aber nicht um meine persönlichen Empfindungen. Ich wünsche mir einfach, dass die Schlammschlacht nun aufhört und die bestehende Crew ihrer Arbeit nachgehen kann. Alle Beteiligten sollten sich daran erinnern, dass es um den FC St. Gallen, seine Fans, die Sponsoren und Partner geht. Manchmal sollte man sein Ego auch hinten anstellen können.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 14 | 7 | 26 | |
2 | FC Basel | 14 | 20 | 25 | |
3 | FC Lugano | 14 | 6 | 25 | |
4 | Servette FC | 14 | 2 | 25 | |
5 | FC Luzern | 14 | 4 | 22 | |
6 | FC St. Gallen | 14 | 6 | 20 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 14 | 2 | 20 | |
8 | FC Sion | 14 | 0 | 17 | |
9 | BSC Young Boys | 14 | -5 | 16 | |
10 | Yverdon Sport FC | 14 | -10 | 15 | |
11 | FC Winterthur | 14 | -21 | 11 | |
12 | Grasshopper Club Zürich | 14 | -11 | 9 |