Schweizer Trainer über die Schnelllebigkeit im Fussball
«Heute reichts nicht mehr, nur zu gewinnen!»

Gefeuert trotz Erfolg! Ist der Anstand im Fussball-Business verloren gegangen? Das sagen die Schweizer Fussball-Trainer.
Publiziert: 13.06.2019 um 16:01 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 00:08 Uhr
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Von den letzten 23 Partien hat Marcel Koller mit dem FCB gerade mal eine verloren – und muss trotzdem gehen.
Foto: Keystone
Michael Wegmann, Martin Arn

Platz zwei und der Cup-­Titel reichen nicht! Der FC Basel will nicht mehr mit Marcel Koller (58) weitermachen. Obwohl der Zürcher mit dem FCB Cup-Sieger wurde. 86 Prozent der BLICK-User halten Kollers Entlassung für falsch – über 58' 000 haben abgestimmt. Es hagelt Kritik an den FCB-Bossen Bernhard Burgener und Marco Streller.

Ähnliches wie Koller erlebte zuletzt auch Stéphane Henchoz bei Xamax. Mit einer tollen Rückrunde führte er Xamax vom letzten Platz weg und rettete in der Barrage die Liga-Zugehörigkeit.

«... das gab es bisher nicht»

Trotz Erfolg gefeuert. Ein Zustand, den Ex-Gladbach-Trainer Dieter Hecking vor kurzem heftig kritisierte. «Dass wir angegangen werden, wenn wir zehn Spiele in Folge nicht gewinnen, ist logisch. Aber jetzt werden wir schon im Erfolgsfall infrage gestellt – das gab es bisher nicht.» Er meinte Bayern-Trainer Niko Kovac, der von seinen Bossen hinterfragt wurde, obwohl er das Double holte. Oder Lucien Favre, dessen Entlassung «Bild» forderte, obwohl er Dortmund auf Platz zwei führte.

Ist der Anstand im Trainer-Business verloren gegangen? BLICK hat bei Schweizer Trainern nachgefragt.

«Es ist eine Zeiterscheinung, ein gesellschaftliches Phänomen. Alles soll immer sofort erreicht werden. Man hat keine Geduld, keine Zeit. Im Fussball verstärkt sich dies noch», sagt Henchoz. Und: «Früher war das Resultat das Wichtigste. Heute reicht es nicht mehr, nur zu gewinnen. Man soll auch noch schön und attraktiv spielen und dann möglichst auch noch ein paar Junge bringen, die man später verkaufen kann.»

«Vielleicht gehört das grosse Risiko dazu»

Ex-Bielefeld-Trainer Jeff Saibene (50) war einer von insgesamt 14 (!) Trainern, die letzte Saison in der 2. Bundesliga entlassen wurden. Er sagt: «Es ist schon extrem geworden. Heutzutage braucht man eigentlich durchgehend Erfolg. Eine schlechtere Phase liegt nicht mehr drin.» Doch wie Henchoz will auch Saibene nicht jammern. Trotz Entlassung wäre er bei Bielefeld noch für zwei Jahre unter Vertrag. «In welchem anderen Job gibts das schon? Da gehört vielleicht das grosse Risiko dazu.» Mittlerweile hat er aber bei Ingolstadt unterschrieben.

Unions Aufstiegstrainer Urs Fischer, der beim FCB vor zwei Jahren nach dem Double gehen musste, meint: «Grundsätzlich ist das Business sicher schnelllebiger geworden. Der Trainer-Stuhl ist ein Schleudersitz. Aber mit uns Trainern muss niemand Mitleid haben, wir wissen alle, worauf wir uns einlassen.»

«Entlassung ist Teil des Jobs»

Siegen oder Fliegen. Ist der Druck auf die Trainer zu gross? FCZ-Coach Ludovic Magnin (40) siehts pragmatisch: «Ich will nicht in dieses Gejammer einstimmen. Druck haben viele Menschen, auch in anderen Berufen. Der Unterschied ist wohl, dass wir permanent in der Öffentlichkeit stehen und Fussball ein sehr emotionales Business ist.» Magnin weiter: «Eine Entlassung gehört dazu. Das ist Teil des Jobs.»

Es würden auch nicht alle Klub-Verantwortlichen nach der ersten Baisse gleich den Trainer entlassen, so Magnin weiter. «Dies hat auch der FCZ diese Saison gezeigt, und dafür bin ich dankbar.»

Saibene meint: «Ein Paradebeispiel dafür, dass es auch ohne Trainerwechsel wieder aufwärtsgeht, ist der FC Aarau.» Da durfte Patrick Rahmen nach einem kapitalen Saison-Fehlstart (6 Spiele, 6 Pleiten) bleiben. Ausgerechnet Rahmen soll nun den gefeuerten Koller in Basel ablösen.

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