Donat Rrudhani (25) ist einer von elf kosovarischen Spieler in der Super League. Im Gegensatz zu anderen wie FCZ-Profi Bledian Krasniqi oder Lugano-Goalie Amir Saipi, ist Rrudhani nicht in der Schweiz zur Welt gekommen und deshalb kein Doppelbürger. Rrudhani ist im Kosovo zur Welt gekommen. Im Alter von 12 flüchtete der heutige FCL-Shootingstar, der in den letzten sechs Spielen vier Tore erzielte, nach Frankreich, nahe der Grenze zur Schweiz. Im Blick erzählt er die bewegende Geschichte dahinter und spricht über seinen einzigartigen Weg zum Fussballprofi. Denn im Gegensatz zu den Kollegen Krasniqi, Saipi und Co., hatte Rrudhani als Jugendlicher nie in einem Spitzenteam gespielt.
Blick: Donat Rrudhani, wie viele Witze haben Sie in Ihrem Leben über ihren Vornamen gehört?
Donat Rrudhani (Lacht): Tatsächlich einige, früher waren es mehr. Als Kind ist mir das auch etwas näher gegangen als heutzutage.
Ihre Kindheit war nicht leicht. Ab dem 13. Lebensjahr lebten Sie in Frankreich. Zur Welt kamen Sie aber im Kosovo. Wie kam es zum Landeswechsel?
Mein Vater ist ein riesiger Fussball-Fan und hatte früher auch selbst gespielt. Er wollte, dass wir grössere Chancen auf eine bessere Zukunft haben. Deshalb entschied meine Familie, dass wir nach Frankreich flüchten.
Wie lief das ab, wenn ich fragen darf?
Mein Vater, meine Mutter und mein kleiner Bruder, der damals ein Jahr alt war, hatten ein Visum. Meine jüngere Schwester und ich nicht, weil wir mitten im Schuljahr steckten. Eines Tages fuhr mein Vater mit meiner Schwester und mir zur serbischen Grenze. Von da aus durchquerten wir mit Koffern und Gepäck in der Nacht den Wald zu Ungarn, wo wir zunächst hinwollten.
Und dann?
In Ungarn wartete ein Auto auf uns. Das hätte uns nach Frankreich bringen sollen. Wir kamen da allerdings nicht an, weil die ungarische Polizei bereits in Vollmontur und mit Hunden auf uns wartete. Sie hatten uns schon frühzeitig gesehen, beobachtet und anschliessend verhaftet.
Was für Zustände herrschten bei der Verhaftung?
Die Polizei drückte uns zu Boden und führte uns anschliessend ab. Mit gebrochenem Englisch versuchte ich mit den Beamten zu kommunizieren. Das half allerdings nicht, denn die Polizei dachte logischerweise, dass wir Kriminelle seien. Es war nicht erlaubt, durch das Grenzgebiet zu flüchten.
Wie alt waren Sie da?
12. Meine Schwester 10.
Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf?
Ich wusste nicht, was passieren würde. Ich dachte, dass es das gewesen ist mit unserem Leben.
Wie gings nach der Verhaftung weiter?
Wir mussten zu dritt zwei Tage in ein ungarisches Gefängnis. In unserer Zelle wurden wir durch den Schacht an der Tür mit Essen versorgt. Wir wussten auch da noch nicht, wie es weitergehen würde. Nach zwei Tagen konnten wir den zuständigen Personen endlich unsere Situation erklären.
Ihre Mutter und ihr kleiner Bruder lebten währenddessen nichts ahnend in Frankreich?
Sie haben sich dort aufgehalten, lebten aber noch nicht dort. Bevor wir durchs Grenzgebiet gelaufen sind, schickten wir meiner Mutter eine SMS. Danach hörte sie drei Tage nichts mehr von uns und machte sich sehr viele Sorgen. Sie wusste nicht, ob wir tot waren oder noch lebten. Erst als wir das Gefängnis verlassen hatten, konnten wir sie anrufen und informieren.
Wie hat sie reagiert?
Zuerst sprach mein Vater und versuchte, etwas ruhiger zu wirken. Aber ich spürte die unglaublichen Emotionen und die Erleichterung schnell und wurde auch emotional. Diesen Moment werde ich nie vergessen.
Wie verarbeitet man sowas? Geht das überhaupt?
Mit 14, 15 Jahren konnte ich nie länger als zwei Tage von Zuhause weg sein. Ich hatte Verlustängste und häufig Albträume. Unsere Eltern haben damals immer wieder versucht, viel mit uns zu reden, um unsere Ängste zu thematisieren. Heute ist es kein Problem mehr für mich.
Wie gings nach dem Gefängnisaufenthalt weiter?
Wir wurden in ein ungarisches Flüchtlingscamp gebracht. Nach einem Monat gingen wir in ein kleines Dorf in Frankreich und wohnten da eineinhalb Jahren als Flüchtlinge. Als wir unsere Papiere erhalten haben, zogen wir nach Mulhouse um, nahe der Schweizer Grenze.
Haben Sie da schon Fussball gespielt?
Nur zum Spass. Da mein Vater nicht arbeiten durfte als Flüchtling, begleitete er uns an die Spiele und half unserem Trainerteam mit. Es war eine ganz lockere Sache.
Den Sprung in ein Spitzenteam haben Sie aber nie gewagt, oder?
Mit 13 war ich bei einem regionalen Stützpunkt von Troyes, weil das die grösste Mannschaft in unserem Bezirk war und einige sich da beweisen durften. Ich war einer davon. Ich hatte mir vorgenommen, zu bleiben, wenn die Verantwortlichen mir nach den Trainings gesagt hätten, dass sie mich unbedingt wollen. Das haben sie allerdings nicht gemacht. Ich hatte das Gefühl, einer von vielen zu sein. Deshalb entschied ich mich dazu, mich auf die Schule zu fokussieren und spielte nur noch als Spass.
Donat Rrudhani wird 1999 im Kosovo geboren und flüchtet mit 12 Jahren nach Frankreich. Dort möchte er später gerne einem Beruf im Wirtschaftsbereich nachgehen, neben der Schule spielt er nur spasseshalber Fussball. Als 19-Jähriger wird er vom FC Aarau entdeckt und zu einem Probetraining eingeladen. Zeitgleich wird er an einer Uni in Frankreich für ein Wirtschaftsstudium zugelassen. Über YB landet er im Sommer 2024 leihweise in Luzern. Rrhudani ist ledig, seine Freizeit verbringt er gerne mit Freunden oder spielt auch mal an der Konsole.
Donat Rrudhani wird 1999 im Kosovo geboren und flüchtet mit 12 Jahren nach Frankreich. Dort möchte er später gerne einem Beruf im Wirtschaftsbereich nachgehen, neben der Schule spielt er nur spasseshalber Fussball. Als 19-Jähriger wird er vom FC Aarau entdeckt und zu einem Probetraining eingeladen. Zeitgleich wird er an einer Uni in Frankreich für ein Wirtschaftsstudium zugelassen. Über YB landet er im Sommer 2024 leihweise in Luzern. Rrhudani ist ledig, seine Freizeit verbringt er gerne mit Freunden oder spielt auch mal an der Konsole.
Als Sie in Mulhouse lebten, spielten Sie als 17-Jähriger im Nachbardorf beim FC Brunstatt. Das ist ein Klub aus der 10. höchsten Liga Frankreichs.
Ja (lacht). Wie gesagt: Es war wirklich ganz, ganz locker. Fussball war zwar mein Traum, aber zu diesem Zeitpunkt nur ein Hobby. Ich wollte eine gute Ausbildung und ein gutes Studium anpeilen.
Nach einem Jahr wechselten Sie von Brunstatt in die Schweiz zum AS Timau, einem Amateurklub in Basel. Weshalb der Wechsel?
Ich habe mit Hobbykickern an einem Turnier mitgemacht, bei dem ich im gleichen Team wie mein Vater gespielt habe. Ein ehemaliger Kollege meines Vaters war bei Timau Vereinsmitglied und hat gefragt, ob ich bei ihnen mal ein Probetraining machen wolle. Das habe ich gemacht und sie sagten, sie wollen mich unbedingt. Ich habe allerdings eine kleine Forderung stellen müssen (lacht).
Die da wäre?
Weil ich noch keinen Führerschein hatte, habe ich Timau gefragt, ob sie mir das Zugticket bezahlen können. Das hat geklappt.
Ein Jahr später waren Sie schon bei den Black Stars in Basel in der 1. Liga.
Basel ist klein und die Black Stars haben bemerkt, dass ich einige gute Spiele absolviert habe. Erst wollte ich gar nicht zu den Black Stars wechseln, denn die Schule war zu diesem Zeitpunkt wichtiger. Nach einigen Gesprächen mit meinem Vater und einigen Spielern von Black Stars habe ich mich aber trotzdem für einen Wechsel entschieden.
Was sich als der richtige Schritt erwies. Der Aufstieg ging unaufhaltsam weiter. Ein Jahr danach waren Sie schon beim FC Aarau in der Challenge League.
Als wir mit den Black Stars gegen den FC Baden in der Barrage gespielt haben, sind mir mehrere Assists gelungen und der FC Aarau ist auf mich zugekommen. Erst wusste ich gar nicht, welcher Klub das wirklich ist. In Frankreich kannte man Aarau ja nicht. Erst als ich die Spieler gegoogelt und bei Instagram diesen blauen Haken bei einigen gesehen habe, ist mir klar geworden, dass das richtig seriös ist.
Und dann haben Sie Ihren ersten Profivertrag unterschrieben.
Ich habe lange gebraucht, um mich zu entscheiden. Gleichzeitig bin ich in Frankreich nämlich an einer guten Uni aufgenommen worden. Meine Mutter ist zuerst Pro-Uni gewesen. Sie hat dann aber schnell gesehen, dass Fussball mein Traum ist.
Was war der Schlüssel für den rasanten Aufstieg vom Amateur zum Fussballprofi?
Meine Erfahrungen haben meine Mentalität geformt. Immer wenn ich müde war, sagte mein Kopf: Ich bin nicht so weit gekommen, um nicht weiter zu machen. Ganz egal ob es in der Schule war oder im Fussball. Wichtig war auch, dass ich mich immer auf mich selbst fokussiert habe. Ich wusste ab dem ersten Tag als Profi, dass ich dieses Level halten muss. Ein Profivertrag heisst noch nichts. Es geht um den zweiten, den dritten Vertrag.
Nach Aarau sind Sie zu YB. Etwas Grösseres gibts in der Schweiz nicht.
Ich bin überrascht gewesen, als ich vom Interesse erfahren habe und wusste gleich: Das muss ich machen.
Aktuell sind Sie ausgeliehen an Luzern. Vier Tore und zwei Assists aus den letzten drei Spielen sprechen für sich. Haben Sie was von Trainer Giorgio Contini oder Sportchef Steve von Bergen gehört?
Nein.
Luzern besitzt eine Kaufoption im Sommer. Wissen Sie schon, wie es weitergeht?
Auch hier nein. Ich will jedes Spiel so gut wie möglich sein. Wir haben noch sechs Monate Zeit und das ist im Fussball eine lange Zeit.
Aber Ihnen gefällt es in Luzern.
Sicher. Es ist eine sehr familiäre Mannschaft. Auch der Hunger in der jungen Mannschaft ist zu spüren, alle wollen arbeiten und besser werden. Das entspricht meinen Werten.
Was sind Ihre persönlichen Ziele für die Rückrunde und die nächsten Monate?
Ich bin kein grosser Fan von persönlichen Statistiken oder Werten. Ich will einfach immer den maximalen Teamerfolg und natürlich immer besser werden.
Stellt man sich die Titelfrage in Luzern schon? Der FCL liegt nur zwei Punkte hinter dem ersten Platz ...
Eigentlich müssen wir gar nicht auf die Tabelle schauen. Mit zwei Punkten mehr bist du erster, mit fünf weniger Neunter. So langweilig es klingen mag, aber wir nehmen Spiel für Spiel. Wichtig für uns ist, dass einige Spieler zurückkommen: Chader und Beloko oder Karweina zum Beispiel. Das gibt uns noch mehr Optionen und ist wichtig für die Breite.
Schauen wir noch etwas weiter nach vorne: In der WM-Quali gehts mit dem Kosovo gegen die Schweiz. Wie gross ist die Vorfreude?
Sehr gross. Ich freue mich unglaublich, um gegen andere aus der Schweiz zu spielen. Sofern ich natürlich eingesetzt werde.
In der kosovarischen Nati gibt es viele Doppelbürger. Sprecht ihr eigentlich Deutsch oder Schweizerdeutsch?
(Lacht) Wir kommunizieren in mehreren Sprachen, teilweise auch in Deutsch. Weil wir Spieler aus mehreren Ländern haben. Die meisten aus Deutschland, Schweden, Frankreich oder Albanien.
Wie haben Sie reagiert, als Sie zum ersten Mal ein Aufgebot für den Kosovo erhalten haben?
Damals bin ich noch beim FC Aarau gewesen. Der Teammanager der Nationalmannschaft hat mich angerufen, während ich mit Teamkollegen am Essen war. Ich musste die Nummer zweimal anschauen und dann kurz durchatmen. Danach habe ich meinen Vater angerufen, er war noch emotionaler als ich. Es war die Bestätigung für alles, was wir gemacht haben.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | Servette FC | 19 | 2 | 30 | |
5 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
6 | FC Zürich | 19 | -1 | 28 | |
7 | FC St. Gallen | 19 | 6 | 26 | |
8 | FC Sion | 19 | 3 | 26 | |
9 | BSC Young Boys | 19 | -4 | 24 | |
10 | Grasshopper Club Zürich | 19 | -9 | 18 | |
11 | Yverdon Sport FC | 19 | -12 | 18 | |
12 | FC Winterthur | 19 | -24 | 14 |