Matthias Hüppi (61) sitzt in seinem Büro mit freier Sicht auf den Platz im Stadion. Die Hügel hinter der Tribüne sind leicht mit Schnee gezuckert, im Büro küsst Meisterheld Charles Amoah im Jahr 2000 den Pokal. Meister, es ist ein Wort, das Hüppi meidet wie der Teufel das Weihwasser. Nach dem Sieg in Basel und Tabellenplatz 1 will er alle Menschen um sich herum auf dem Boden halten.
BLICK: Herr Hüppi, erzählen Sie mal, wie Sie den 2:1-Siegtreffer im Joggeli erlebten.
Matthias Hüppi: In der 82. Minute setzte ich mich in den untersten Rang des Stadions und schaute die letzten zehn Minuten inmitten von Basler Fans. Als das 2:1 in der Nachspielzeit fiel, gab es kein Halten mehr für mich. Trotzdem waren die Leute freundlich und respektvoll zu mir. Es zeigt die Wertschätzung, die man uns in der ganzen Schweiz entgegenbringt.
Warum wechseln Sie während des Spiels den Platz?
Ich bin ruhelos. Und am Ende gehe ich immer in die Nähe des Spielfelds, um der Mannschaft Support zu geben. Um zu zeigen: Wir halten zusammen bis zur letzten Sekunde.
Sitzen Sie bald wie FCZ-Boss Ancillo Canepa auf der Bank?
Nein, das ist nicht meine Zone.
In der Stadt werden Sie bestimmt gefeiert.
Es ist manchmal so, dass ich für 200 Meter 30 Minuten brauche. Weil jeder mit dir reden will und jeder sich freut. Es ist unglaublich, wie viel Unterstützung da ist. Die Leute sagen aber nicht nur, es sei lässig, was wir machen. Sondern sie bedanken sich für den Weg, den wir gehen.
Das Wort Meister nehmen Sie in den Mund?
Sie erwischen mich nicht damit. Ganz sicher nicht. Schauen Sie, das wäre völlig vermessen. Wir bleiben der kämpferische Underdog. Wir wissen genau, woher wir kommen, vergangene Saison mussten wir Angst haben, in die Barrage zu fallen. Dass wir nun so schnell so weit oben stehen, ist schon ziemlich verrückt. Aber wir heben todsicher nicht ab. Wir geben alles, um das Publikum weiter zu begeistern. Nicht mehr und nicht weniger.
Was macht Ihre junge Mannschaft aus?
Der Zusammenhalt, jeder gönnt dem anderen alles. Sie sind eine verschworene Einheit, nicht nur auf dem Platz. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele. Einer kommt zu mir und sagt: «Präsi, wir brauchen viel zu viele Plastikflaschen. Der Vorschlag von uns ist: eine Mehrwegflasche für jeden Spieler. Ziehen alle mit?» Logisch ziehen alle mit! Oder Peter Zeidler verkündet, dass ein junger Spieler für die U19-Nati aufgeboten wurde – und die ganze Mannschaft klatscht. So war es auch bei Cedric Itten, der in die Nati kam. Diese Freude füreinander, sie ist echt und nicht gespielt. Das berührt mich sehr.
BLICK-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz kündigte an, Würste in St. Gallen zu grillieren, wenn Sie Meister werden.
Halt, Fangfrage! Er kann so oder so anrücken und gleich noch helfen, das Stadion zu putzen nach dem letzten Heimspiel. Es geht nämlich eine Weile, bis das schönste Stadion der Schweiz gereinigt ist.
Haben Sie eigentlich Angst, dass Sie im Sommer Peter Zeidler an den FCB oder YB verlieren?
Angst habe ich nie. Ich bin überzeugt, dass Peter Zeidler am richtigen Ort ist. Für uns ist er ein Supertreffer. Es ist eine einmalige Zusammenarbeit mit ihm und Alain Sutter. Menschlich und fachlich – jeder hat Respekt vor dem anderen, vor dessen Stärken und Schwächen.
Sind Sie froh, dass Sie Alain Sutter nicht an die Nati verloren haben?
Wir sind glücklich, dass er bei uns geblieben ist – und zwar nicht erst seit heute …
Im Winter rief Zeidlers Heimat. Wie konkret waren die Gespräche von ihm mit dem VfB Stuttgart?
Das weiss ich nicht.
Sie sagten im «St. Galler Tagblatt», Sie würden nicht verstehen, dass Gerardo Seoane und nicht Zeidler als Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde.
Ich musste beim TV 36 Jahre neutral sein, jetzt nicht mehr. Meine Farben sind Grünweiss. Ich gönne Gerardo den Erfolg von Herzen, er macht tolle Arbeit. Was Peter Zeidler in kürzester Zeit geschafft hat, hätte die Ehrung aber ebenso verdient gehabt. Alles in allem: kein Problem!
Glauben Sie, im Sommer viele junge Spieler zu verlieren, die jetzt so brillieren.
Das steht nirgends geschrieben und die meisten Verträge laufen weiter. Dass der eine und andere irgendwann den nächsten Schritt macht, liegt aber auf der Hand. Die Frage des richtigen Zeitpunktes ist entscheidend.
Wie viele haben Ausstiegsklauseln?
Über Inhalte rede ich nicht. Aber wir haben einen ziemlich schlauen Sportchef.
Sie haben eine fast zweijährige Enkelin. Haben Sie die Kleine schon grün-weiss infiziert?
Sie war beim Spiel gegen Zürich hier, meine Tochter lebt mit ihr und unserem Schwiegersohn in Frankreich. Sie hatte aber vor allem Freude an unserem Bären, am Maskottchen Gallus. Es ist wunderschön und sehr emotional, Grossvater zu sein. Was für ein Glück! Und ein Signal, dass es nicht nur Fussball gibt im Leben … trotz 24 Stunden FCSG im Kopf.
Wie entspannen Sie sonst?
Zum Beispiel mit Bewegung. Joggen oder Langlaufen. Mit einer guten Zeit im Familien – und Freundeskreis. Zusammen am grossen Tisch, eine schöne Flasche Wein, ein gemütliches und ausgedehntes Essen. Top!
Fehlt Ihnen SRF?
Ich war mit Leib und Seele Sportreporter und halte die Zeit und die Menschen im SRF Team in bester Erinnerung. Dennoch habe ich den Transfer zum FCSG keine Sekunde bereut. Weder in den schwierigen Tagen, die es ja auch gab, noch in den guten Tagen jetzt.
Der St. Galler Matthias Hüppi (61) studiert nach der Matura einige Semester Jura, ist danach kurz als Reporter beim Schweizer Radio tätig, ehe er von 1981 bis 2017 beim Schweizer Fernsehen arbeitet. Dort moderiert er unter anderem das Sportpanorama und prägt während Jahren zusammen mit Bernhard Russi die Ski-Berichterstattung der Schweiz. Seit Januar 2018 ist er vollamtlicher Präsident des FC St. Gallen. Hüppi ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter und einen Sohn.
Der St. Galler Matthias Hüppi (61) studiert nach der Matura einige Semester Jura, ist danach kurz als Reporter beim Schweizer Radio tätig, ehe er von 1981 bis 2017 beim Schweizer Fernsehen arbeitet. Dort moderiert er unter anderem das Sportpanorama und prägt während Jahren zusammen mit Bernhard Russi die Ski-Berichterstattung der Schweiz. Seit Januar 2018 ist er vollamtlicher Präsident des FC St. Gallen. Hüppi ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter und einen Sohn.
Ein Kommentar von Fussball-Chef Andreas Böni
In der Ruhe liegt die Kraft. Dieses Sprichwort trifft auf keinen Klub so gut zu wie auf den FC St. Gallen. Der Klub hat mit Präsident Matthias Hüppi, Sportchef Alain Sutter und Trainer Peter Zeidler ein Führungstrio, das einen überragenden Job gemacht hat.
Das konnten sie, weil zum Klub mit SBB-Finanzchef Christoph Hammer, Anwalt Patrick Gründler, Ex-Spieler Stefan Wolf sowie Unternehmer und Legende Peter Germann ein hochkompetenter Verwaltungsrat gehört. Diese Leute sind auf ihrem Gebiet top – und vor allem hat keiner das Bedürfnis, sich öffentlich darzustellen.
Dasselbe gilt für die Aktionäre. Was für ein Kontrast zum FC Luzern! Dabei ist neben Hüppi vor allem Alain Sutter die grosse Überraschung. Nicht viele hätten ihm zugetraut, eine solche Mannschaft zu kreieren, die einen so erfolgreichen Offensivfussball spielt.
Ein Aspekt hat sich dabei besonders ausgezahlt: dass man auf junge Spieler setzt, die anderenorts schon einmal hingefallen sind – und die meisten nicht leihweise holt, sondern fix kauft. So geschehen bei Itten (in Basel gescheitert), Guillemenot (Rapid Wien), Muheim (Chelsea), Babic (Vaduz) oder nun Gonzalez (ManCity/Malaga).
Dass man dazu Ruiz aus Spaniens vierter Liga holte und Quintilla irgendwo in Puerto Rico entdeckte, rundet das Bild ab. Wird St. Gallen nun Meister? Im Normalfall nicht. Aber wer gesehen hat, wie man den grossen FC Basel an die Wand spielte, der traut dieser Mannschaft alles zu.
Ein Kommentar von Fussball-Chef Andreas Böni
In der Ruhe liegt die Kraft. Dieses Sprichwort trifft auf keinen Klub so gut zu wie auf den FC St. Gallen. Der Klub hat mit Präsident Matthias Hüppi, Sportchef Alain Sutter und Trainer Peter Zeidler ein Führungstrio, das einen überragenden Job gemacht hat.
Das konnten sie, weil zum Klub mit SBB-Finanzchef Christoph Hammer, Anwalt Patrick Gründler, Ex-Spieler Stefan Wolf sowie Unternehmer und Legende Peter Germann ein hochkompetenter Verwaltungsrat gehört. Diese Leute sind auf ihrem Gebiet top – und vor allem hat keiner das Bedürfnis, sich öffentlich darzustellen.
Dasselbe gilt für die Aktionäre. Was für ein Kontrast zum FC Luzern! Dabei ist neben Hüppi vor allem Alain Sutter die grosse Überraschung. Nicht viele hätten ihm zugetraut, eine solche Mannschaft zu kreieren, die einen so erfolgreichen Offensivfussball spielt.
Ein Aspekt hat sich dabei besonders ausgezahlt: dass man auf junge Spieler setzt, die anderenorts schon einmal hingefallen sind – und die meisten nicht leihweise holt, sondern fix kauft. So geschehen bei Itten (in Basel gescheitert), Guillemenot (Rapid Wien), Muheim (Chelsea), Babic (Vaduz) oder nun Gonzalez (ManCity/Malaga).
Dass man dazu Ruiz aus Spaniens vierter Liga holte und Quintilla irgendwo in Puerto Rico entdeckte, rundet das Bild ab. Wird St. Gallen nun Meister? Im Normalfall nicht. Aber wer gesehen hat, wie man den grossen FC Basel an die Wand spielte, der traut dieser Mannschaft alles zu.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 14 | 7 | 26 | |
2 | FC Basel | 14 | 20 | 25 | |
3 | FC Lugano | 14 | 6 | 25 | |
4 | Servette FC | 14 | 2 | 25 | |
5 | FC Luzern | 14 | 4 | 22 | |
6 | FC St. Gallen | 14 | 6 | 20 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 14 | 2 | 20 | |
8 | FC Sion | 14 | 0 | 17 | |
9 | BSC Young Boys | 14 | -5 | 16 | |
10 | Yverdon Sport FC | 14 | -10 | 15 | |
11 | FC Winterthur | 14 | -21 | 11 | |
12 | Grasshopper Club Zürich | 14 | -11 | 9 |