Matthias Hüppi
«Als Moderator habe ich mehr aufs Dach gekriegt»

St. Gallen-Präsident Matthias Hüppi erzählt, wie er einen weinenden Spieler tröstete, was er mit St. Gallen vorhat und wie er die Verhandlungen von Alain Sutter mit der Nati sieht.
Publiziert: 21.06.2019 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2019 um 07:47 Uhr
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Matthias Hüppi spricht über die Zukunft des FC St. Fallen.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Andreas Böni, Michael Schifferle (Interview) und Beni Soland (Fotos)

Herr Hüppi, Sie sind hier in Montlingen SG auf dem Land wegen Ihres Projektes «Espen on Tour». Sollen die hochbezahlten Fussballer damit wieder weniger abgehoben werden?
Matthias Hüppi: Es tut jedem Menschen gut, bodenständig und bescheiden zu sein. Es ist doch toll, wenn wir die Spieler näher zu den Menschen bringen. Aber beim FC St. Gallen sind sie im Vergleich zu anderen Klubs übrigens nicht hochbezahlt.

Die Spieler bei Ihnen werden auch zwischen 6000 und 25'000 Franken pro Monat verdienen. Das ist viel im Vergleich zu einem Bauarbeiter.
Ein junger Profifussballer verdient bei uns nicht annähernd so viel. Aber selbstverständlich sind das vergleichsweise hohe Löhne.  Die Zeit als Profi ist aber auch begrenzt und wir arbeiten zudem viel mit Erfolgsbeteiligungen.

Da sparen Sie jetzt viel Geld. Sie waren in der letzten Runde zum Teil Dritter, was die direkte Europa-League-Qualifikation bedeutete. Und am Ende Sechster.
Ja, aber wir hätten die Zusatzeinnahmen noch so gerne genommen. Drei Spiele in der Europa-League-Gruppenphase zuhause wären in St. Gallen ganz sicher drei Mal ausverkauft gewesen.

Wie lange haben Sie noch daran geknabbert?
Ich war im ersten Moment auch sehr enttäuscht, habe danach aber schnell Aufbauhilfe geleistet. So verstehe ich meinen Job als Präsident. Nach dem Spiel beim FCZ, das wir in der 86. Minute durch Majeed Ashimeru hätten gewinnen können, habe ich mich sofort um die Spieler und den Staff gekümmert. Ashimeru sass in Tränen aufgelöst in der Garderobe, konnte sich kaum noch erholen. Angesichts dieses Bildes habe ich mich extrem über einige Menschen geärgert.

Inwiefern?
Immer wieder hiess es: Ihr mit euren Leihspielern. Die identifizieren sich gar nicht, dem tuts doch gar nicht weh. Dann sehe ich Ashimeru, so in Tränen aufgelöst.

Ja, gut, aber finanziell ists schlecht. Ashimeru war gut und muss zu Red Bull Salzburg zurück. Vincent Sierro ist stark und YB kauft ihn vom Besitzerklub Freiburg. Da gehen Ihnen Millionen durch die Lappen.
Wir hätten beide gerne fix übernommen, aber hatten keine Chance. Und wenn YB Sierro will, dann sind wir mit unserem Angebot chancenlos gewesen.

Man munkelt von 2,5 Millionen Euro Ablöse, die Freiburg wollte.
Und bei uns ist das ganze Budget für die erste Mannschaft inklusive Staff  7,9 Millionen Franken. Sierro hat mich sehr beeindruckt. Er hat Alain Sutter, Peter Zeidler und mich persönlich angerufen. Sich bedankt und uns den Wechsel zu YB mitgeteilt. Auch Ashimeru hat sich per SMS herzlich bedankt. Beiden bedeutet der FC St.Gallen viel. Es geht ja nicht immer nur um Zahlen oder Erfolg im Leben, sondern auch um Menschlichkeit. Immer im Bewusstsein, dass auch wir beim FC St. Gallen Spiele gewinnen müssen. Sonst nützt alles nichts.

Sie sind seit eineinhalb Jahren bei St. Gallen. Wie hat sich Ihr Leben verändert?
Es ist noch intensiver geworden. Die Bereitschaft zur Extra-Meile habe ich schon beim Fernsehen an den Tag gelegt, aber der Rhythmus ist heute höher. Gerade bin ich mit meiner Familie nach 27 Jahren im Aargau in die Region St. Gallen gezogen. Ohne ihre Unterstützung würde ich es nie schaffen. Sie ist mit Leib und Seele dabei. Ich habe in in einer Band gespielt, war im Vorstand des FC Mutschellen und auch sonst ziemlich aktiv. Das lässt dich nicht kalt, wenn Du Dich dann von allen verabschiedest. Schön wäre ein Cup-Spiel mit St. Gallen dort, das wäre der Hammer.

Sie waren völlig unerfahren am Anfang Ihrer Amtszeit. Was haben Sie gut gemacht?
Wir mussten sehr viele Veränderungen vornehmen. Jemandem mitzuteilen, dass man nicht mehr mit ihm arbeiten kann oder will, ist eine schwierige Aufgabe. Veränderungsprozesse haben generell wenig Anhänger. Es ging darum, Betroffene zu Beteiligten zu machen, kein einfacher Prozess.

Was haben Sie schlecht gemacht?
Ich gehe hier ja nicht durch die Gänge und rufe: «Hurra, ich mache alles richtig.» Ich habe 18 Monate lang fast jeden Tag etwas gelernt. Wer Entscheide zu fällen hat, macht auch mal Fehler.  Dazu kann ich immer stehen. Aber Fussball ist und bleibt unberechenbar. Wer meint, er könne alles beeinflussen, liegt falsch.

Wie schwer war es für Sie, immer beurteilt zu werden?
Das war für mich nichts Neues. Als Moderator und Kommentator habe ich mehr aufs Dach bekommen denn als Präsident. Aber ich bin immer bereit, mich vors Team zu stellen. Lob und Haue gehören zu diesem Job. Dadurch, dass ich offen auf die Leute zugehe, kommt Feedback auch offen zurück. Und dieser Klub hat eine unglaubliche Energie: Gehe ich durch die Stadt, brauche ich für einen Weg von dreieinhalb Minuten locker mal 20, weil viele Leute mit mir diskutieren. Das gefällt mir.

Woran machen Sie die Begeisterung faktisch fest?
Vergangene Saison haben wir 8000 Saisonkarten verkauft, dieses Jahr hoffen wir auf ähnlich viele. Das ist die dritthöchste Zahl nach Basel und YB. Und das sind etwa doppelt so viele wie der FC Luzern, den man immer mit uns vergleicht von der Begeisterung und dem Einzugsgebiet her.

Ihr Onkel Kurt Furgler, der ehemalige Bundesrat, war stets im Espenmoos. Wäre er stolz auf Sie?
Er wäre sicher ein wohlwollend kritischer Begleiter meiner Arbeit, das war schon beim Fernsehen so. Kritik zu äussern ist wichtig, auch intern. Vor mir muss niemand Angst haben. Jeder darf seine Meinung äussern, das gehört zu einem respektvollen Umgang. Ich schliesse mich auch nie im Büro ein, sondern bin oft unterwegs. Der Austausch ist wichtig.

Wann waren Sie das letzte Mal an einem Skirennen?
An der Ski-WM in St. Moritz, im Februar 2017. Als ich letztmals kommentierte. Seither sah ich es nur noch im Fernsehen.

Wie erleben Sie die Fernseh-Welt aus der Distanz?
Es gibt immer mehr Wege, Sport zu konsumieren. Dieser Prozess war schon im Gang, als ich SRF verliess. Der Sport hat immer den Vorteil des Live-Effekts. Dieser Pluspunkt wird nie sterben.

Verfolgen Sie SRF noch?
Im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten. Nicht immer. Aber beim Fussball, da schaue ich Ihnen schon genau auf die Finger...

Wie finden Sie die Champions League auf Teleclub?
Das wäre überheblich, wenn ich Noten verteilen würde. Mir gefällt grundsätzlich, dass der Schweizer Fussball auf SRF und im Pay-TV läuft. Wenn die Champions League jedoch wie in den Ländern rundum nur noch im Pay-TV siehst, dann schliesst Du einen Teil Publikum aus. Das ist nicht gut.

Bekommen die Schweizer Klubs genug Geld über das TV?
Das Potenzial kann ich noch nicht abschätzen. Ich versuche mich auch in diesem Thema mit meiner Erfahrung in der Liga einzubringen. Und nehme wenn immer möglich an allen Veranstaltungen teil. Generell spüre ich, dass meine Meinung als Quereinsteiger auf offene Ohren stösst.

Nun haben Sie Jonathan Klinsmann als neuen Goalie geholt: War Vater Jürgen auch involviert?
Nein. Aber wie Alain Sutter gesagt hat, wird er zu Beginn der kommenden Rückrunde in Deutschland sein und dann ins Stadion kommen.

Fehlt Ihnen Tranquillo Barnetta schon?
Ja. Er hinterlässt eine grosse Lücke, aber wir müssen uns jetzt nach vorne orientieren. Er war eine Ausnahmeerscheinung, soll jetzt aber Abstand bekommen und sich auf andere Aspekte des Lebens konzentrieren können. Und dann hoffe ich, mache ich alles, dass er uns erhalten bleibt, nicht nur als Fan.

In welcher Rolle?
Das muss er selber entscheiden. Es gibt sicher Möglichkeiten im Nachwuchs, oder im Umfeld des Spitzenfussball oder als Botschafter.

Alain Sutter wird als Nati-Manager umworben. Erste Gespräche fanden statt. Nach Absprache mit Ihnen?
Ja. Es wäre engstirnig, wenn man jemandem die Teilnahme an Gesprächen verbieten würde. Für Alain ist es ein Kompliment und Wertschätzung für seine Arbeit, die er hier in St. Gallen leistet..

Haben Sie Angst, ihn zu verlieren?
Angst wäre ein schlechter Ratgeber. Es herrscht Transparenz zwischen uns.

Sie haben sich zuletzt für eine Aufstockung der Liga ausgesprochen. Warum?
Ich fände 12 oder 14 Mannschaften ideal, weil Mannschaften wie GC, Lausanne, Aarau oder Winterthur das Potenzial für die Super League hätten. Eine Zehnerliga kann eintönig werden, weil der Kampf gegen den Barrageplatz nicht immer so spannend sein wird wie dieses Jahr. Hoffentlich …

Eine Zeit lang fürchteten Sie, dass es St. Gallen erwischen könnte.
Die Anspannung in dieser Phase war extrem. Da kannst Du Dritter sein werden, gleichzeitig aber auch absteigen. Als Dritter wären wir überbezahlt worden für diese Saison, so ehrlich muss man sein. Aber wenn Du dann dieses irre Spiel von Aarau gegen Xamax siehst... Dann bin ich einfach gottenfroh, dass wir uns vorher gerettet hatten!

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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