Matias Delgado im grossen Interview
«Eine Schande, dass Messi nicht mehr für Argentinien spielen will»

Basel-Captain Matias Delgado (33) erklärt, warum man ihm noch nicht zum Titel gratulieren darf. Weshalb er nach seiner Rückkehr in die Schweiz Probleme hatte. Und wieso Messi besser als Maradona ist.
Publiziert: 23.07.2016 um 12:45 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:27 Uhr
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«Ich war nie ein Mann der grossen Worte.»
Foto: Benjamin Soland
Martin Arn (Interview) und Benjamin Soland (Fotos)

Matias Delgado, dürfen wir Ihnen zum Meistertitel gratulieren?
Matias Delgado: Gerne! Aber es ist ja schon eine Weile her.

Nein, nein: Wir möchten zum Titel 2016/17 gratulieren!
Um Gottes willen nicht! Es ist jedes Mal ein harter Kampf, auch wenn es für manche nicht so scheinen mag. Es wird von Mal zu Mal schwieriger, den Titel zu gewinnen. Die Saison beginnt erst. Alles ist offen.

Letzte Saison hatte Basel 14 Punkte Vorsprung!
Ja, aber wir mussten sehr viele schwierige Partien gewinnen. Jeder will gegen Basel siegen. Uns wird nichts geschenkt. In keinem einzigen Spiel! Das widerspiegelt sich vielleicht nicht in der Schlussrangliste.

Kann es für die Konkurrenz ein Vorteil sein, dass Basel direkt für die Champions League qualifiziert ist?
Nein, weshalb?

Weil dann vielleicht die Konzentration in der Meisterschaft ein wenig fehlt.
Der Verein unternimmt grosse Anstrengungen, dass wir einen ausgeglichenen, starken Kader haben und in der Meisterschaft wie in der Champions League und im Cup konkurrenzfähig sind. Vor zwei Jahren mit Paulo Sousa haben wir eine starke Champions League gespielt und wurden trotzdem Meister.

Was hat sich für Sie geändert, seit Sie Captain sind?
Das Einzige, was sich verändert hat, ist, dass ich als Erster auf den Rasen gehe und die Platzwahl bestreite (lacht). Im Ernst: Ich habe ein bisschen mehr Verantwortung zu tragen. Vielleicht rede ich ein bisschen mehr mit den Kollegen, dem Trainer. Aber ich war nie ein Mann der grossen Worte. Dennoch glaube ich, dass ich mich menschlich weiterentwickelt habe, seit ich Captain bin.

Haben Sie mit Marco Streller, Ihrem Vorgänger, gesprochen?
Natürlich! Pipi Streller ist eine grosse Persönlichkeit. Ich habe mir einiges von ihm abgeschaut, seinen Umgang mit den Mitspielern zum Beispiel. Ich rede auch heute noch regelmässig mit ihm.

Wie ist das mit der Saisonvorbereitung? Alex Frei hat vor ein paar Jahren mal gesagt, das sei das, was ihm am wenigsten gefalle am Profi-Leben: das Trainingslager.
(Lacht) Der gute Alex, er hat schon recht. Niemand geht euphorisch ins Trainingslager. Es ist hart, es wird viel gearbeitet im physischen Bereich. Nicht gerade das, was uns Fussballern gefällt. Aber es ist nötig, wenn du Erfolg haben willst. Ausserdem hilft es, die neuen Spieler zu integrieren. Für den Trainer ist es wichtig, wenn er neue Spielzüge oder taktische Elemente üben will. Zum Glück dauert das Trainingslager meistens nicht allzu lange.

Sie als Routinier dürfen sich im Training bestimmt auch einmal ein wenig zurücknehmen, oder?
Das entspricht mir nicht. Als ich mich entschieden habe, bei Basel zu spielen, wollte ich es zu 100 Prozent tun. Ich versuche immer, das Maximum zu geben. Ich möchte auch ein Vorbild sein für unsere Jungen. Ausserdem stellt der Trainer immer die Besten auf. Nur weil ich Captain bin, heisst das noch lange nicht, dass ich immer spiele.

Sie waren letzte Saison einige Male auf der Bank. Hat Sie das gestört?
Ja, natürlich hat mich das gestört. Jeder will spielen! Auf der Bank zu sitzen, empfinde ich immer ein wenig als Schmach. Aber gleichzeitig weiss ich, dass wir ein grosses, starkes Kader haben und nicht jeder immer spielen kann. Deswegen versuche ich, dem Trainer im Training zu zeigen, dass er sich geirrt hat, als er mich auf die Bank setzte.

Als Sie vor drei Jahren zum FCB zurückkamen, gab es zunächst Kritik, Sie seien nicht mehr derselbe wie 2006, als Sie den Verein verliessen. Hat Sie das gestört?
Zu Beginn fehlte mir der Rhythmus. Ich hatte am Anfang immer Probleme, wenn ich zu einem neuen Verein kam. Vielleicht brauche ich einfach mehr Zeit als andere. Als ich zurück zum FCB wechselte, kam erschwerend dazu, dass ich kaum Zeit hatte, mich richtig einzustellen auf den Wechsel. Unser drittes Kind war gerade auf die Welt gekommen, wir waren noch mit dem Umzug aus den
Arabischen Emiraten beschäftigt, hatten noch keine Wohnung in Basel. Ich wurde in Basel vorgestellt, und zwei Tage später sass ich in St. Gallen auf der Bank. Das war alles ziemlich stressig.

Hatten Sie Selbstzweifel?
Mir war klar, dass ich nur schon aufgrund meines Alters nicht mehr derselbe sein würde wie damals, 2005/06, als ich 18 Tore für Basel erzielte. Gleichzeitig wusste ich aber, dass ich nach wie vor sehr nützlich sein würde für den FCB.

Embolo ist weg, Doumbia ist gekommen – was ändert sich dadurch?
Embolo war ein Riesentalent. Doumbia kannte ich noch nicht. Aber alle erzählen nur gute Dinge über ihn. Ich hoffe, dass er so viele Tore schiesst wie damals für YB. Er ist sicher eine Verstärkung.

Sie haben noch ein Jahr Vertrag: Wie gehts danach weiter?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich nehme Training für Training, Spiel für Spiel.

Können Sie sich vorstellen, noch ein paar Jahre anzuhängen?
Ehrlich, daran denke ich nicht.

Sehen Sie sich als Trainer?
Ziemlich sicher nicht. Dafür müsste ich zuerst alle Kurse machen. Zuerst werde ich mich sicher mal um meine Familie kümmern. Wir sind ja jetzt zu fünft.

Werden Sie nach Argentinien zurückkehren?
Ich denke nicht. Argentinien ist, so leid es mir tut, zu wenig sicher. Wären nur meine Frau und ich, dann wäre eine Rückkehr kein Problem. Aber mit den Kindern lebe ich lieber in Europa , auch wenn es mir in der Seele weh tut, dies zu sagen.

Was sagen Sie über Ihren Landsmann Lionel Messi, der kürzlich seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekanntgab?
Ich habe geweint, als er seinen Rücktritt erklärte. Dass er nicht mehr für sein Heimatland spielen will, obwohl er es so sehr liebt, ist eine Schande. Daran sind alle diese Ignoranten schuld, die ihn kritisieren, obwohl sie keine Ahnung von Fussball haben. Alle, die wir selber als Profis spielen, wissen, was für ein unerreichbarer Ausnahmekönner er ist. Er ist der Beste und wird härter kritisiert als alle anderen. Argentinien hat einen solchen Spieler nicht verdient. Eine WM 2018 ohne Messi ist für mich schwer vorstellbar. Ich hoffe, dass es ein Entscheid war im Frust über die Finalniederlage bei der Copa America und dass er es sich noch einmal anders überlegt. Messi ist für mich der beste Spieler aller Zeiten. Egal, ob er einen Titel mit der Nationalmannschaft gewinnt oder nicht. Messi ist der Beste!

Besser als Maradona?
Fussballerisch auf jeden Fall!

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