Lieber Abstiegskampf statt MLS-Mentalität
Für Thun verzichtet Bertone auf einen Mega-Lohn

Warum tut sich einer, der mit YB Meister wurde und in der lukrativen MLS spielte jetzt den Abstiegskampf mit Thun an? Leonardo Bertone (25) lächelt darüber hinweg. Er mag Herausforderungen – und stellt Moral über Materielles.
Publiziert: 09.02.2020 um 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2023 um 23:47 Uhr
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Leonardo Bertone soll den FC Thun zum Klassenerhalt führen.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
Marco Pescio

Mit diesem Wechsel überraschte er selbst sein persönliches Umfeld. Bertone geht zum kleinen Berner Nachbarn. Als Nachfolger für den verletzten Leader Dennis Hediger (33).

Das Glück des Schlusslichts: Es hat durch die Partnerschaft mit der chinesischen Pacific Media Group erst die Möglichkeit gewonnen, sich auf dem Transfermarkt umzusehen. Und: Es klopft bei Bertone zum richtigen Zeitpunkt an.

Bertone passt nicht nach Nordamerika

Denn dieser ist sich nach nur einem Jahr in der Major League Soccer bewusst geworden, dass das eingegangene Abenteuer nur bedingt seinen Vorstellungen entspricht. Dass er in Cincinnati im März 2019 das allererste MLS-Tor des Klubs erzielte und damit gleich in die Klubgeschichte einging: schön. Dass er auf Anhieb Stammkraft war: gut. Dass er in einer boomenden Liga, die immer mehr Aufmerksamkeit generiert, kicken durfte: spannend. Dass er laut öffentlich einsehbarer Gehaltsliste einen Jahreslohn von knapp einer halben Million Dollar einstrich: ausgezeichnet.

Gleichwohl hat Bertone in der Winterpause gemerkt, dass er als Typ gar nicht so gut in diese amerikanische Sportwelt passt. Vor allem an der Mentalität stört er sich. Daran etwa, dass vor Beginn der Playoffs die Teams noch nicht an ihr Leistungsmaximum gehen: «Wenn man dann mal verliert, ist es manchen einfach egal.» Befremdend für einen, der es als selbstverständlich erachtet, jeden Tag «Vollgas» zu geben.

Thun nur ein kleiner Abstecher

In Thun habe er die so vermisste Kämpfer-Einstellung wiedergefunden. Das 2:1 über Sion vor zwei Wochen sei der Beweis gewesen, dass viel Kämpferherz im Team stecke. Das 0:2 bei Servette hingegen «ein Warnsignal», dass eben noch nicht alles so zusammen­passe wie nach dem Auftakt­erfolg erhofft.

Aufgrund einer Ausstiegsklausel im Vertrag, die ihm einen Wechsel im Sommer möglich macht, ist Thun am Ende nur ein kleiner Abstecher in seiner Karriere. Nur um übergangs­mässig ein wenig mitzukicken, ist er aber nicht gekommen. Seine verantwortungsvolle Rolle und der Stolz würden das nicht zulassen, zu viel liegt ihm an seiner Heimat und den Leuten, die hier leben und ihn unterstützen. Seine Wohnung in Bern hat er während seiner MLS-Zeit behalten – jetzt ist er wieder fix eingezogen. Er mag es, «endlich wieder Bärndütsch» um sich herum zu hören, sagt er und schmunzelt.

Alle Medien-Apps gelöscht

Fragen, wie er für Thun auf die MLS und ein damit verbundenes stattliches Jahressalär verzichtet könne, sind ihm egal. Was die Presse schreibt, bekommt er gar nicht mit: «Ich habe alle entsprechenden Apps gelöscht.» Sein Fokus gilt nur dem nächsten Spiel gegen Lugano und dem Abstiegskampf. Weil hier jeder Sieg wertvoll ist. Und jede Nieder­lage alles andere als egal.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Basel
FC Basel
16
22
29
2
FC Lugano
FC Lugano
16
6
28
3
Servette FC
Servette FC
16
3
28
4
FC Zürich
FC Zürich
16
4
27
5
FC Luzern
FC Luzern
16
5
26
6
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
16
3
24
7
FC St. Gallen
FC St. Gallen
16
4
21
8
FC Sion
FC Sion
16
1
20
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
16
-3
20
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
16
-11
16
11
FC Winterthur
FC Winterthur
16
-23
12
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
16
-11
11
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