Foto: TOTO MARTI

Legende Erich Vogel wird 80
«Seoane kann der neue Hitzfeld werden!»

Altersmilde? Von wegen! Fussballabstinent? Geht gar nicht! Auch mit 80 ist Fussball das tägliche Brot von Erich Vogel. 
 Der Ex-GC-, - FCZ- und - Basel-Manager im Interview.
Publiziert: 03.01.2019 um 09:24 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2019 um 09:25 Uhr
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Gerardo Seoane habe das Zeug, um in die Fussstapfen von Ottmar Hitzfeld zu treten, meint Erich Vogel.
Foto: TOTO MARTI
Max Kern
Max KernSportjournalist

Erich Vogel, wie feiern Sie ­Ihren 80. Geburtstag?
Ich sehe keinen Grund, eine besondere Feier zu veranstalten.

Nach einer schwierigen Operation sagten Sie vor kurzem, die Ärzte hätten Ihnen noch fünf Jahre Lebens­garantie gegeben.Von einem Arzt werden Sie nie eine Lebensgarantie erhalten – das wäre völlig unseriös. Aber sie haben mir die Hoffnung gemacht, dass für die nächsten fünf Jahre durchaus lebenswerte Aussichten bestehen. Dafür muss ich aber meinen Teil dazu beitragen. Und das werde ich mit letzter Konsequenz auch tun.

Woraus besteht Ihr Beitrag?
Noch seriöser leben, mich noch konsequenter bewegen. Obwohl ich schon bisher sehr seriös gelebt habe und in den letzten 50 Jahren fast täglich joggen war.

Weshalb haben Sie nie eine Biografie geschrieben?
Negative Nachrichten verkaufen sich viel besser als positive News. Natürlich kam ich in meiner 60-jährigen Karriere mit Doping, Korruption, Spielerkäufen, Schiedsrichterbestechungen und Spielabsprachen in Berührung. Doch das waren ganz wenige Einzelfälle – und zu Beginn meiner Karriere weit häufiger als in den letzten Jahrzehnten. Der Fussball in der Schweiz hat sich auch in ethischer Hinsicht viel ­positiver entwickelt als andere Gebiete der Gesellschaft – denken wir an die unendlich vielen Bankenskandale und politischen ­Affären. Da hat man das Gefühl, dass unethisches Handeln in 
den letzten Jahren eindeutig zugenommen hat. Die wenigen Schandflecke, die ich im Fussball hautnah mitbekommen habe, am Ende meiner Karriere der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, würde ich mit meinen ethischen Ansprüchen an mich selbst nie in Einklang bringen. Daher würde ich um kein Geld eine Autobiografie veröffentlichen.

Sie haben aber den Bestechungsskandal mit Schiedsrichter Kurt Röthlisberger der Uefa gemeldet. Der machte Ihnen vor dem Champions-League-Spiel GC gegen Auxerre 1996 das Angebot, den Ref zu bestechen.
Ich möchte nicht mehr auf alle Details dieser leidigen Geschichte eintreten. Ich bin überhaupt nicht stolz darauf, einen Bestechungsversuch aufgedeckt zu ­haben. Ich habe Röthlisberger deutlich gesagt, dass ich niemals Geld zur ­Bestechung eines Schiedsrichters zur Verfügung stellen werde. Damit wollte ich den Fall intern ­regeln. Als er mir aber klarmachte, dass er nach meiner Absage mit seinem Anliegen zu 
den Verantwortlichen unseres Gegners AJ Auxerre gehen werde, zwang er mich dazu, dies der Uefa zu melden. Denn ich konnte es meinem Arbeitgeber GC nicht zumuten, durch einen gekauften Schiedsrichter ein Champions-League-Spiel zu verlieren.

Warum landeten Sie als Metzgerssohn vor 66 Jahren beim damaligen Bonzen-Klub GC und nicht standes­gemäss beim Arbeiterklub FCZ?
Mein Vater nahm mich bereits als Fünfjähriger praktisch zu allen Spielen von GC in den Hardturm mit. Er als Bauernsohn war stolz darauf, gute Beziehungen zu einzelnen Vorstandsmitgliedern von GC vorweisen zu können. Er hätte mich nie zum FCZ gelassen.

Als Sie Ihrem Vater einst an den Kopf warfen, dass Metzger ein «Scheissberuf» sei, gabs dafür eine schallende Ohrfeige.
Ich hatte ein schwieriges Verhältnis zu meinem Vater. Er wollte unbedingt, dass ich einst seine von ihm aufgebaute Metzgerei als Nachfolger übernehme. Die schallende Ohrfeige, die er mir verabreichte, war mehr als nur verdient. Ich habe ihn mit meiner Aussage, dass Metzger ein Scheissberuf sei, zutiefst im Innern verletzt. Dass er danach ausrastete, konnte ich schon da nachvollziehen. Die Ohrfeige hat mir bestimmt nicht geschadet!

Waren die fünf Meistertitel und die vier Cupsiege mit GC für Sie der grösste Erfolg oder die erstmalige Quali­fikation eines Schweizer Klubs 1995 für die Champions League?
Jeder Erfolg basiert auf einer einmaligen Geschichte. Mir war aber immer klar, dass ich als Sport-­Direktor einen Teil des Erfolgs für mich in Anspruch nehmen konnte. Doch die damaligen Cheftrainer Ottmar Hitzfeld und später Christian Gross hatten einen viel grösseren Einfluss als ich. Denn sie arbeiteten täglich mit einer recht schwierigen Spielergeneration. Persönlich waren die drei Meistertitel mit der U18 von GC emotional tiefgreifender und haben mich mehr geprägt als die Erfolge mit der 1. Mannschaft.

Sie wurden in Ihrer Karriere fünfmal entlassen – alleine zweimal bei GC.
Sie dürfen auch erwähnen, dass ich 25-mal angestellt oder mit einem Mandat ausgestattet wurde – alleine 6-mal bei GC! Das Verhältnis von Anstellung zu Entlassung ist mit plus 20 recht positiv.

Aber Entlassungen führen doch meist zu Wut und Rachegedanken und enden mit einem Verlust von Selbstwertgefühl.
Keiner wird gerne entlassen, vor allem nicht dann, wenn in der Öffentlichkeit darüber noch kommuniziert wird. Doch nach der ersten Wut-Phase habe ich mich hinterfragt, was die wahren Gründe für die Entlassung gewesen seien und welche Fehler ich begangen habe. Ich habe mir dann geschworen, dieselben Fehler bei einem zukünftigen Klub nicht nochmals zu begehen. Die Erfahrung, sich nach Rückschlägen und Abstürzen aus eigener Kraft wieder aufgerichtet zu haben, gab mir die Gewissheit, auch in Zukunft in schwierigen Situationen wieder Lösungen zu finden. Das führt zu mehr Selbstvertrauen, die wichtigste Führungseigenschaft.

Was muss sich bei GC ändern, dass die Mannschaft nicht wie aktuell auf dem 9. Rang herumdümpelt?
Ich möchte mich auf zwei Sätze beschränken. Wer die Schuld bei Misserfolgen systematisch anderen in die Schuhe schiebt – mit Aussagen wie «die Unruhe im Klub färbt auf die Spieler ab», «die stetigen Veränderungen in der Mannschaft verunsichern die Spieler und lassen keine Automatismen zu» oder «die Verletzungs-Misere ist die Hauptursache der katastrophalen Tabellenlage» –, der übersieht und verdrängt das eigene komplette Führungsversagen. Ein solches Verhalten führt meistens im direktesten Weg in den Abgrund. Doch bei GC scheint die Gefahr eines möglichen Abstiegs noch nicht angekommen zu sein!

Sie behaupten, dass 90 Prozent der Schweizer Fussballtrainer im falschen Beruf arbeiten würden.
Die mangelnde Führungs-Kompetenz der Trainer ist der eigentliche Schwachpunkt im gegenwärtigen Schweizer Profifussball. Vor allem die ehemaligen Spitzenspieler sind sich nicht bewusst, dass der internationale Fussball einem enormen Veränderungsprozess ausgesetzt ist. Sie haben noch nicht begriffen, dass die Mentalität der Spieler auf dem Feld den Ausschlag über Sieg und Niederlage gibt. Daher ist das wichtigste Fazit erfolgreicher Spitzentrainer, dass sie zuerst die Herzen ihrer Spieler erreichen und für sich einnehmen müssen, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu schaffen. Das braucht bei einer Mannschaft mit 22 Spielern enorm viel Zeit und zudem ein sensibles Vorgehen. Diese Zeit zu investieren, sind die allermeisten Trainer nicht gewillt! Das Scheitern ist dadurch programmiert!

YB-Trainer Gerardo Seoane gehört aber nicht zu dieser Kategorie ...
Seoane habe ich als sehr spielintelligenten Menschen kennengelernt. Durch zwei unverständliche Transfers zu Sion und La Coruna hat er sich eine grosse Karriere als Spieler verbaut. In Luzern hat er als Nachwuchstrainer hervorragende Arbeit geleistet und mehrere Nachwuchsspieler besser gemacht und der ersten Mannschaft zugeführt. Wie Seoane selbst erklärt, hat er sich zusätzlich in Führungskompetenz und Kommunikation weitergebildet. Das ist vorbildlich, aber bei Fussballtrainern die grosse Ausnahme. Wenn er diesen Wissensdurst beibehält, kann er sich zu einem absoluten Top-Trainer entwickeln und in die Fussstapfen eines Ottmar Hitzfeld oder Christian Gross treten.

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