Zu Hause bei den eingesperrten Sportlern
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Drei Sportler, drei Schicksale:Schweizer Sportler über die Zeit in Quarantäne

«Ich habe es langsam satt»
Zu Hause bei den eingesperrten Sportlern

Wie gehen Sportler damit um, wenn sie in Quarantäne oder Isolation stecken? BLICK hat bei denen nachgefragt, die es wissen müssen. Und sie mit ausreichend Abstand besucht.
Publiziert: 23.11.2020 um 15:52 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2020 um 09:14 Uhr
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Unser erster Besuch: Thomas Zass, Topskorer von Volley Amriswil.
Foto: Sven Thomann
Daniel Leu (Text), Sven Thomann und Benjamin Soland (Fotos)

So einfach machen es die Sportler uns Journalisten normalerweise nicht. «Egal, ob morgens oder nachmittags, kommt einfach vorbei. Wir sind ja eh zu Hause und haben Zeit ohne Ende», teilen sie uns alle mit einem Lachen mit.

Für unsere Reportage über Sportler in Isolation (positiv auf Corona getestet) oder Quarantäne (Kontakt gehabt mit einem Corona-Positiven) haben wir uns auf eine kleine Reise durch die Schweiz gemacht. Von A(mriswil) bis Z(ürich).

Natürlich ausgerüstet mit Desinfektionsmittel, Mundschutz und mehr als genügend Abstand. Wir wollten von den Sportlern wissen, wie sie mit dieser ungewohnten Situation umgehen. Wie es ist, wenn Athleten, die sich normalerweise tagtäglich mehrere Stunden lang bewegen, von heute auf morgen während bis zu zwei Wochen in ihrer Wohnung eingeschlossen sind.

Die Sportler zu finden, war kein Problem. Kaum ein Tag vergeht in diesen verrückten Zeiten, an dem nicht ein Team oder zumindest einzelne davon in Quarantäne müssen. Spielverschiebungen und Absagen gehören längst zur Tagesordnung.

Die Ehefrau hats auch erwischt

Unser erster Hausbesuch findet in der Ostschweiz statt. Bei Thomas Zass. Volley Amriswil ist so etwas wie das YB des Volleyballsports. Der Österreicher ist Captain und Topskorer des Teams. Schon zweimal wurde er zum MVP, zum wertvollsten Spieler, der Schweizer Liga gekürt. Dass er im vergangenen Frühling nicht Meister wurde, liegt wohl nur daran, dass die Meisterschaft damals abgebrochen wurde.

Zass wohnt in Amriswil in einem schmucklosen 60er-Jahre Wohnblock. An einer dicht befahrenen Hauptstrasse gelegen. Unten drin eine Autogarage, oben die Wohnungen. Unser Vorgehen ist jedes Mal das Gleiche. Wir legen das Mikrofon vor die Wohnungstür, klingeln und ziehen uns zurück. Dann unterhalten wir uns draussen. Der Sportler oben auf dem Balkon, wir unten auf der Strasse.

Klingt einfach, ist es bei Zass aber nicht. Wir schreien die Fragen hoch in den zweiten Stock. Was der 30-Jährige darauf antwortet, hören wir kaum. Zu laut ist der Strassenverkehr. Doch mit dem Einsatz einer Drohne und dem BLICK-Mikrofon ist eine Verständigung halbwegs möglich.

Thomas Zass, seit wann müssen Sie zu Hause bleiben?
Thomas Zass:
Heute ist der 13. Tag. Unser ganzes Team musste in Quarantäne. Ich habe dann gleich am ersten Tag Symptome entwickelt und wurde daraufhin positiv getestet. Zum Glück war bei mir der Verlauf eher mild. Glieder- und Brustschmerzen, Fieber – ähnlich wie bei einer normalen Grippe.

Sind Sie alleine in der Wohnung?
Nein, zusammen mit meiner kanadischen Ehefrau. Ich habe am ersten Tag versucht, ihr so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Doch dann hat auch sie Symptome entwickelt und es war klar, dass es sie ebenfalls erwischt hat.

Was machen Sie den ganzen Tag?
Das Übliche halt: Ein Buch lesen, Fernseh schauen und natürlich trainieren. Mit der gesamten Mannschaft via Zoom-Meetings.

Fühlen Sie sich eingesperrt?
Nein, aber ich habe es langsam satt. Zuerst durften wir ja im Frühling die Wohnung kaum verlassen. Dann im Sommer. Als wir die Familie meiner Frau in Kanada besuchten, mussten wir uns dort 14 Tage in Quarantäne begeben. Und jetzt hier noch zwei Wochen Isolation. Ich denke, das reicht jetzt.

Sie dürfen am Montag die Wohnung endlich wieder verlassen. Was werden Sie als erstes tun?
Das wird gleich ein voller Tag werden, denn es sind zwei Trainingseinheiten mit dem Team angesetzt.

Sagt es und verabschiedet sich aus dem grellen Sonnenlicht. Noch schnell das Mikrofon holen, das Zass vor seiner Wohnungstür hinterlegt hat, und weiter geht die Reise.

ZSC-Geering putzt Fenster

Unser nächster Halt: mitten im Herzen der Stadt Zürich gelegen. Hier in Wipkingen an der Limmat wohnt Patrick Geering. 2020 hätte sein Jahr werden können. Der Captain hätte im Frühling mit den ZSC Lions Schweizermeister werden können. Er hätte im Frühsommer an der Heim-WM in seiner Stadt auflaufen können. Und er könnte jetzt auf dem Eis stehen, um sich aufs nächste National-League-Spiel vorzubereiten.

Hätte und könnte, denn Corona hat ja bekanntlich alles durcheinander gewirbelt. Statt zusammen mit den Kollegen zu schwitzen und zu reden («es gibt ja einen Grund, weshalb ich Teamsportler wurde»), sitzt er jetzt zu Hause. Genau wie das gesamte Team. Eingesperrt seit sieben Tagen. Quarantäne!

Das Mikrofon ist überreicht, der 30-jährige Geering erscheint auf seinem Balkon, blickt auf den Prime Tower, die Limmat, die Hardbrücke. Wir unten im kleinen Garten, der zur Siedlung gehört.

Patrick Geering, ist Ihnen schon langweilig?
Patrick Geering:
Sagen wir es so: Ein bisschen mehr Bewegung würde mir gut tun. Es wär schon lässig, mal wieder zu joggen, statt sich nur in Räumen von zehn Quadratmetern zu bewegen.

Trainieren Sie?
Ja, auch hier auf dem Balkon. Wir haben vom Sport- und dem Teamchef Gewichte und andere Utensilien gekriegt. Ich versuche mich damit, so gut wie möglich fit zu halten.

Zehn Tage können sehr lange sein. Wie kämpfen Sie gegen die Langeweile an?
Ich koche und putze, damit ich nicht zu «überstellig» werde. Kürzlich habe ich sogar die Fenster geputzt, auch wenn das kurz vor dem Winter wohl nicht sehr viel Sinn macht.

Fühlen Sie sich eingesperrt?
Nein, ich komme gut in den eigenen vier Wänden zurecht. Ich bin auch sonst keiner, der jeden Tag auf der Gasse sein muss. Natürlich macht das jetzt nicht mega viel Spass, aber zehn Tage kriege ich hin.

Sie wohnen mit Ihrer Freundin zusammen. Gehen Sie sich schon gegenseitig auf die Nerven?
(Lacht) Nein, wir haben es super. Auch sie ist zurzeit vorwiegend im Homeoffice, trotzdem gehen wir uns noch nicht auf den Wecker.

2020 hätte Ihr Jahr werden können. Sind Sie froh, wenn das endlich vorbei ist?
Es wäre schön, wenn die Corona-Krise endlich vorbei wäre. Doch das Ganze ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wir müssen uns alle an die Massnahmen halten. Ich hoffe einfach, dass wir in den nächsten Monaten einen guten Weg finden, um Hockey zu spielen und um so den Leuten draussen, die uns gerne zuschauen, eine Freude machen zu können.

Erstaunlich, wie gelassen Geering mit der Quarantäne-Situation umgeht. Kein Hadern, kein Lamentieren, kein Jammern. Einfach die Situation annehmen und das Beste draus machen.

Erst Quarantäne, dann Isolation

Unsere kleine Reise führt uns zurück in die Ostschweiz. Genauer gesagt nach Sargans SG. Hier wohnt Joël Schmied in einer Neubausiedlung. Der 22-Jährige ehemalige Schweizer U-Nationalspieler kickt seit dieser Saison für Vaduz.

Ausgebildet wurde er bei YB, gespielt hat er letzte Saison noch für Wil. In diesem Sommer gab der Innenverteidiger sein Debüt in der Super League. Er hat sich gleich einen Stammplatz erkämpft.

Schmied weiss, was es heisst, zu Hause zu sein. Ende Oktober musste er für zehn Tage in Quarantäne, wegen drei positiven Fällen in der 1. Mannschaft. Und nach rund einer Woche in Freiheit erwischte es ihn selbst. Corona-positiv! Wieder eingesperrt! Zehn Tage Isolation!

Trotzdem erscheint er gut gelaunt auf seiner kleinen Terrasse, während wir uns hinter einer Hecke mit genügend Abstand positionieren.

Joël Schmied, von den letzten 30 Tagen sassen Sie 20 zu Hause fest. Haben Sie Lagerkoller?
Joël Schmid: Nein, mir geht es gut, psychisch und physisch. Ich hatte nie Symptome. Deshalb war ich überrascht vom positiven Ergebnis. Jetzt bin ich froh, dass ich morgen endlich wieder raus darf.

Wohnen Sie alleine?
Ja. Früher lebte ich in einer Fünfer-WG. Das hat Vor- und Nachteile. Jetzt geniesse ich hier die Ruhe. Klar wäre es schön gewesen, wenn mich mal die Freundin oder ein Kollege hätte besuchen können. Doch das war jetzt halt nicht möglich.

Sind Sie mittlerweile schon ein Profi-Koch?
Ich habe schon früher gerne gekocht, doch jetzt hatte ich natürlich Zeit, um aufwändigere Menüs zu kochen. Da habe ich bestimmt einen Schritt nach vorne gemacht. Aber ganz ehrlich: Ich würde natürlich lieber auf dem Fussballplatz stehen als in der Küche.

Während Sie zu Hause festsitzen, dürfen Ihre Teamkollegen trainieren. Wie sehr schmerzt das?
Natürlich macht man sich da so seine Gedanken. Ich konnte aber zuhause auch trainieren, da mir der Klub einen Hometrainer, Therabänder und einen Fussball zur Verfügung gestellt hat. Aber ja, mir fehlen die Jungs sehr.

Heute kommen Sie endlich wieder raus. Was steht auf dem Programm?
Zuerst einmal muss ich die Winter-Pneus montieren lassen, und auch ein Coiffeur-Besuch steht an. Dann freue ich mich extrem aufs Training. Und ich bin froh, dass ich mir mal was beim Take-Away holen kann, damit ich nicht immer die Küche putzen muss.

Das wars. Schmied zieht hinter sich seine Terrassentür zurück. Nur noch wenige Stunden, und dann ist er endlich wieder frei.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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